# taz.de -- Japanischer Horrorautor: Mit dem Beängstigenden klarkommen
       
       > Mit Sketch-Mystery-Romanen erobert der Schriftsteller Uketsu die
       > Bestseller-Listen in Japan. Nun ist sein Werk „Seltsame Bilder“ auf
       > Deutsch erschienen.
       
 (IMG) Bild: Sieht ein bisschen aus wie No-Face aus „Chihiros Reise ins Zauberland“: der Horrorautor Uketsu
       
       Berlin taz | Auf YouTube folgen 1,73 Millionen Menschen einem Japaner, der
       wie die Bühnenarbeiter im Kabuki-Theater einen schwarzen Ganzkörperanzug
       inklusive Handschuhe trägt und dazu sein Gesicht hinter einer weißen
       Pappmachémaske verbirgt. Sie erinnert an das Noh-Theater und die Figur
       No-Face aus dem [1][Anime] „Chihiros Reise ins Zauberland“ von [2][Hayao
       Miyazaki].
       
       Seine männliche Stimme verzerrt der YouTuber elektronisch zu einer
       Fisteltonlage. Für sein Pseudonym kombinierte er die Kanji für Regen und
       Loch. „Die Schriftzeichen hinterlassen einen feuchten, düsteren Eindruck,
       der gut zu meiner Persönlichkeit passt“, sagt er.
       
       In den meisten seiner nur 50 Videos versetzt Uketsu die Zuschauer in eine
       makabre und groteske Welt. Spargel verwandelt sich vor ihren Augen in
       menschliche Finger und Kleidung in Fleischscheiben.
       
       Aber viral ging das Video mit der schaurigen Mystery-Geschichte „Seltsames
       Haus“, die Uketsu im Pandemie-Lockdown veröffentlichte. Darin analysieren
       Uketsu und die Figur des Designers Kurihara, von Uketsu mit einer anderen
       Stimme gesprochen, über Telefon den Grundriss eines Hauses mit einem
       versteckten Raum.
       
       Schritt für Schritt nähert sich die Erzählung dem gruseligen Geheimnis,
       während den Zuschauern die Nackenhaare hochgehen, obwohl nichts sichtbar
       Erschreckendes und Grausames passiert.
       
       Vom Mystery-Video zum Roman 
       
       Der Internet-Hit rief den Verlag Futabashi auf den Plan, der Uketsu
       beauftragte, aus dem Mystery-Video einen Roman zu machen, der schließlich
       im Oktober 2021 erschien. Seitdem stürmt Uketsu die Bestsellerlisten.
       
       Der zweite Band von „Seltsames Haus“ (Hen na Ie) war 2024 der
       meistverkaufte Belletristiktitel in Japan, der erste Band das
       meistverkaufte Taschenbuch. Die Gesamtauflage erreichte inzwischen 1,2
       Millionen, auch dank der Realverfilmung des Stoffs im vergangenen Jahr.
       
       Sein zweites Buch „Seltsame Bilder“ (Hen na E) dreht sich um neun
       Zeichnungen, die harmlos wirken, bis ihre unheimlichen und düsteren
       Umstände herauskommen, etwa von einem Bild, das ein Mordopfer in seinen
       letzten Momenten gezeichnet hat. Nach eigenen Angaben inspirierten
       Bildertests aus der Psychoanalyse Uketsu zu diesem Konzept.
       
       Yuta, das einzige Kind der Familie Konno, verschwindet. Zwei Journalisten
       graben die dunkle Vergangenheit der Familie aus, die Leser fühlen sich
       dabei selbst wie die Ermittler. Nebenher deckt Uketsu den systemischen
       Druck in Japan auf junge Frauen wie Männer auf, eine Familie zu gründen und
       Kinder zu haben.
       
       Mehr Talent für Text 
       
       Uketsu, dessen Alter auf Mitte 30 geschätzt wird, wollte ursprünglich
       [3][Mangazeichner] werden, aber er erkannte, dass sein Talent mehr auf der
       Textseite liegt. Als sein Vorbild nennt er Ranpo Edogawa, den Begründer des
       japanischen Kriminalromans, der wiederum Edgar Allan Poe bewunderte.
       
       Uketsu schloss sich dem digitalen Kreativkollektiv Omocoro an, das lustige
       und unterhaltende Texte, Videos, Comics, Radioshows und Restaurantkritiken
       online produziert. „Im Allgemeinen veröffentlichen wir nichts, was Ihnen im
       Leben weiterhilft“, heißt es auf der Webseite. „Bitte nutzen Sie uns, um
       die Zeit totzuschlagen und sich zu entspannen.“
       
       „In Japan ist traditioneller Horror wie Geister und Monster nicht besonders
       populär, sondern man mag ruhige, gruselige Geschichten, die beängstigend
       wirken“, erläuterte Uketsu auf einer Pressekonferenz.
       
       Die heutige Welt sei voller Traurigkeit und habe eine beängstigende
       Atmosphäre. Seine Geschichten würden gelesen, um damit klarzukommen. Hinter
       den hohen Verkaufszahlen stecken nach seiner Ansicht vor allem jüngere
       Japaner, die sonst keine Bücher lesen.
       
       Erfolgreiche Übersetzungen 
       
       Von „Seltsame Bilder“ verkaufte Uketsu seit Oktober 2022 über eine Million
       Exemplare. Die englische Übersetzung erschien im Januar. Der Übersetzer Jim
       Rion beschreibt es als das „solider strukturierte, selbstbewusstere Werk“.
       Deswegen beschlossen Herausgeber Daniel Seton und der Verlag Pushkin Press,
       zuerst das zweite Buch zu übersetzen.
       
       Im Lübbe Verlag ist mittlerweile die deutsche Fassung erschienen und gleich
       auf Platz 1 der DLF-Krimibestenliste gelandet. Im Oktober wird der erste
       Roman „Das Seltsame Haus“ nachgeholt und auf Deutsch herauskommen. Die
       dreibändige Mangaversion gibt es dagegen schon vollständig auf Deutsch im
       Panini Verlag unter dem englischen Titel „The Strange House“.
       
       8 Aug 2025
       
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