# taz.de -- Austritt aus der UN-Kulturorganisation: Dem internationalen Konzept droht das gänzliche Scheitern
       
       > Die USA verlassen zum dritten Mal die Unesco. Doch es ist nur ein Symptom
       > der Zahnlosigkeit der Vereinten Nationen.
       
 (IMG) Bild: Eine weitere UN- Institution, die um ihre Reputation kämpfen müsste: der Sicherheitsrat in New York
       
       Es war nur eine kleine Meldung. Und sie ging im Gewirr der umfassenden
       täglichen Schrecklichkeiten unter. Und dennoch ist sie symptomatisch:
       [1][Die USA kündigten ihren Austritt aus der Unesco] an. Sie verlassen die
       UN-Kulturorganisation nunmehr schon zum dritten Mal – und zum zweiten Mal
       unter Donald Trump.
       
       Erhellend dabei ist die diesmalige Begründung: Die Unesco verfolge eine
       globalistische, ideologische Agenda. Deshalb sei eine US-Mitgliedschaft
       nicht im nationalen Interesse der USA. Dieses Argument ist punktgenau.
       
       Es ist die Ablehnung des zentralen Moments aller UN-Institutionen – des
       gemeinsamen internationalen Interesses. Und Trump ist damit nicht alleine:
       Die israelische Regierung steht ihm dabei treu zur Seite. Nicht nur hat
       Israel mit den USA den UN-Menschenrechtsrat verlassen. Israel – das seine
       Gründung der Empfehlung einer UN-Sonderkommission verdankt – hat schon
       lange ein schwer belastetes Verhältnis zu den Vereinten Nationen.
       
       So wurde UNO-Generalsekretär Guterres zur unerwünschten Person erklärt. Das
       UN-Hilfswerk UNRWA steht unter Verdacht und wurde verboten. Kritik von der
       UNO wird von Israel generell als parteiisch, tendenziös, voreingenommen,
       feindselig betrachtet. Das Völkerrecht aber, das Kriege zivilisieren soll,
       wird gezielt ausgehöhlt – wie derzeit mit einer willkürlichen Hungersnot in
       Gaza.
       
       ## Die Sicherung des Weltfriedens wird untergraben
       
       Die heutigen Autokraten eint eines: Sie tragen gemeinsam – jeder auf seine
       Art – dazu bei, das Konzept der internationalen Organisationen, die
       Sicherung des Weltfriedens, zu untergraben. Dieses Konzept wird nicht nur
       infrage gestellt. Es ist nicht nur wirkungslos wie nie. Es droht vielmehr
       tatsächlich dessen Niedergang. Es droht gänzlich zu scheitern.
       
       Man kann sich derzeit kaum mehr vorstellen, welche Hoffnungen nach dem
       Zweiten Weltkrieg mit der Vorstellung eines weltweiten Staatenbundes
       verbunden waren. Grundlage für einen solchen war Kants Begriff des „ewigen
       Friedens“. Dieses Konzept beeinflusste ganz wesentlich die Charta der
       Vereinten Nationen, also deren Verfassung. Was [2][Kant im Blick hatte],
       war ein „den Krieg abwehrender Bund“.
       
       Dieser sollte keine Weltregierung sein, aber ein „globaler Rechtszustand,
       der die Völker vereinigt und den Krieg abschafft“, wie [3][Jürgen Habermas]
       schreibt. Diese Idee habe in den Institutionen der Vereinten Nationen
       Gestalt gewonnen. Beide Momente sind hier relevant: Frieden als ein zu
       stiftender Rechtszustand – gegen die gesetzlosen Verhältnisse der Willkür.
       Und ein Staatenbund, der auf Dauer gestellt wird, eine permanente
       Einrichtung.
       
       Ein zentrales Problem von Kants Konzept ist noch heute das Problem der
       [4][UNO]: Eine solche Allianz bedarf einer moralischen Bindung der Staaten.
       Diese müssen sich zur Gemeinsamkeit verpflichtet fühlen. Es dies eine
       moralische, keine rechtliche Verpflichtung. Dies gilt auch für den
       Internationalen Gerichtshof in Den Haag: Er hat nur eine symbolische
       Bedeutung.
       
