# taz.de -- Brandstiftung im Wendland im August 1975: Wer war's?
       
       > Vor 50 Jahren verbrannte ein riesiges Waldstück bei Gorleben. Das Feuer
       > wurde gelegt. Einige Umweltschützer verdächtigen bis heute die
       > Atomindustrie.
       
 (IMG) Bild: August 1975: Anwohner*innen flüchten vor der Feuerwalze in Queloh im Landkreis Celle
       
       Göttingen taz | Im August 1975 – vor 50 Jahren – wütete ein riesiger
       Waldbrand zwischen den niedersächsischen Orten Gorleben und Trebel. Dieses
       Großfeuer war eines der bis dahin größten Brandserie in der Bundesrepublik,
       bei der im August 1975 sieben Menschen ums Leben kamen.
       
       Umweltschützer verdächtigen die Atomindustrie, den Brand gelegt zu haben,
       denn die 16 Quadratkilometer große Brachfläche, die das Feuer hinterließ,
       kam dieser nicht ungelegen. Nur zwei Jahre später beschloss die damalige
       Landesregierung von Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU), auf zwölf
       Quadratkilometern ein gigantisches Nukleares Entsorgungszentrum (NEZ) zu
       errichteten: mit Wiederaufarbeitungsanlage, Brennelementefabrik sowie ober-
       und unterirdischen Lagern für den Atommüll.
       
       Das Feuer bei Gorleben war nur eines in einer Serie von verheerenden
       Bränden, die damals in Niedersachsen wüteten. Am 8. August 1975 geriet ein
       Flächenbrand nahe der Ortschaft Stüde in der südlichen Lüneburger Heide
       außer Kontrolle. Das Feuer breitete sich schnell weiter aus und übersprang
       den Elbe-Seiten-Kanal. In den Folgetagen brachen weitere Brände in der
       Südheide aus – unter anderem nahe Lutterloh und Unterlüß, die zu jener Zeit
       als favorisierte Standorte für das NEZ galten.
       
       Am 12. August 1975 um 11.55 Uhr brach auch in der Nähe von Gorleben ein
       Großfeuer aus. Vom ehemaligen „Trafohäuschen“ aus, später ein Treffpunkt
       für viele Aktionen von Anti-Atom-Aktivist:innen, fraßen sich die Flammen
       vorwärts. Wegen starken Windes und des Mangels an Tanklöschfahrzeugen
       konnte der Brand nicht unter Kontrolle gebracht werden. Mehrere Ortschaften
       wurden evakuiert, sie blieben vom Feuer aber verschont.
       
       Bis zum Abend waren rund 2.000 Hektar Wald- und Ackerfläche vernichtet.
       Insgesamt verbrannten in der Heide und im Wendland damals etwa 8.000 Hektar
       Wald.
       
       Zumindest für den Brand bei Gorleben konnte Brandstiftung als Ursache
       festgestellt werden. Die Polizei suchte vergeblich nach dem mutmaßlichen
       Brandstifter – einem Mann, der am 12. August auf der Straße zwischen
       Gorleben und Gedelitz mit einem orangefarbenen Mofa unterwegs war.
       
       Als Gorleben dann 1977 als Atomstandort benannt wurde, keimte bei
       Atomkraftgegner:innen der Verdacht auf, dass die Atomindustrie hinter
       dem Feuer steckte. Ein Beweis dafür konnte indes nicht erbracht werden.
       Doch für die Baupläne in Gorleben war es äußerst günstig, dass die
       fraglichen Waldflächen verbrannt waren. So konnten die Waldeigentümer
       leichter zum Verkauf ihrer Grundstücke bewegt werden.
       
       ## Vier Mark pro Quadratmeter
       
       „Den Waldbesitzern wurden seinerzeit vier Mark pro Quadratmeter
       angeboten“, weiß [1][Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative (BI)
       Umweltschutz Lüchow-Dannenberg], „mit der Androhung, wer nicht verkaufe,
       würde ohnehin enteignet – für 50 Pfennige pro Quadratmeter.“
       
       Das inspirierte den Liedermacher Walter Moßmann 1978 zu seinem Lied vom
       Lebensvogel: „Ein Giftmüll soll versteckt werden im Salz der Erde unter dem
       Land, und für die Giftfabrik braucht es ein leeres Land am Rand. Die Mafia
       hat gebetet für ein’ Boden ohne Wert, der liebe Gott hat das Gebet der
       Mafia erhört, sein Feuer hat paar Wälder hinter Gorleben zerstört. Mein
       Gott, kam der gelegen, dieser Brand …“
       
       Den immer wieder geäußerten Vermutungen, dass der Brand im Wendland
       vorsätzlich gelegt wurde, um dort das gigantische „Nukleare
       Entsorgungszentrum“ zu errichten, schließt sich die BI allerdings nicht an.
       
       ## Zwischenlager auf verbrannter Waldfläche
       
       Ehmke verweist darauf, dass Gorleben und der Landkreis Lüchow-Dannenberg
       erst Ende 1976 von der Landesregierung in die [2][Liste möglicher
       Standorte] für das NEZ aufgenommen – und Gorleben am 22. Februar 1977 als
       vorrangiger Standort benannt wurde. Wohl aber, da ist sich Ehmke fast
       sicher, habe der Brand die Entscheidung pro Gorleben mit beeinflusst.
       
       Das Nukleare Entsorgungszentrum im Wendland konnte in der zunächst
       geplanten Größe bekanntlich nie verwirklicht werden. Der Bau einer
       Wiederaufarbeitungsanlage scheiterte früh am [3][Widerstand der
       Bevölkerung], der Gorlebener Salzstock flog 2020 wegen mangelnder Eignung
       aus dem neu aufgerollten Suchverfahren für ein atomares Endlager.
       
       Auf den damals von der Atomindustrie im verbrannten Gorlebener Wald
       gekauften Flächen stehen aber [4][zwei Zwischenlager für radioaktive
       Abfälle] und eine sogenannte Pilotkonditionierungsanlage. Insbesondere mit
       Blick auf das Castorlager mit Atommüll warnt Wolfgang Ehmke vor Gefahren
       durch mögliche künftige Feuer: „Bei der Waldbrandbekämpfung und dem
       vorbeugenden Waldbrandschutz muss unbedingt berücksichtigt werden, dass im
       Gorlebener Tann heute 113 Behälter mit hoch radioaktiven Abfällen gelagert
       werden“, fordert er.
       
       8 Aug 2025
       
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