# taz.de -- Rohstoffgewinnung in Ecuador: Das Öl soll im Boden bleiben
       
       > Die Volksabstimmung, mit der die Ecuadorianer*innen für ein Ende der
       > Förderung im Nationalpark Yasuní stimmte, wurde nicht umgesetzt. Indigene
       > kämpfen weiter.
       
 (IMG) Bild: Vertreter*innen der Waorani aus verschiedenen Teilen des Amazonasgebiets protestieren in Quito
       
       QUITO taz | Mehr als die Hälfte der ecuadorianischen Bevölkerung stimmte im
       August 2023 für ein [1][historisches Referendum]: Die Ausbeutung von Erdöl
       im Nationalpark Yasuní sollte gestoppt, das Öl des Förderblocks 43
       dauerhaft im Boden belassen werden. Ein bedeutender Sieg für den Umwelt-
       und Indigenenschutz in einem der artenreichsten Gebiete der Welt. Zumindest
       auf dem Papier. Zwei Jahre später ist die Realität eine andere: Die
       Umsetzung des Volksentscheids lässt weiter auf sich warten.
       
       Für die Waorani, ein indigenes Volk des Amazonasgebiets, war das
       Abstimmungsergebnis ein emotionaler Moment. „Es war ein Moment des Stolzes,
       wir haben geweint. Ganz Ecuador hat sich unserer Sache angeschlossen –
       einem Kampf, den wir seit Langem führen“, sagt Dayuma Nango,
       Vizepräsidentin der Vereinigung der Waorani-Frauen des ecuadorianischen
       Amazonasgebiets (AMWAE). Monatelang reisten sie durch Dörfer und Städte,
       berichtet Nango. Sie klärten über die Folgen der Erdölförderung auf und
       machten deutlich, wie stark ihr Territorium unter der Verschmutzung leidet.
       
       Zwei Jahre sind seitdem nun vergangen. Doch von den 247 Bohrlöchern im
       Block 43 wurden bislang gerade einmal zehn stillgelegt. Dabei sah der
       offizielle Zeitplan vor, dass bis 2025 mindestens 48 Förderstellen
       geschlossen sein sollten.
       
       Am 20. August 2025, zum Jahrestag des Volksentscheids, reisten
       [2][Vertreter*innen der Waorani aus verschiedenen Teilen des
       Amazonasgebiets nach Quito], um vor dem Verfassungsgericht, dem höchsten
       Gericht des Landes, die Einhaltung des demokratischen Mandats einzufordern.
       „Wir sind nicht hier, um um einen Gefallen zu bitten – wir fordern, dass
       unser Recht respektiert wird“, erklärte Ene Nenquimo, Vizepräsidentin der
       Waorani, während des Protestmarsches.
       
       ## Im Griff eines extraktivistischen Wirtschaftsmodells
       
       Die Entscheidung von 59 Prozent der Ecuadorianer*innen, die Ölförderung im
       Yasuní zu stoppen, war ein deutliches Signal – doch das Land bleibt weiter
       fest im Griff eines extraktivistischen Wirtschaftsmodells, das seit den
       1970er-Jahren besteht, als der erste Barrel Öl gefördert wurde. Heute ist
       Erdöl die wichtigste Einnahmequelle des Andenstaats. 2024 spülte es rund
       8,6 Milliarden US-Dollar in die Staatskassen. Diese wirtschaftliche
       Abhängigkeit führt dazu, dass jede Schwankung auf dem internationalen
       Ölmarkt unmittelbare Auswirkungen auf die Staatsfinanzen und die
       Bereitstellung grundlegender öffentlicher Dienstleistungen hat.
       
       Der zivilgesellschaftliche Kampf um den Schutz Yasunís hat eine längere
       Vorgeschichte. Als Antwort auf die Forderung von Umweltgruppen, das Öl im
       Nationalpark unter der Erde zu lassen, um die Biodiversität zu schützen,
       startete der damalige Präsident Rafael Correa 2007 die
       Yasuní-ITT-Initiative. Ziel war es, 3,6 Milliarden US-Dollar aus
       internationaler Kooperation zu mobilisieren, um das Öl unter dem
       Nationalpark im Boden zu belassen. Länder wie Deutschland, Belgien und
       Italien unterstützten das Vorhaben. Dennoch kamen am Ende nur 13,3
       Millionen zusammen – das sind weniger als 0,5 Prozent des gewünschten
       Betrages.
       
       2013 erklärte Rafael Correa das Projekt für gescheitert. „Die Welt hat uns
       im Stich gelassen“, sagte er. Doch Umweltrechtler und Fachleute sehen als
       Grund für den Misserfolg auch eine widersprüchliche Politik der Regierung:
       Während sie einerseits mit Yasuní ITT den Schutz der Umwelt propagierte,
       trieb sie die Erdölförderung im Block 31, ebenso ein geschütztes Gebiet im
       Yasuní Nationalpark, weiter voran.
       
