# taz.de -- Berliner Stadtautobahn A100: Doch lieber für Fahrräder öffnen?
> Nach ein paar Tagen im Betrieb sehen sich die KritikerInnen der
> A100-Verlängerung schon bestätigt. Chaos herrscht bisher aber nur
> punktuell.
(IMG) Bild: So sah’s am letzten Freitag aus: Stau auf der A100 zwischen Sonnenallee und Treptower Park
Berlin taz | Montagmittag, A100, 16. Bauabschnitt, im Selbsttest. [1][Die
in der vergangenen Woche eröffnete Teilstrecke] ist noch so unberührt, dass
sie beim Befahren fast wie eine Computersimulation wirkt. Und die
Verkehrssituation dürfte exakt den schönsten Träumen der AutobahnbauerInnen
entsprechen: Alles rollt, bei der Ausfahrt an der Anschlussstelle Treptower
Park müssen die Autofahrenden noch nicht mal eine zweite Grünphase der
Ampel abwarten.
Nun das große Aber: So viel freie Fahrt gibt es nur außerhalb der Rushhour,
und ab kommender Woche werden die Karten mit dem Ende der Schulferien
ohnehin wieder neu gemischt. Auch in den vergangenen Tagen blieb bei Weitem
nicht alles so entspannt wie auf der Testfahrt: Am Freitag etwa stauten
sich die Fahrzeuge so weit auf die Autobahn zurück, dass die Strecke
zeitweise gesperrt werden musste – denn sie führt durch einen Tunnel, und
in Tunneln dürfen Autos nach Möglichkeit nicht stehen.
Für viele kritische BeobachterInnen haben sich damit alle Befürchtungen
eines ohne Not geschaffenen Verkehrschaos bewahrheitet. „Dass der neue
Abschnitt schon am zweiten Tag wegen Überlastung gesperrt werden musste,
ist der deutlichste Beweis dafür, wie berechtigt unsere Warnungen waren“,
sagt Claudia Leistner, grüne Verkehrsstadträtin von Treptow-Köpenick, der
taz.
## Verschärftes Nadelöhr
Das Nadelöhr an der noch nicht fertiggestellten Elsenbrücke habe sich
verschärft, so Leistner. Schon jetzt erreichten sie Beschwerden von
BürgerInnen. Besonders betroffen seien die Fahrgäste der BVG-Busse auf der
Elsenstraße: Dort komme es offenbar zu Verspätungen von bis zu 30 Minuten,
und Busse wichen notgedrungen auf Radstreifen aus. Leistner: „Eine
Situation, in der am Ende alle verlieren.“
Die ebenfalls grüne Verkehrsstadträtin von Friedrichshain-Kreuzberg, Annika
Gerold, schlägt in dieselbe Kerbe und erinnert daran, dass ihr Bezirk immer
gefordert habe, mit der Eröffnung mindestens bis zur Teilinbetriebnahme der
neuen Elsenbrücke Anfang 2026 zu warten. „Der Senat hat uns leider
abblitzen lassen und unsere Einwände ignoriert“, so Gerold. Wie Leistner
fordert auch sie von der Landesregierung, eine vorläufige Sperrung des 16.
Bauabschnitts „ernsthaft zu prüfen, um weitere Verkehrsbeeinträchtigungen
und Schäden abzuwehren und die Menschen vor Ort vor Verkehrschaos,
Immissionen und Lärm zu schützen“.
Verkehrsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) sieht
das genauso, und er hat sogar eine überraschende Idee für die
Übergangszeit: „Warum öffnen wir die Autobahn solange nicht für den Fuß-
und Fahrradverkehr?“, fragt er sich und den Senat. „Das hätte etwas
Spektakuläres und wäre ein tolles Signal für die ganze Welt.“
Knie sagt, die Probleme seien absehbar gewesen und würden sich nach Ende
der Urlaubszeit noch zuspitzen: „Wir Menschen sind opportunistische Wesen,
und natürlich haben wir hier eine Einladung zu mehr Verkehr.“ Die neue
Autobahnverbindung erzeuge „neue Verkehre, die vorher nicht da waren“,
anstatt – wie vom Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) beteuert – die
Kieze zu entlasten.
Der Wissenschaftler vermutet, dass die bundeseigene Autobahn GmbH als
Bauherrin und Betreiberin der A100 die Eröffnung zum jetzigen Zeitpunkt mit
all den erwartbaren Problemen „sehr bewusst“ gewählt habe: „Damit haben sie
ihre Begründung für den 17. Bauabschnitt nach Friedrichshain.“ [2][Der ist
bekanntlich schon Teil des Bundesverkehrswegeplans], der Gesetzescharakter
hat, aber ohne klare Unterstützung durch das Land schwerlich umzusetzen
sein wird. Aktuell ist in Berlin nur die CDU dafür, das horrend teure
nächste Teilstück zu bauen, die SPD sperrt sich dagegen – was sich auch
wieder ändern kann.
Auf taz-Anfrage will sich die Senatsverkehrsverwaltung gar nicht zum Thema
äußern und verweist auf die Autobahn GmbH. Deren Sprecher für die Region
Nordost, Ralph Brodel, kann die aktuelle Aufregung nicht ganz
nachvollziehen. „Wir hatten bei der Informationsveranstaltung im April
zusammen mit der Senatsverwaltung klar darauf hingewiesen, dass es
natürlich zu Behinderungen kommen wird, bis die Elsenbrücke fertig ist.“
Man analysiere jetzt ständig die Lage und steuere bei der Programmierung
der Lichtsignalanlagen nach.
Im Übrigen, so Brodel, gebe es zu Spitzenzeiten auf allen Berliner
Autobahnen immer wieder Staus. Das könne auch – wie am vergangenen Freitag
auf der A100 in Neukölln – an einem Unfallfahrzeug liegen, das den
Verkehrsfluss stoppe. Bei der Beurteilung der aktuellen Lage rät Brodel im
Telefonat mit der taz zur Mäßigung: „Der ganze Abschnitt war jetzt 113
Stunden in Betrieb, und davon gab es 1,5 Stunden Stauerscheinungen.“
## Ruhe im Kungerkiez
Es bleibt spannend, wie das Verkehrsexperiment A100 ausgeht. Der Treptower
Kungerkiez, gleich um die Ecke der neuen Anschlussstelle, wirkt zumindest
am Montagmittag eher ruhig – das Staugeschehen in Richtung Elsenbrücke
fängt erst ein paar hundert Meter weiter an.
Dem Apotheker an der Elsenstraße, der das Verkehrsgeschehen immer gut im
Blick hat, ist bislang keine Veränderung aufgefallen. Und er sieht das
ganze eher von der positiven Seite: „Die ganzen Leute, die bislang von oder
nach Neukölln unterwegs waren, sind ja vorher durch unseren Kiez gefahren.
Da dürfte die Autobahn eher für Entlastung sorgen.“
1 Sep 2025
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