# taz.de -- Die Wahrheit: Au wei, Dubai! Es ist vorbei, bye, bye!
> Wahrheit investigativ: Was ist eigentlich los mit der Dubai-Schokolade?
> Tut sich noch irgendetwas beim süßesten Hype der letzten Zeit?
Es ist keine anderthalb Jahre her, doch den meisten von uns erscheint es
wie eine Ewigkeit: Die sogenannte Dubai-Schokolade hielt das Land im
Würgegriff ihrer zuckersüßen Knusprig-, aber auch Cremigkeit. Medien und
Konsumenten hechelten ihr hektisch hinterher, googelten besessen nach
„Knafeh“ und „Tahin“, Händler und Lieferanten gerieten in schiere Panik.
Während Foodblogger und Schleckermäuler nach täglichen Neuigkeiten von der
Angebotsfront jieperten, schoben Produktentwickler und Marketingfuzzis
Sonderschichten. Die Zukunft schien crunchy und ohne Füllung aus
Engelshaar, Pistaziencreme und Sesampaste nicht mehr vorstellbar – selbst
wenn wir uns auf Kosten unserer Kinder bis über alle Ohren verschulden
müssten!
Dass die sauteure Süßigkeit von vorgestern heute noch nicht vollends
vergessen ist, liegt an (und in) den zahlreichen Stiegen, Aktionsregalen
und Grabbeltischen in den Quengelzonen der Supermärkte. Hier werden die
ungegessenen Restbestände seit Längerem großflächig verramscht, zu bizarr
günstigen Schnäppchenpreisen, und büßen dabei sichtlich an Nimbus ein. Zu
etlichen der Nebenprodukte wie Dubai-Eistee, Dubai-Kaugummi und
Dubai-Bratwürstchen müssen die Händler inzwischen richtige Schokolade
gratis dazugeben, damit der Müll überhaupt mit raus vor die Tür genommen
wird. Schlimm!
Schlimmer jedoch hat es viele engagierte Food- und Lifestyle-Blogger
getroffen. Die meisten dieser jungen Menschen hatten sich einen
Riesenreibach vom Einstieg ins internationale Importgeschäft versprochen,
wollten mit den ergatterten Millionen einen gemütlichen Lebensabend im
Influencer-Paradies Dubai finanzieren. Monatelang hatten sie die
Werbetrommel gerührt, rührende Reels gedreht und keine Peinlichkeit
gescheut. Nun sitzen sie auf Lagerhäusern voller Firlefanz mit
Dubai-Geschmack und weinen sich die vorbildlich geschminkten Augen aus –
mit freundlicher Unterstützung von „Dior Beauty“!
Eine von diesen Elenden ist die 22-jährige Theresia Mauritz aus Oldenburg.
Sie hatte sich zu Beginn des Dubai-Booms haargenau ausgerechnet, wann die
erste Million durch Dubai-Lebkuchen, die sie billig in der Türkei
produzieren ließ, einrollen würde – nämlich in der Adventszeit. Leider
blieb der Container wegen einer Zollkontrolle im Hamburger Hafen hängen. Es
gab Unstimmigkeiten mit den Papieren. Die Spedition, die sie für den
Transport engagiert hatte, machte Pleite. Bis eine ähnlich günstige
gefunden war, gab es unzählige weitere Komplikationen. Ergebnis: Im April
2025 sind ihre Dubai-Lebkuchen, für die sie pro 200-g-Packung im Einkauf
noch acht Euro bezahlt hatte, absolut nichts mehr wert. Mauritz ist am
Boden zerstört, sieht keinen Sinn mehr im Weiterleben, erwägt sogar, in die
CDU einzutreten.
## Dubailade
So wie Mauritz sitzen Hunderte anderer Jungunternehmer auf Lagerhallen
voller unverkäuflichem Zeugs mit Dubai-Geschmack, die sich weiter füllen.
Palettenweise kommt Remissionsware aus den Läden zurück, die von
ablaufendem Verfallsdatum und Verderb bedroht ist. Wegen der komplizierten
Zoll- und Steuermodalitäten freilich interessieren sich seit einigen
Monaten auch halbseidene Risikoinvestoren, Finanzjongleure und
Geschäftsleute aus dem CDU-Milieu für die heiße Ware. Hier lauern nämlich
staatliche Bürgschaftszahlungen und halblegale Rückerstattungen in
Millionenhöhe: Kumpels von Jens Spahn also schnell ans Telefon!
