# taz.de -- Ökonomin Leah Downey: „Niedrige Inflation ist allen wichtig“
> Die Fed hat die Zinsen gesenkt – auch auf Trumps Druck hin. Dass Politik
> bei Zentralbanken mitredet, war bisher ein No-Go. Leah Downey sieht das
> anders.
(IMG) Bild: Dollar, Dollar: Trump macht Druck auf die Geldpolitik
taz: Frau Downey, die Trump-Regierung greift die Unabhängigkeit der
US-Notenbank an, der sogenannten Fed. Ist das schlecht?
Leah Downey: Ja und nein. Einerseits ist es gut, denn ich glaube, dass die
Unabhängigkeit der Fed eine Gefahr für die US-Demokratie darstellt. Sie
schränkt die Handlungsfähigkeit des Staates ein. Wenn zum Beispiel der
US-Kongress direkter in die Geldpolitik eingreifen könnte, könnten Kredite
entweder direkt oder durch Regulierung in Sektoren gelenkt werden, wo sie
mehr Investitionen will. Oder aus Sektoren herausgehalten werden, wo sie
weniger Investitionen will. Und sie könnte beeinflussen, wohin Kredite
fließen.
taz: Das war das einerseits. Was ist das andererseits?
Downey: Dass der US-Präsident die Kontrolle über die Fed bekommt, ist keine
gute Idee. In den USA ist die Geldpolitik in der Verfassung ausdrücklich
der Legislative übertragen, aus guten Gründen. Der offensichtliche ist,
dass man die Macht nicht zu sehr bei einer einzelnen Person konzentrieren
sollte, insbesondere nicht die Macht, Geld zu erschaffen und zu verteilen.
Was die Trump-Regierung vorschlägt, ist überhaupt nicht wünschenswert. Die
Unabhängigkeit von Zentralbanken an sich infrage zu stellen, ist aber
gerechtfertigt.
taz: Liberale Ökonomen meinen, dass die Unabhängigkeit von Zentralbanken
die Inflation in den letzten Jahrzehnten weitgehend niedrig gehalten hat.
Das ist doch sicher gut?
Downey: Die Unabhängigkeit von Zentralbanken ist unter Ökonomen und
Zentralbankern unantastbar geworden. Dabei sind die Argumente dafür nicht
so stichhaltig, wenn man sie unter die Lupe nimmt. Der theoretische Teil
des Arguments der liberalen Ökonomen für unabhängige Zentralbanken basiert
auf der Idee der Zeitinkonsistenz: Was wir kurzfristig für eine gute Idee
halten, stimme nicht mit dem überein, was langfristig gute Politik ist.
Damit bin ich nicht einverstanden. Es ist zwar richtig, dass wir in
Demokratien politisch oft kurzfristig denken, aber das gilt auch für die
Umwelt-, die Steuer- und die Militärpolitik.
taz: Man nimmt dem Parlament also die Geldpolitik weg, weil die kurze Sicht
angeblich langfristig Schaden anrichtet – müsste man das dann nicht auch
bei anderen Politikbereichen tun?
Downey: Ja, manche Leute wollen das. Aber dann müssten wir darüber
diskutieren, ob diese Leute noch Demokraten sind, wenn sie das Parlament
entmachten wollen. Zurück zur Geldpolitik: Ein Argument für unabhängige
Zentralbanken ist auch, dass dort Fachwissen nötig ist, weil Geldpolitik
kompliziert ist. Aber ich sage nicht, dass wir keine Experten einbeziehen
sollen. Nur sollten diese unter der Leitung und Kontrolle der
demokratischen Legislative stehen.
taz: Es gibt aber empirische Belege, dass unabhängige Zentralbanken zu
niedriger Inflation führen.
Downey: Im Allgemeinen gehen die auf die frühen 90er Jahre zurück, als
einige Ökonomen einen Zusammenhang zwischen der Unabhängigkeit von
Zentralbanken und der Inflation entdeckten. Das war eine einzigartige Zeit.
Als man später versuchte, diese Studien zu wiederholen, hat sich dieser
Zusammenhang verändert. Vor allem bedeutet das jedoch nicht, dass man ohne
unabhängige Zentralbanken keine relativ niedrige und stabile Inflation
erreichen kann. Außerdem kann es eine Zentralbank geben, die nicht
unabhängig ist, aber dennoch den Auftrag hat, die Inflation zu bekämpfen.
taz: Liberale Ökonomen würden argumentieren, dass Politiker diesen Auftrag
übergehen würden, weil sie viel Geld ausgeben wollen, um wiedergewählt zu
werden, und auf diese Weise die Inflation erhöhen.
Downey: Die Vorstellung, dass Politiker sich langfristig nicht um die
Inflation kümmern, ist lächerlich, eine niedrige Inflation ist allen
wichtig. Wir messen dieser Karikatur viel zu viel Bedeutung bei, wonach
Bürger und Politiker nicht in der Lage sind, differenziert über Politik zu
reden.
taz: Aber zum Beispiel [1][in der Türkei ist die Inflation massiv
gestiegen], seit Präsident Erdoğan die Kontrolle über die Geldpolitik
übernommen hat.
Downey: Die Türkei scheint mir ein Sonderfall zu sein. Dort hat Erdoğan die
Zentralbank übernommen, um seine eigenen Ziele zu verfolgen, auf Grundlage
einiger ziemlich wilder Theorien darüber, wie Geld funktioniert. Das
beweist nicht, dass die Unabhängigkeit von Zentralbanken eine gute Idee
ist. Es beweist, dass man Erdoğan nicht die Macht über seine Zentralbank
geben sollte.
taz: Wie man auch Trump nicht die Macht darüber geben sollte, wie Sie
sagen. Warum finden Sie es wichtig für die Demokratie, dass die Legislative
die Zentralbanken kontrolliert?
