# taz.de -- Die Wahrheit: Dubai sein ist alles
       
       > Eine lange Reise ans Ende der tausendundeinen Nacht – auf der Suche nach
       > der geheimnisvollen Stadt, die ganz aus Schokolade ist wie Thomas
       > Gottschalk.
       
       Eine Reise, die ist lustig, eine Reise, die ist anstrengend. Vor allem in
       dieser heutigen Zeit, die bald ohnehin zu Ende geht. Früher, da war das
       Reisen besser, da klingelte morgens der Wecker, man sprang unter die
       Dusche, griff sich den Rollkoffer, vor der Haustür wartete ein Taxi und am
       Check-in konnte man durchrauschen, weil man vorher irgendwas mit Comfort
       angeklickt hat. Nur Augenblicke später, von den sanften Berührungen des
       Sicherheitspersonals elektrisch aufgeladen, saß man im Flugzeug und –
       bumms! – ging die Luzie ab. Zwischenlandung in der umkämpften Türkei, dann
       Dubai.
       
       Aber was wollte man noch mal hier? Frischluft tanken? Eine Prise Sand
       einatmen? Nein, richtig, es gab ja einen echten Sinn dieser Reise: Man
       wollte sehen, schmecken, riechen und spüren, ob Dubai, die sagenumwobene
       Stadt, die schon in der großen Erzählung von der tausendjährigen Nacht
       Erwähnung fand, wirklich aus Schokolade ist.
       
       Denn schließlich ist die Dubai-Schokolade seit Wochen, nein, Monaten in
       aller Munde. Sogar so sprichwörtlich, dass man niemanden mehr versteht,
       weil alle verklebte Mäuler haben und ständig an diesem Jungfrauengras –
       oder wie das heißt – zuzeln! Überall wird sie auf den Markt geworfen, die
       Preise sind abenteuerlich, die Ingredienzen auch!
       
       Wir wollten wissen: Ist Dubai wirklich aus Schokolade? Ist das möglich,
       dass da unten irgendwo am Persischen Golf eine Stadt steht, die rein aus
       Schokolade besteht? Und wenn man sich da durchkämpft, im Schokorausch durch
       die Metropole isst, gelangt man dann auf die berühmte „andere Seite“, wie
       sie schon von den Doors hymnisch besungen wurde? Kurzum: Ist himmlische
       Erfüllung, ist das Paradies dört, wo die Schoki aufhört?
       
       ## Langsam wie Sau
       
       Also, es ging voran: Check-in am schnellsten Bahnhof der Stadt, bevor es
       mit der S-Bahn langsam wie Sau zum Berliner Großflughafen geht, immerhin
       der einzige, der dieser heruntergekommenen Hauptstadt noch geblieben ist.
       Mit dubai: Thomas Gottschalk, einer der lautesten Kritiker der Schokolade,
       er findet sie, und wir zitieren fast wörtlich, „ziemlich bitter“, und er
       verstehe den ganzen Hype „mit diesem Pistazienzeug“ nicht. Ansonsten wirkt
       der abgehalfterte Moderator mit dem Kräuselkopp recht aufgeräumt, da „unten
       in der Gegend“ (haha, einer seiner Scherze) ist ja auch sonst viel los,
       Schoki hin oder her. Kamelrennen, Falkenzucht, Formel 1, you name it.
       
       Während unser Class-Spitzenflug mit Air Conditioning, der neuen
       Luftfahrtgesellschaft, die viel Wert auf umweltbewusstes Fliegen legt und
       von daher überdimensionierte Segelflugzeuge auf allen Linien einsetzt, die
       nur in höchster Not auf Kerosin umschalten, also ab einer Höhe von 100
       Metern oder 300 Fuß, sanft über die Wolken über dem Brandenburgischen
       Flachland gleitet, gehen wir noch mal die Anfragen in den sozialen Medien
       durch.
       