Währenddessen sitzt die Erfinderin der Dubai-Schokolade, Sarah Hamoudam,
38, in ihrem Büro im 162. Stockwerk des Burj Khalifa in Dubai und lässt
sich die gut gepuderte Nase vergolden. Während eines intensiven Videocalls
mit Mick Jagger findet sie die Zeit, uns ihr Leid zu klagen: „Viele haben
sich mit schäbigen Kopien meiner Kreation die Taschen voll gemacht. Mir
egal, ich hab meine Milliarden.“
Dass sie eine Zeit lang die halbe Welt verklagt hat, weil sie ihr Marken-
und Namensrecht verletzt sah, verschweigt sie – allein aus Höflichkeit Sir
Mick gegenüber. Sie knackt eine Pistazie und zwinkert: „Für die Einsamkeit,
die ich hier oben im höchsten Gebäude der Welt erdulden muss, kann mich
sowieso kein Geld der Welt entschädigen. Höchstens politische Macht!“
Auch Adalbert Lechner, CEO von Lindt & Sprüngli, ist von Reue ergriffen. In
der Firmenzentrale in Kilchberg am Zürichsee bedauert er, dass der
Schweizer Chocolatier-Gigant den Hype maßgeblich vorangetrieben hat, indem
er das rechtlich unangreifbare Label „Dubai-Style“ durchsetzte: „Wir haben
uns an die finanzstarken Hipster rangewanzt“, gibt er zu.
## Ritter Mord
„Mit albernen Exklusiv-Editionen und lächerlichen Pappaufstellern haben wir
unsere Seriosität beerdigt – für schnöden Mammon!“ Andererseits passe es
eben in die Geschäftsstrategie: „Lindt soll die neue Milka werden, die neue
Ritter Sport. Schon jetzt verarbeiten wir mehr Zucker als Pflanzenfett –
und mehr Pflanzenfett als Kakaobutter!“
Die einzige Organisation, die dem vergangenen Run auf die Dubai-Schokolade
etwas Gutes abgewinnen kann, ist der Verband orientalischer
Pistazienpflanzer. Ein Sprecher bekennt: „Die Pistazie ist zurück im
Bewusstsein der Deutschen und kann gern noch teurer werden.“
Auch Eisdielenbesitzer bestätigen bundesweit: „Pistazie wird 2025 wieder
gern genommen. Wir können sogar einen Premiumaufschlag pro Kugel nehmen,
weil den Leuten der hohe Preis ins Bewusstsein gehämmert worden ist.“
„Und natürlich“, präzisiert Henriette von Kling, 19, exilierte
Modebloggerin aus Hamburg, „hat sich alles gelohnt – alleine für die vom
Boom inspirierte neue Pistazien-Lindor von Lindt, ohne die ich verrückt
würde.“ Hinter ihrer Terrasse stolzieren Kamele durch die hochmoderne
Infrastruktur von Dubai. Die junge Frau blickt uns bedeutungsvoll aus
wunderschönen, aber dennoch natürlichen Augen an und flüstert: „Mal sehen,
wann die Zeit reif ist für ein echtes Dubai-Schokoladen-Revival.“
13 Sep 2025
## AUTOREN
(DIR) Mark-Stefan Tietze
## TAGS
(DIR) Satire
(DIR) Dubai-Schokolade
(DIR) Dubai
(DIR) Schokolade
(DIR) GNS
(DIR) Reden wir darüber
(DIR) Pfandflaschen
(DIR) Lachgas
(DIR) Olaf Scholz
(DIR) Dubai-Schokolade
(DIR) Kolumne Die Wahrheit
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Die Wahrheit: Pfandastischer Ärger
Deutschland immer gereizter und gespaltener: Nach dem Stadtbild wird nun
erbittert ums Leergut und die Automatenblockierer gestritten.
(DIR) Die Wahrheit: Weltflucht in den Kicheranfall
Immer mehr junge Leute verfallen dem Lachgas. Ein Verbot durch die Behörden
steht unmittelbar bevor und ist nicht mehr aufzuhalten.
(DIR) Die Wahrheit: Am Brünnlein vor dem Tore
Was macht eigentlich Olaf Scholz, Kanzler a. D.? Der wahre Hausbesuch in
Potsdam.
(DIR) Die Wahrheit: Dubai sein ist alles
Eine lange Reise ans Ende der tausendundeinen Nacht – auf der Suche nach
der geheimnisvollen Stadt, die ganz aus Schokolade ist wie Thomas
Gottschalk.
(DIR) Die Wahrheit: Ich will die Socken
Reisende Weihnachtsmarktprofis haben nur einen Gedanken: In welche
glühweindampfende Festgegend verschlägt es sie im nächsten Jahr?