       Die Zivilgesellschaft reagierte schnell: Junge Menschen,
       Umweltaktivist:innen und Bürger:innen gingen auf die Straße, und
       es entstand das [3][Umweltkollektiv Yasunidos], das gemeinsam mit anderen
       zivilgesellschaftlichen Gruppen vor dem Verfassungsgericht eine
       Volksabstimmung beantragte – die Bevölkerung sollte über das Schicksal des
       Yasuní entscheiden dürfen. Bis April 2014 sammelten Tausende
       Aktivist*innen landesweit Unterschriften für das erste bürgerinitiierte
       Referendum in der Geschichte Ecuadors. Mehr als eine 750.000 Unterschriften
       kamen zusammen – fast 200.00 mehr als die erforderliche Zahl.
       
       ## Über 400.000 Unterschriften ungültig
       
       Doch in einem umstrittenen Prüfverfahren erklärte der Nationale Wahlrat
       über 400.000 Unterschriften für ungültig – wegen formaler Mängel wie der
       Farbe des Stifts oder dem Papiergewicht. „Das war ein Moment großer
       Enttäuschung, der mein Leben verändert hat“, sagt Pedro Bermeo, damals 18
       Jahre alt und heute juristischer Koordinator von Yasunidos. „Mir wurde
       klar: Der Staat betrügt uns.“ Die geplante Volksbefragung scheiterte – und
       2016 begann schließlich die Ölförderung im Block 43.
       
       Erst unter der neuen Regierung gab es eine Wende: Die Wahlbehörde
       bestätigte 2018, dass die Überprüfung der Unterschriften 2014 manipuliert
       worden war. Doch es sollte weitere fünf Jahre dauern, bis das
       Verfassungsgericht 2023 schließlich die erneute Durchführung der
       Volksbefragung anordnete – mit dem klaren Ergebnis: Das Öl soll im Boden
       bleiben. Diese demokratisch errungene Entscheidung droht nun allerdings zu
       versanden. Das Problem sei dabei der Staat, sagt Benito Bonilla,
       Umweltexperte von Yasunidos: „Es fehlt der Wille, ernsthaft alternative
       Wege zur Generierung von Einnahmen zu verfolgen.“
       
       Eigentlich hätte die Erdölförderung im Yasuní spätestens Ende August 2024
       eingestellt werden müssen. Doch passiert ist nichts. Der aktuelle Präsident
       Daniel Noboa sprach sich offen dafür aus, die Schließung von Block 43 zu
       verschieben – wegen der angespannten wirtschaftlichen Lage und der
       zunehmenden Konflikte mit Drogenbanden, was zusätzliche Einnahmen
       erforderlich mache. Kurz darauf präsentierte der sogenannte Ausschuss zur
       Umsetzung des Volkswillens Yasuní-ITT einen neuen Fahrplan: Demnach soll
       die Förderung nun erst 2029 enden und der vollständige Rückbau der
       Infrastruktur inklusive Umweltsanierung sogar erst bis 2039 erfolgen.
       
       ## Indigene bei der Umsetzung ausgeschlossen
       
       Für Carlos Larrea, Koordinator für Umwelt und Nachhaltigkeit an der
       Universidad Andina, ist klar: „Die Regierung hat keine Absicht, einen
       geordneten Rückzug umzusetzen. Das Ziel ist es, die Förderung so lange wie
       möglich fortzusetzen und die Produktion zu steigern.“ Jahr für Jahr werde
       die Stilllegung hinausgezögert. Im Januar kündigte Noboa an, die tägliche
       Fördermenge 2025 im Vergleich zu 2024 um mehr als 100.000 Barrel auf
       580.088 Barrel zu erhöhen.
       
       All das, während die indigene Bevölkerung aus dem entscheidenden
       Umsetzungskomitee ausgeschlossen wurde. Besetzt ist es ausschließlich mit
       fünf staatlichen Institutionen: der staatlichen Ölfirma Petroecuador, dem
       Energieministerium, dem Wirtschaftsministerium sowie den Ministerien für
       Frauen und Menschenrechte – letztere wurden Ende Juli durch Präsident Noboa
       aufgelöst. Für Expert*innen wie Umweltforscher Larrea zeigt dieser
       Ausschluss ein strukturelles Problem auf: „Es gibt keinen unabhängigen
       Mechanismus zur Kontrolle des Prozesses. Wir müssen blind auf das Wort von
       Petroecuador vertrauen.“
       
       Währenddessen fordern die betroffenen indigenen Gemeinschaften in der
       Region eine einzige, grundlegende Sache: das Recht, in Würde und Sicherheit
       auf ihrem angestammten Land zu leben – ihrem Zuhause.
       
       Ana Cristina Basantes ist eine Journalistin aus Ecuador und berichtet für
       Medien wie El País. 
       
       Übersetzt aus dem Spanischen von Tabea Kirchner
       
       13 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Referendum-in-Ecuador/!5950789
 (DIR) [2] https://amerika21.de/2025/08/276675/ecuador-yasuni-oelfoerderung
 (DIR) [3] https://www.yasunidos.org/
       
       ## AUTOREN
       
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