# taz.de -- Abschiebungen nach Afghanistan: An der Grenze der Rechtsstaatlichkeit
       
       > Die Bundesregierung lässt Afghan*innen abschieben, denen Deutschland
       > eigentlich die Einreise versprach. Das ist kein Versehen, sondern
       > Programm.
       
 (IMG) Bild: Ein Wachmann vor dem Haji-Abschiebezentrum in Islamabad, Pakistan, am 20.2.2015
       
       Langsam stellt sich die Frage, wie tief die deutsche Politik gegenüber
       Menschen aus Afghanistan noch sinken kann. Pünktlich zum vierten Jahrestag
       der Machtübernahme der Taliban in Kabul muss sich die Bundesregierung dafür
       verantworten, dass Aktivist*innen aus der afghanischen Zivilgesellschaft
       in die Hände der radikalen Islamisten abgeschoben werden. Es geht um
       Menschenrechtsaktivist*innen, um Frauen und um Homosexuelle, die der
       Westen während des 20-jährigen Nato-Einsatzes in Afghanistan in ihrem
       Engagement bestärkt hatte.
       
       Noch mal zur Erinnerung: Der längste, blutigste und teuerste Einsatz in der
       Geschichte von Nato und Bundeswehr endete vor vier Jahren damit, dass in
       Afghanistan die Taliban das wenige, das der Westen dort erreichte – dazu
       gehörte der Zugang zu Bildung für Mädchen und junge Frauen –,
       zurückdrehten.
       
       [1][Nichts steht so sinnbildlich für die gescheiterte Mission wie das
       Chaos] am Kabuler Flughafen, als etwa die Bundeswehr in einer dramatischen
       Evakuierungsaktion nur diejenigen aus dem Land ausflog, die es irgendwie
       rechtzeitig an die Landebahn geschafft hatten. Angesichts der Bilder von
       Menschen, die sich auf der Flucht vor den Taliban an die Tragflächen
       startender Flugzeuge hängten, gab die Bundesregierung ein Versprechen ab:
       Menschen in Afghanistan, die sich in ihrem Einsatz für Menschenrechte und
       Demokratie besonders profiliert hatten und so zu einer Zielscheibe der
       Taliban wurden, sollten nach Deutschland einreisen können.
       
       Doch beim „Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan“ ging es seit seiner
       Schaffung im April 2022 so bürokratisch voran, wie es der Name vermuten
       lässt. Während der ersten Monate schaffte es kein einziger Mensch über das
       Programm zu einer Einreise nach Deutschland; später ging es so schleppend
       voran, dass am Ende Schätzungen zufolge eine mickrige Zahl von etwa 1.300
       Aufnahmen steht. Der Anspruch der Ampelregierung, die das Programm ins
       Leben gerufen hatte, lag wohlgemerkt bei etwa 1.000 Einreisen – pro Monat.
       
       [2][Nun wurden Dutzende Menschen aus dem Programm trotz einer
       Aufnahmezusage aus Deutschland von ihrem Transitort in Pakistan nach
       Afghanistan abgeschoben.] Aus deutscher Sicht ist das kein Versehen:
       CSU-Innenminister Alexander Dobrindt und seine Leute aus der Union konnten
       das Aufnahmeprogramm nicht früh genug abwickeln. Es war kein Geheimnis,
       dass die Regierung auch bestehende Aufnahmezusagen am liebsten gar nicht
       umsetzen wollte.
       
       Dass sich die Regierung damit in ihrer Migrationspolitik mal wieder an der
       Grenze der Rechtsstaatlichkeit bewegt, hält sie offensichtlich für
       verschmerzbar. [3][Ein Gericht in Berlin hatte unlängst geurteilt, dass die
       Aufnahmezusagen rechtsverbindlich sind.]
       
       So macht die Bundesregierung erneut das, was in Bezug auf Afghanistan eine
       deutsche Tradition zu sein scheint: die Augen verschließen und die Dinge so
       lange verschleppen, bis es zu spät ist.
       
       16 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Afghanistan-Untersuchungsausschuss/!5943116
 (DIR) [2] /Abschiebung-trotz-Aufnahmezusage/!6107054
 (DIR) [3] /Berliner-Verwaltungsgericht-urteilt/!6100024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Cem-Odos Güler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Abschiebung
 (DIR) Taliban
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
 (DIR) Taliban
 (DIR) Schwerpunkt Islamistischer Terror
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Aufgenommene Afghanin: Endlich durchatmen
       
       Nach 3 Jahren Bangen ist die Frauenrechtlerin Shokria S. in Deutschland
       angekommen: Sie ist eine der Afghan:innen, die in Pakistan ausharrten.
       
 (DIR) Afghan*innen mit Aufnahmezusage: Abgeschoben in die Hände der Taliban
       
       Mehr als 200 Personen mit deutscher Aufnahmezusage wurden von Pakistan nach
       Afghanistan zurückgezwungen. Deutsche Ministerien sind mitverantwortlich.
       
 (DIR) Abschiebungen nach Afghanistan: Taliban-Übergriffe gegen Abgeschobene
       
       Uno dokumentiert Fälle von Mord, Folter und anderen
       Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen, die in das Afghanistan der
       Taliban abgeschoben wurden.
       
 (DIR) Abschiebungen nach Afghanistan: Zurück ins Taliban-Land
       
       Innenminister Dobrindt schickt 81 Afghanen mit dem ersten Abschiebeflug
       seiner Amtszeit in ihr Herkunftsland – mithilfe von Katar.
       
 (DIR) Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan: NGOs verteilen keine Visa an Menschen aus Afghanistan
       
       Oft heißt es, Nichtregierungsorganisationen würden entscheiden, welche
       Afghan:innen nach Deutschland kommen dürfen. Das ist falsch, sagt Martin
       Sökefeld.