# taz.de -- Todesurteile in Äthiopien: Schleuser im Todestrakt
       
       > Erstmals werden in Äthiopien Todesurteile wegen „organisiertem
       > Menschenhandel“ verhängt. Die Verurteilten sollen der organisierten
       > Kriminalität angehören.
       
 (IMG) Bild: Junge Mädchen werden in arabischen Golfstaaten Opfer organisierter Kriminalität, als Dienstboten oder sogar Sexsklaven
       
       Berlin taz | Erstmals hat ein Gericht in Äthiopien Todesstrafen wegen
       „organisiertem Menschenhandel“ verhängt. Wie äthiopische Medien jetzt
       berichteten, gab Justizminister Belayihun Yerga am 30. Juli – dem
       Internationalen Tag gegen Menschenhandel – auf einer Veranstaltung bekannt,
       fünf Todesurteile gegen nicht näher bezeichnete Einzelpersonen seien
       gefallen. Von wem, gegen wen, zu welchem Zeitpunkt und wegen welcher Taten
       die Urteile gesprochen wurden, wurde nicht berichtet – Äthiopiens Staat ist
       notorisch intransparent.
       
       Mit der medialen Veröffentlichung setzt Äthiopien ein deutliches Zeichen
       kurz nach der schwersten Flüchtlingstragödie seit Jahren. [1][In der Nacht
       zu Sonntag war ein mit bis zu 157 Menschen, zumeist Migranten aus
       Äthiopien, besetztes Boot vor der Südküste von Jemen gekentert.]In der
       Nacht zu Sonntag war ein mit bis zu 157 Menschen, zumeist Migranten aus
       Äthiopien, besetztes Boot vor der Südküste von Jemen gekentert. 76 Tote
       wurden angeschwemmt oder geborgen, zahlreiche Menschen gelten immer noch
       als vermisst.
       
       Die Flüchtlingsroute aus Äthiopien über Dschibuti oder Somaliland auf die
       Arabische Halbinsel, wo die Menschen über Jemen nach Oman oder
       Saudi-Arabien weiterreisen wollen, wird jedes Jahr von mehreren
       Hunderttausend Menschen benutzt, gilt aber als eine der gefährlichsten der
       Welt. Der Krieg in Sudan seit 2023 hat die alte Migrationsroute aus
       Äthiopien Richtung Europa versperrt. Deswegen steigt seitdem die Zahl der
       Migranten, die ihr Glück in den Golfstaaten suchen, stark an.
       
       ## Menschenhändler locken Minderjährige in die Golfstaaten
       
       Dass junge Mädchen aus Äthiopien und anderen Ländern Afrikas in den
       schwerreichen arabischen Golfstaaten als minderwertige Dienstboten oder
       sogar Sexsklaven missbraucht werden, belastet seit Langem die
       arabisch-afrikanischen Beziehungen. Äthiopiens Regierung hat
       Menschenhändlerringen, die Minderjährige unter falschen Versprechungen in
       die Golfstaaten locken, schon längst den Kampf angesagt. Äthiopiens Gesetz
       909 aus dem Jahr 2015, das erste gegen Menschenhandel, sieht Strafen von 15
       Jahren Haft bis zur Todesstrafe für „Trafficking in Persons“ vor, also
       Menschenhandel gemäß des [2][Palermo-Protokolls der Vereinten Nationen] aus
       dem Jahr 2005. Dieses setzt die weltweit gültige Definition von
       Menschenhandel.
       
       Menschenhandel ist demnach „die Anwerbung, Beförderung, Verbringung,
       Beherbergung oder Aufnahme von Personen durch die Androhung oder Anwendung
       von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug,
       Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit
       oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur
       Erlangung des Einverständnisses einer Person, die Gewalt über eine andere
       Person hat, zum Zweck der Ausbeutung“.
       
       Ausbeutung ist „die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen
       sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit oder Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei oder
       sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Entnahme von
       Organen“. Die mögliche Zustimmung der Opfer ist dabei unerheblich.
       
       ## Verurteilte sollen der organisierten Kriminalität angehören
       
       Die Todesurteile in Äthiopien fallen unter das Gesetz 1178 aus dem Jahr
       2020, das weniger weitreichend ist als das von 2015. Es reduziert die
       Mindeststrafe auf sieben Jahre Haft und beschränkt die Todesstrafe auf
       Fälle, in denen das Opfer selbst zu Tode gekommen ist. Anwendbar ist sie
       nur auf Angehörige und Anführer organisierter Gruppen. Im Gegenzug
       erweitert es die Befugnisse der Strafverfolger bei der
       grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Die fünf jetzt Verurteilten dürften
       also Figuren der organisierten Kriminalität mit internationaler Vernetzung
       sein.
       
       Selbst unter dem weiterreichenden Gesetz von 2015 hatte es keine
       Todesstrafen gegeben, trotz fast 3.000 Verfahren allein zwischen 2018 und
       2020, wie [3][eine Studie des EU-Projekts Enact] (Enabling Africa’s
       Response to Transnational Organised Crime) im Jahr 2022 feststellte.
       
       Demnach standen auch schon Staatsbeamte und Angestellte des internationalen
       Flughafens von Addis Abeba vor Gericht, und auch Fluchthelfer wurden
       kriminalisiert. Die spektakulärsten Verurteilungen bisher gab es im Jahr
       2021, als der Anführer eines in Libyen ansässigen äthiopischen
       Menschenhändlerrings zu 18 Jahren Haft verurteilt wurde und der Organisator
       einer Fluchtroute von Äthiopien über Sudan nach Libyen sogar zu
       lebenslanger Haft – allerdings in Abwesenheit, nachdem ihm während des
       Prozesses die Flucht gelungen war.
       
       5 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gefaehrliche-Migrationsroute/!6101895
 (DIR) [2] https://www.servicestelle-gegen-zwangsarbeit.de/arbeitshilfen/palermo-protokoll/
 (DIR) [3] https://enact-africa.s3.amazonaws.com/site/uploads/2022-01-31-tip-in-ethiopia-policy-brief.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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