# taz.de -- Indigene in Venezuela: Die Wächter des Waldes
       
       > In Venezuela will eine indigene Initiative ihr Territorium schützen – mit
       > altem Wissen und modernen Werkzeugen.
       
 (IMG) Bild: Gemeinsam für den Erhalt des Regenwaldes – Teilnehmer des Workshops „Reunion“
       
       MÉRIDA taz | | Im Dschungel Südvenezuelas, im [1][Alto Ventuari],
       vermischen sich die Geräusche von Motoren und Baggern zunehmend mit dem
       Gesang der Vögel. Hier beschlossen die indigenen Gemeinschaften der
       Ye’kwana und Sanema, nicht untätig zu bleiben. Sie belebten die Figur des
       Ayukuweni – „Wächter“ in ihrer Sprache – wieder. Heute kämpfen Hunderte
       junge Indigene an vorderster Front für den Schutz ihres Territoriums und
       gegen den illegalen Bergbau.
       
       „Die Figur des Ayukuweni ist eine Institution, die im Zuge der Ausweitung
       der extraktivistischen Grenze in indigenen Territorien sichtbar gemacht und
       neu belebt wurde“, erklärt [2][Vladimir Aguilar], Universitätsprofessor und
       Berater der Arbeitsgruppe für indigene Angelegenheiten (GTAI) der
       Universität der Anden. „In der Geschichte des Ye’kwana-Volkes war der
       Ayukuweni ein Hüter des Waldes und der Natur sowie seiner Kultur.“
       
       Diese Initiative entstand nicht aus dem Nichts. Sie wird durch
       Partnerschaften mit Organisationen wie dem GTAI, Universitäten und dem
       venezolanischen Nationalparkinstitut Inparques unterstützt, die Schulungen
       in Umweltrecht und territorialen Rechten begleiten. In ihren Workshops
       diskutieren sie darüber, wie man [3][der sozialen Zersplitterung durch den
       Bergbau] entgegentreten und wie man die vorherige Konsultation als
       Schutzmechanismus durchsetzen kann.
       
       „Wir haben unseren Eid vor unseren Ältesten und Schutzgeistern geleistet“,
       erklärt Eligio Dacosta, Baniva-Anführer und Koordinator der
       [4][Regionalorganisation der indigenen Völker des Amazonas (Orpia)]. Er
       begleitet die Wächter nach Monaten interner Diskussionen auf den Feldern,
       in Gemeindeversammlungen und bei Treffen der traditionellen Anführer.
       
       ## Eine Gemeindewache in Zeiten des Goldes
       
       Die Ayukuweni sind keine improvisierte Gruppe. Jeder Wächter hat klare
       Aufgaben: Einige überwachen, andere bilden die nächste Generation aus,
       wieder [5][andere schützen heilige Stätten]. Frauen und Jugendliche spielen
       eine Schlüsselrolle, indem sie Techniken der Kartografie und des
       Umweltmanagements erlernen und gleichzeitig Schutzrituale wiederbeleben.
       
       Der Auftrag der Ayukuweni ist gemeinschaftlich. Sie erhalten keinen Lohn,
       denn ihr Engagement gilt als gemeinsame Verantwortung, ist Teil ihres
       eigenen Rechts. „Wir arbeiten mit der indigenen Basisorganisation Kuyunu
       zusammen und nutzen unsere eigenen Entscheidungsmechanismen wie
       Versammlungen, Räte der Weisen und [6][die spezielle indigene
       Gerichtsbarkeit] Tuduma Saka“, erklärt Professor Aguilar.
       
       Doch das Risiko ist enorm. Berichte von Wataniba (Sozio-Umweltarbeitsgruppe
       des Amazonas) zeigen mindestens 70 aktive Minen auf dem Gebiet der Ye’kwana
       und Sanema.
       
       SOS Orinoco hat anhand von Satellitenbildern einen Anstieg illegaler
       Aktivitäten in der Zeit von 2024 bis 2025 festgestellt, insbesondere im
       Nationalpark Yapacana und entlang des Flusses Ventuari. „Der Bergbau wirkt
       sich nicht nur auf die Umwelt aus, sondern [7][verursacht auch soziale
       Spaltung] innerhalb der indigenen Gemeinschaften“, betont Aguilar.
       