Downey: Wenn die Legislative sich dafür entscheidet, über einen längeren
Zeitraum die Geldpolitik auszulagern, dann kann sie immer schlechter darauf
einwirken, auch wenn ihre Befugnisse formal bestehen bleiben. Der
US-Kongress könnte morgen beschließen, die Fed abzuschaffen. Aber seine
tatsächliche Macht – zu verstehen, was vor sich geht, die Alternativen zu
kennen und eine öffentliche Diskussion über Geldpolitik anzuregen – hat der
Kongress seit langer Zeit nicht ausgeübt. Und genau darum geht es denen,
die die Zentralbanken unabhängig vom Parlament halten wollen: Sie wollen
verhindern, dass die Legislative ihre Macht nutzt.
taz: Sie meinen, die Öffentlichkeit vergisst, wie man über Geldpolitik
spricht?
Downey: Noch schlimmer: Wir vergessen, dass es möglich ist, demokratisch
Geld zu erschaffen, Geld zu regulieren, Geld anders zu verteilen. Im 19.
Jahrhundert, sogar noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wurde darüber viel
mehr diskutiert. Das ist verloren gegangen.
taz: Könnte Trumps Angriff auf die Fed also eine demokratischere
Geldpolitik schaffen?
Downey: Ich fürchte, dass die USA darauf so reagieren, wie Großbritannien
auf Liz Truss: Jemand versucht aus den falschen Gründen, die politische
Kontrolle über eine Institution zu übernehmen, das geht schief, und daraus
wird dann die Lehre gezogen, dass der Status quo gut war –und das wird
nicht hinterfragt. In den US-Medien gibt es nur sehr wenige Stimmen, die
sagen: Ja, Trump und seine Leute haben irgendwie Recht damit, dass es
anders sein sollte. Stattdessen verteidigen sie einfach die Fed, wie sie
ist.
taz: Wir haben über die Fed und Zentralbanken im Allgemeinen gesprochen –
aber wie stehen die Chancen für eine demokratischere [2][Europäische
Zentralbank] (EZB)?
Downey: Das werde ich oft gefragt. Ich finde es wirklich schwierig zu
beantworten. Die EZB ist ein anderer Sonderfall.
taz: Warum?
Downey: Sie wurde nicht durch eine Verfassung gegründet, die ein Parlament
ändern könnte, sondern durch den Maastricht-Vertrag. Der kann nur geändert
werden, wenn alle EU-Mitgliedsstaaten zustimmen. Um eine wirksame
demokratische Kontrolle über die Geldpolitik zu schaffen, ist es wichtig,
dass sich die Legislative regelmäßig damit befasst. Ob in der EU oder in
den USA. Im Fall der USA könnte das bedeuten, dass jährlich über die
Kreditrichtlinien abgestimmt wird. Der US-Kongress könnte sagen: Wir sind
zufrieden, macht weiter so. Oder er könnte sagen: Nein, wir wollen hier
mehr Kredite und dort weniger. Das würde regelmäßige Diskussionen
erfordern.
taz: Das EU-Parlament könnte das übernehmen.
Downey: Aber dann würde man die nationalen Gesetzgeber übergehen, und das
würde offensichtlich in Richtung EU als eigener Staat gehen. Oder man
schafft die EZB ab und kehrt zu einer nationalen Kontrolle der Geldpolitik
zurück. Der derzeitige Mittelweg ist aus demokratischer Sicht nicht
zukunftsfähig. Für die, die die Unabhängigkeit von Zentralbanken über alles
stellen, ist die EZB ein Meisterwerk.
21 Sep 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Preisgefaelle-im-Tourismus/!6023922
(DIR) [2] /Wegen-US-Praesident-Trump/!6078107
## AUTOREN
(DIR) Jonas Waack
## TAGS
(DIR) wochentaz
(DIR) Geldpolitik
(DIR) Donald Trump
(DIR) EZB
(DIR) Fed
(DIR) GNS
(DIR) Reden wir darüber
(DIR) Inflation
(DIR) Fed
(DIR) Donald Trump
(DIR) Schwerpunkt USA unter Trump
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Wieder stärkere Geldentwertung: Die Inflation liegt im September bei 2,4 Prozent
Die Inflation steigt wieder stärker. Das ist ein Ausreißer, der auf
niedrige Rohölpreise im Vorjahr zurückgeht, sagt die Ökonomin Silke Tober.
(DIR) Trumps Niederlage in der Zinspolitik: Sieg gegen Rumpelstilzchen
Die Mini-Zinssenkung zeigt: Trump hat noch nicht die totale Macht, denn der
wollte weiter runter. Das gibt Anlass für Hoffnung.
(DIR) Machtkampf zwischen Präsident und Fed: Trumps Fehde mit der Zentralbank eskaliert
Der US-Präsident feuert mit Lisa Cook eine leitende Managerin der
Zentralbank. Die weist Trumps Kündigung zurück. Jetzt entscheidet wohl die
Justiz.
(DIR) US-Notenbankchef bleibt stur: „Herr zu spät“ trotzt Trump
US-Präsident Trump hält niedrige Zinsen für „Raketentreibstoff“ für die
Wirtschaft. Doch Fed-Boss Powell bleibt hart – und wird dafür von ihm
abermals beschimpft.