# taz.de -- Klage gegen Obdachlosenunterkunft: Kein Milieuschutz für Reiche
       
       > Das Verwaltungsgericht Hannover weist die Klage von Hausbesitzern im
       > Zooviertel ab, die eine Obdachlosenunterkunft dort verhindern wollten.
       
 (IMG) Bild: Im ehemaligen Schwesternheim sollen Mikro-Apartments für Obdachlose entstehen. Die Nachbarn sind nicht begeistert
       
       Hannover taz | Die Geschichte ist fast zu simpel und zu schwarz-weiß, um
       sie zu erzählen: Reich gegen Arm. Die Bewohner des Zooviertels, das zu den
       besseren Wohnlagen Hannovers zählt, klagen gegen eine von der Stadt
       geplante Obdachlosenunterkunft in einem alten Schwesternwohnheim hinter dem
       Hannover Congress Centrum (HCC).
       
       Die Kläger ahnen wohl, dass sie damit keine gute Figur abgeben. Keiner will
       sich mit Namen nennen oder fotografieren lassen, keiner will in ein
       Mikrofon oder eine Kamera sprechen. Das war vor fünf Jahren, als diese
       Pläne zum ersten Mal öffentlich diskutiert wurden, noch anders. [1][Da gab
       man in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung bereitwillig Auskunft.] Jetzt
       beäugt man die versammelten Medienvertreter eher misstrauisch.
       
       Das Verwaltungsgericht Hannover hatte am Dienstag zu einem Vor-Ort-Termin
       geladen, um das Klageverfahren gegen die Baugenehmigung – die sich die
       Stadt praktisch selbst erteilt hat – abzuschließen.
       
       Eigentlich ist das Verfahren in den besten Händen. Richter Ingo Behrens,
       Vorsitzender Richter der 4. Kammer und gleichzeitig Präsident des
       Verwaltungsgerichts, ist für seine ausgesprochen zugewandte und freundliche
       Verhandlungsführung bekannt. Er legt großen Wert darauf, auch
       Verfahrensbeteiligten, die wenig Erfahrung mit Gerichten haben, genau zu
       erläutern, warum etwas auf eine bestimmte Weise verhandelt wird. Das kann
       er sehr gut und pointiert, was unter Verwaltungsjuristen nicht so häufig
       vorkommt.
       
       ## Nervöser Sicherheitsdienst
       
       An diesem Morgen muss er allerdings erst einmal eine gehörige Portion
       Gelassenheit aufbringen. In dem ehemaligen Schwesternwohnheim, das man sich
       eigentlich – zumindest von außen – anschauen wollte, sind derzeit
       Geflüchtete, überwiegend aus der Ukraine, untergebracht. Die private
       Betreiberfirma und der Sicherheitsdienst nehmen ihren Job sehr ernst.
       
       Sie verbieten erst einmal allen, vor allem den anwesenden Pressevertretern,
       das Gelände zu betreten, drohen sogar damit, die Polizei zu rufen. Das
       beißt sich ziemlich mit der Absicht des Gerichtes, hier eine öffentliche
       Verhandlung durchzuführen. Aber auch hektische Telefonate der anwesenden
       Vertreter der Stadtverwaltung ändern daran nichts.
       
       Mit 35 Minuten Verspätung eröffnet der Vorsitzende schließlich die
       mündliche Verhandlung auf der Straße vor der Unterkunft. Die Bericht
       erstattende Richterin erläutert noch einmal, was hier eigentlich geplant
       ist: 77 Mikro-Appartements mit eigenem Bad und Kochnische, sechs kleine
       Wohnungen für je ein Elternteil mit Kind sowie ein Frauenhaus.
       
       Die rund 100 möglichen Bewohner sollen von einem Wachdienst, der rund um
       die Uhr vor Ort sein wird, und zwei Sozialarbeitern betreut werden. Das
       Projekt, so wie es von der Stadt konzipiert wurde, soll diese Menschen auf
       eine eigenständige Haushaltsführung und somit auf eine Reintegration in die
       Gesellschaft vorbereiten.
       
       Das, argumentiert der Anwalt der Gegenseite, sei ja alles schön und gut –
       wenn es denn so kommt. Vorläufig müsse man aber erst einmal von dem
       ausgehen, was die Baugenehmigung umfasst. Und das bedeutet vor allem: 100
       zusätzliche Bewohner mit massiven Problemen in einem bisher kleinen,
       ruhigen Wohnviertel.
       