       ## Verteidigen – und den Preis zahlen
       
       Im Jahr 2024 kam es zu großen Spannungen am oberen Ventuari. Im Juni war
       Virgilio Trujillo Arana, ein bekannter Uwottüja-Verteidiger des Amazonas
       und Mitglied von Orpia, ermordet worden. Führer und Gemeinschaften sahen in
       seinem Tod eine direkte Folge des Vormarschs des Extraktivismus [8][und
       bewaffneter Gruppen].
       
       Für viele territoriale Wächter war dieses Ereignis ein Wendepunkt: Die mit
       dem Bergbau verbundene Gewalt bedrohte nicht mehr nur den Wald, sondern
       auch das Leben seiner Verteidiger.
       
       Im Januar 2025 organisierten die Ye’kwana-Gemeinschaften im Rahmen des Plan
       Parú eine kollektive Aktion. Das Ziel: Illegale Bergleute aus ihrem Gebiet
       zu vertreiben. Rund 90 Personen schafften es, die illegalen Goldschürfer
       vom Oberlauf des Parú zu vertreiben und ihre Maschinen zu zerstören. Die
       Reaktion der Eindringlinge ließ nicht lange auf sich warten: Sie
       verbrannten das indigene Gemeinschaftshaus sowie die Häuser der Anführer.
       Dieser Angriff bleibt bisher ungesühnt vom venezolanischen Staat.
       
       Trotz dieser Bedrohungen gehen Ausbildung und Integration der Wächter
       weiter. Sie durchqueren weiterhin tagelang den Dschungel, stärken ihre
       Verbindungen zu Universitäten und erhalten ihre kulturelle Legitimität
       aufrecht. „Den Schutz dieses Territoriums zu übernehmen, ist [9][nicht nur
       Aufgabe der indigenen Organisationen]. Es ist Aufgabe aller, die hier an
       der Grenze leben, besonders im venezolanischen Amazonas“, sagt Anführer
       Eligio DaCosta.
       
       ## Die Gier nach Gold
       
       Der Ayukuweni ist mehr als eine Wachtruppe: Er ist eine Erinnerung daran,
       dass [10][das Überleben des Amazonas] von denen abhängt, die ihn bewohnen.
       „Unsere Pflicht ist es, den Wald, die Flüsse und die heiligen Stätten zu
       schützen. Dafür bekommt man kein Geld, es ist ein spirituelles Versprechen
       an unsere Kinder und Enkel“, so DaCosta.
       
       Weil der Staat schweigt, kriminelle Gruppen eine Gefahr darstellen und es
       keine passenden öffentlichen Maßnahmen für indigene Völker gibt, mussten
       sich die Gemeinschaften selbst organisieren und auf ihre eigenen Strukturen
       verlassen.
       
       Angesichts der [11][Gier nach Gold] sind die Wächter des oberen Ventuari
       heute ein ungewöhnliches Beispiel: Eine unbewaffnete Gruppe stellt sich
       einer zerstörerischen Macht entgegen. Auch wenn ihr Überleben ungewiss ist,
       beweist ihre Existenz, dass aus der Tradition neuer Widerstand erwachsen
       kann.
       
       Liliana Rivas ist eine Journalistin und Dokumentarfilmproduzentin aus
       Venezuela. Sie schreibt unter anderem für das Onlinemagazin [12][Mongabay]. 
       
       Übersetzt aus dem Spanischen von Niklas Franzen
       
       11 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://en.wikipedia.org/wiki/Ventuari_River
 (DIR) [2] https://identidadculturalddhh.com/dr-vladimir-aguilar-castro/
 (DIR) [3] /Goldabbau-in-Venezuela/!6103774
 (DIR) [4] https://coicamazonia.org/31-anos-de-orpia-el-recorrido-de-una-organizacion-desde-la-amazonia-venezolana/
 (DIR) [5] /Aktivist-gegen-illegalen-Bergbau-in-Venezuela/!5865103
 (DIR) [6] /Massaker-in-Venezuela/!5084561
 (DIR) [7] /Folgen-der-Krise-in-Venezuela/!5410401
 (DIR) [8] /Kampf-gegen-Drogenhandel/!6109686
 (DIR) [9] /Soziologe-vor-Wahl-in-Venezuela/!6087890
 (DIR) [10] /Rohstoffabbau-im-Amazonas-Regenwald/!5349674
 (DIR) [11] /Illegale-Minen-in-Brasilien/!6081090
 (DIR) [12] https://news.mongabay.com/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Liliana Rivas
       
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