       „Was ist los mit Dubai-Schokolade?“ und „Warum lieben die Leute Schokolade
       aus Dubai?“ sind da die wichtigsten Fragen, gefolgt von „Wo steht der
       Tobler One?“ und „Wie hoch ist der Tobler One?“ und „Was hat es mit dem
       Butterberg auf sich?“
       
       Also, was ist los mit Dubai-Schokolade? Die Süßspeise ist seit einiger Zeit
       der Hit auf Social Media. Millionenfach werden Videos zu den mit
       Pistazien-Kadayif gefüllten Tafeln auf Tiktok und Instagram aufgerufen –
       obwohl man von Videos nicht satt wird. Die gehypte Schokoladenkreation
       stammt von Sarah Hamouda, Inhaberin von Fix Dessert Chocolatier in Dubai
       (daher der Name), kurz Fixt Aich.
       
       Auf die anderen Fragen hoffen wir vor Ort Antworten zu finden. Falls wir
       vor lauter Naschen überhaupt dazu kommen.
       
       Doch ehrlich gesagt, tief in uns fliegen Zweifel mit über die Alpen, dann
       den Balkan und dann das Meer da irgendwo bei Istanbul. Würden wir
       abgeschossen werden? Stimmt gar nicht, so weit gingen unsere Überlegungen
       nicht. Wir blieben bei der Schokolade: Wie sollte das möglich sein, eine
       Stadt aus Schokolade, bei der Hitze? Die Durchschnittstemperaturen in Dubai
       liegen auch im Winter bei etwa 25 Grad. Schokolade schmilzt aber schon bei
       40 Grad. Und die erreicht man im Sommer in Dubai locker. Würden wir eine
       geschmolzene Stadt vorfinden? Eine, auf der man ausrutscht und die aussieht
       wie Scheiße?
       
       ## Verstrickt mit Haaren
       
       Dann die Riesenüberraschung aus dem siebten Ei: In Dubai ist wirklich alles
       aus Dubai-Schokolade. Unser Segelflugzeug gerät bei der Landung in
       Turbulenzen, weil sich die Reifen in Engelshaaren verstricken, die zum
       Glück reißen. Wir sehen den Tobler One in weiter Ferne über der Stadt ragen
       und fahren mit einem Vollmilchtaxi Nuss in die Stadtmitte, wo wir mit Sarah
       Hamouda auf eine Tasse heiße Schokolade verabredet sind.
       
       „Dubai sein ist alles“, begrüßen uns großformatige Plakate am Stadteingang,
       natürlich aus purer Schokolade – die Schrift mit hohem Milchanteil. Die
       wenigen Gehsteige, die es hier gibt – niemand geht zu Schoko-Fuß – sind der
       Milka Haselnuss nachempfunden, um sie von den tafelflachen Straßen zu
       unterscheiden. Wir gehen durch eine Klimatür ins kühlfachkalte Café Lindt,
       wo uns eine ganz in braun gekleidete Hamouda orientalisch lächelnd begrüßt.
       
       „Im Moment geht es, aber bei großer Hitze müssen wir natürlich alles
       runterkühlen“, klärt sie auf. Daher schmilzt die Stadt nicht! Moderne
       Technik! „Aber es gibt durchaus Probleme. Fremdarbeiter aus Katar, sag ich
       nur.“ – „Warum, was ist mit denen? Kommt jetzt eine rassistische
       Erklärung?“, ist Thomas Gottschalk bürgerlich besorgt. „Wir werden
       angenagt. Der Stadtrand weist Bissspuren auf. Und in der Wüste liegen
       Elemente und verdauen“, so drückt sich die Chocolatierin von Fixt Aich
       äußerst gewählt aus.
       
       Wir kippen unseren Kakao auf Ex und bestellen gleich das nächste Taxi. Das
       wollen wir sehen. Auf an den Stadtrand! Oder lieber erst mal ins Hotel.
       Sarah Hamouda begleitet mich, Thomas Gottschalk hat sich auf dem Weg zum
       Vollmilchtaxi in seinen eigenen Engelshaaren verfangen. Wir verabreden uns
       für später.
       
       Dann wieder eine zuckersüße Taxifahrt, mit der sich unsere Spur verliert.
       Wie es uns inzwischen so ergeht, in dieser Stadt aus Schokolade? Nur so
       viel: Wir beißen uns durch.
       
       28 Dec 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) René Hamann
       
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