       ## Nachbarn wollen Stadtpark nicht teilen
       
       Das, so viel sollte man fairerweise sagen, gehört auch nicht zu den
       protzigsten. Beim Stichwort „Zooviertel“ denken viele Hannoveraner an
       Villen und die Residenz des ehemaligen Kanzlers Gerhard Schröder. In dieser
       Ecke des Zooviertels stehen aber eher gut gepflegte Reihenhäuser und
       Doppelhaushälften älteren Baujahrs. Trotzdem ist es eine fantastische
       Wohnlage: Steht man auf den clever verkehrsberuhigten Straßen und blickt in
       die hübschen Gärten, fühlt man sich wie in einem Vorort, obwohl man sich
       tatsächlich mitten in der Stadt befindet.
       
       Auch um [2][den unmittelbar angrenzenden Stadtpark] machten sich die
       Anwohner große Sorgen. Der ist ein historisches Kleinod, das bereits 1913
       angelegt wurde, aber 1951 zur ersten Bundesgartenschau von namhaften
       Gartenarchitekten neu strukturiert wurde. Auch diesen Park möchten sie
       nicht mit den neuen Nachbarn teilen müssen.
       
       Der Anwalt der Kläger versucht, sich auf die juristischen Feinheiten zu
       konzentrieren. Ist diese Unterkunft wirklich eine zumutbare soziale
       Einrichtung oder gleicht sie nicht doch eher einem Beherbergungsbetrieb?
       Letzterer wäre in einem allgemeinen Wohngebiet nämlich nicht zulässig. Und
       auch wenn das unangenehm sei, müsse man den Störfaktor ernsthaft in
       Erwägung ziehen, argumentiert er.
       
       ## Horrorszenarien wie am Bahnhof
       
       Der Anwohner neben ihm, ein älterer Herr, möchte sich mit solchen
       Feinheiten nicht aufhalten. Er zeichnet lieber wortreich Horrorszenarien:
       Von 90 Leuten, die hier ausschwärmen und das Wohngebiet überschwemmen
       würden, weil sie ja den ganzen Tag nichts zu tun hätten. Sie würden sich
       draußen versammeln, trinken, Drogen nehmen, Lärm machen und Müll
       hinterlassen. Man kenne ja [3][die Zustände am nahen Amtsgericht hinter dem
       Bahnhof], wo dann die Spritzen in den Hauseingängen lägen.
       
       Das ist allerdings der Punkt, wo der Vorsitzende Richter ihn freundlich
       einbremst. Ihn erinnere hier gar nichts an diese Zustände, erklärt Behrens.
       Und da der Herr ja kein Kläger, sondern nur Anwohner sei, sei er in dieser
       Verhandlung eigentlich auch nicht redeberechtigt.
       
       Die eigentlichen Kläger schauen resigniert drein. Das Gericht wird sich die
       Lage noch einmal von ihren Grundstücken aus ansehen. Doch schon jetzt ahnt
       man: Die Erfolgsaussichten sind nicht überwältigend.
       
       Nach einer kurzen Beratung in der Auffahrt eines der Kläger verkündet die
       Kammer ihr Urteil: Die angestrebte Obdachlosenunterkunft sei als soziale
       Einrichtung zu charakterisieren. Sie führe auch nicht zu unzumutbaren
       Störungen oder sonstigen Verletzungen der Nachbarschaftsrechte.
       
       Immerhin handele es sich hier nicht um eine Notunterkunft, sondern um ein
       auf Dauer angelegtes Wohnprojekt mit entsprechender Betreuung. Sowohl der
       Eingang als auch die Aufenthaltsbereiche lägen auf der vom Grundstück der
       Kläger abgewandten Seite ganz am Rand des Viertels. Die Klage wird
       abgewiesen.
       
       23 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.haz.de/lokales/hannover/anwohner-im-zooviertel-wehren-sich-gegen-obdachlosenunterkunft-4LQMKBRV5VXVJ4LI4XRED3N52Y.html
 (DIR) [2] https://www.visit-hannover.com/Sehensw%C3%BCrdigkeiten-Stadttouren/Sehensw%C3%BCrdigkeiten/Stadtpark
 (DIR) [3] /Dreimal-desastroese-Politik-in-Hannover/!5940102
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nadine Conti
       
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