       ## Dem Staatenbund fehlen die Sanktionsinstrumente
       
       Ohne Machtbasis verfügt der Staatenbund über keine Sanktionsinstrumente.
       Seine einzige „Waffe“ ist der Appell an die Weltmeinung: öffentlicher Druck
       durch Berichte zu Menschenrechtsverletzungen, durch Beschwerden. Sowie die
       Kodifizierung von Begriffen – etwa „Genozid“.
       
       Diese beiden Momente – die Selbstverpflichtung und die rein symbolische
       Wirksamkeit – waren immer schon heikel. Anders gesagt: Es ist nicht das
       erste Mal, dass die UNO-Charta missachtet wird. Korea, Vietnam,
       Afghanistan, Irak – so viele Verstöße.
       
       Und dennoch ist die Situation heute anders. Denn heute schwindet nicht nur
       die realpolitische Bedeutung der UNO. Heute erodiert auch das Konzept, das
       Ideal, die Idee einer solchen globalen Friedensordnung.
       
       Die Vereinten Nationen erweisen sich nicht nur als zahnlos. Wie so oft. All
       die autoritären Machtfantasien und Realitäten höhlen auch das Einzige aus,
       was sie noch haben: ihre moralische Wirksamkeit. Anders gesagt: Derzeit
       wird auch noch die symbolische Autorität einer solchen Staatengemeinschaft
       untergraben. Und damit die Vorstellung, die Möglichkeit, der Horizont, ja
       selbst die Utopie eines „ewigen Friedens“.
       
       Die Autorin ist Publizistin in Wien.
       
       26 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /UN-Kulturorganisation/!6102448
 (DIR) [2] /300-Geburtstag-Immanuel-Kants/!6003132
 (DIR) [3] /Juergen-Habermas/!t5031651
 (DIR) [4] /Uno/!t5008473
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Isolde Charim
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Knapp überm Boulevard
 (DIR) Kulturkolumnen
 (DIR) Vereinte Nationen
 (DIR) Unesco
 (DIR) Kulturkampf
 (DIR) Donald Trump
 (DIR) USA
 (DIR) Sicherheitspolitik
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) Knapp überm Boulevard
 (DIR) Donald Trump
 (DIR) Kulturkampf
 (DIR) Schwerpunkt USA unter Trump
 (DIR) Kulturkolumnen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Veränderter Führungsstil in der Politik: Jede Zeit braucht ihre Heldenfiguren
       
       Früher bewunderte man Regierungschefs als Vaterfiguren, heute herrschen
       Meister der Obszönität vor. Gefragt sind aber Helden des Pragmatischen.
       
 (DIR) Die Bibel im Instrumentenkasten: Kurzschluss von Profit und Religion
       
       Lob und Lobpreisung, Erfolg mit Religion verbrämt: Auch das sucht Donald
       Trump und fand es in der Knesset.
       
 (DIR) Kultur und Kampf: Wenn der Kare deine Sandburg kaputtmacht
       
       Das kann der Kare, weil er stärker ist und einen reichen Papa hat. Das ist
       Kulturkampf. Den man aber nur so nennt, wenn man damit Politik machen will.
       
 (DIR) Museen in den USA unter Druck: Ein neuer Kontinent für Gottes Reich
       
       Was steckt hinter Trumps Vorstoß, US-Museen von einem unabhängigen Denken
       zu säubern? Vielleicht mehr als nur sein MAGA-faschistisches
       Geschichtsbild.
       
 (DIR) Reportage über coole Rechte: Eingeweihte unter sich
       
       Die Reportage im „Zeit-Magazin“ liest sich, als habe Gramsci das Drehbuch
       geschrieben. Die Rechte strebt nach Hegemonie durch ehemals linke
       Praktiken.