# taz.de -- Umweltmediziner über hohe Temperaturen: „Hitze muss nicht tödlich sein, um krank zu machen“
       
       > Auch wenn der Juli hier verregnet war – in der Türkei waren 50 Grad, am
       > Polarkreis und in den USA gab es Hitzerekorde. Was im Körper bei Hitze
       > passiert – und was dagegen hilft.
       
 (IMG) Bild: Es wird roter: Foto einer thermografischen Aufnahme einer Frau
       
       taz: Herr Böse-O’ Reilly, in der Türkei war es vergangene Woche über 50
       Grad heiß. Was ist Hitze? 
       
       Stephan Böse-O’Reilly: Eine genaue Definition von Hitze gibt es nicht. Wenn
       es feucht ist und die Sonneneinstrahlung stark, empfindet man hohe
       Temperaturen viel stärker als im Schatten bei einem Lüftchen. Üblicherweise
       spricht man aber ab 30 Grad Außentemperatur von Hitze.
       
       taz: Was passiert bei Hitze in unseren Körpern? 
       
       Böse-O’Reilly: Der Körper wehrt sich, indem er schwitzt. Dadurch entsteht
       die sogenannte Verdunstungskälte, der Körper kühlt sich selbst ab. Wenn die
       Körpertemperatur wegen der Hitze aber ansteigt, in Richtung 38 oder 39
       Grad, dann versucht der Körper, mehr Blut in die Arme und Beine zu pumpen,
       um so noch besser abzukühlen. Das bedeutet aber, dass wichtige Bereiche wie
       das Gehirn schlechter durchblutet werden. Es entstehen Probleme wie
       Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, oder es kommt zum Hitzschlag. Ab über
       40 Grad Körpertemperatur kann es zum Hitzetod kommen.
       
       taz: Hitze führt also zu mehr Todesfällen? 
       
       Böse-O’Reilly: In der Gruppe der über 80-Jährigen, insbesondere bei jenen
       mit Vorerkrankungen an Herz, Lunge oder Niere, sieht man eine
       Übersterblichkeit. Aber Hitze muss nicht immer tödlich sein, um krank zu
       machen. Das Wohlbefinden vermindert sich, die Konzentration lässt nach, die
       Leistungsfähigkeit geht zurück – das trifft jeden.
       
       taz: Wen ganz besonders? 
       
       Böse-O’Reilly: Hitze ist ein unangenehmer Reiz, dem wir Menschen versuchen
       zu entkommen. Da beginnt das Problem bei den Risikogruppen. Kleinkinder
       können nicht einfach sagen: „Ich suche mir ein kühleres Plätzchen.“ Genauso
       wenig sehr alte Menschen, die pflegebedürftig oder demenzerkrankt sind oder
       psychische Erkrankungen haben. Wenn man dann noch die mit einrechnet, die
       im Außen- oder Gesundheitsbereich arbeiten, die auch bei 35 Grad nicht
       einfach ihren Arbeitsplatz verlassen können, wird die Risikogruppe noch
       viel größer.
       
       taz: Wie wird [1][in Deutschland] auf diese Risiken reagiert? 
       
       Böse-O’Reilly: Es gibt auf Bundesebene und auch in den meisten
       Bundesländern leider keinen verpflichtenden Hitzeschutzaktionsplan. Im
       Moment verabschieden aber immer mehr Kommunen und Städte [2][solche Pläne].
       Insgesamt hat das Thema Hitze also wesentlich mehr Aufmerksamkeit erhalten.
       Doch wie für das ganze Thema Klimawandel und Klimaanpassung stehen auch für
       den Hitzeschutz zu wenig Mittel zur Verfügung. Und Klimaanpassung ist
       natürlich auch nur ein Teil, man muss sich um die Ursachen des Klimawandels
       kümmern.
       
       taz: Wie sähe erfolgreicher Hitzeschutz aus? 
       
       Böse-O’Reilly: Sobald sich eine Hitzewelle ankündigt, müssten
       Hitzewarnungen so verbreitet werden, dass sie auch in der Bevölkerung
       ankommen. Beim einzelnen Bürger braucht es das Bewusstsein, sich selbst und
       die, die von ihm abhängig sind, zu schützen. Das heißt auch, sich
       einzumischen, wenn man merkt, dass eine Situation für Menschen zu heiß ist.
       Langfristig müssen sich [3][Städte besser gegen Hitze wappnen].
       Einrichtungen wie Pflegeheime müssen durch Aktionspläne geschützt werden,
       es braucht Trinkbrunnen, aber auch Ehrenamtliche, die Menschen
       unterstützen, die sich nicht selbst helfen können. Und, das wird taz-Lesern
       nicht gefallen, wir brauchen mehr Klimaanlagen.
       
       taz: Wie müssen wir unser Lebens noch verändern, um besser mit der Hitze
       klarzukommen? 
       
       Böse-O’Reilly: Es gibt Klimamodelle, in denen wird München klimatisch in
       Norditalien verortet. Menschen in Norditalien [4][verhalten sich bei Hitze]
       aber anders als in München. Sie haben alle Rollos unten, machen lange
       Mittagspausen. Wir müssen von einer nordeuropäischen in eine
       südeuropäische Lebensweise wechseln. Dagegen gibt es aber in Deutschland
       massivste Widerstände.
       
       taz: Ist es möglich, sich an Hitze zu gewöhnen? 
       
       Böse-O’Reilly: Körperliche Fitness hilft, Leistungssportler können das ganz
       gut. Und auch bei normalen Menschen belastet die erste Hitzewelle im Jahr
       den Körper stärker als die zweite oder dritte. Bei Anpassung geht es aber
       auch darum, den Verstand anzupassen. Es ist entscheidend, ausreichend zu
       trinken, und das nicht erst, wenn der Körper ausgetrocknet ist. Wenn man
       überhitzt, ist es ratsam, einfach mal zu duschen, und wenn ein heißer
       Arbeitstag bevorsteht, kann man auch mal eine Kühlweste anziehen.
       
       taz: Und was machen Sie bei Hitze? 
       
       Böse-O’Reilly: Ich gehe in den Keller zum Arbeiten. Und ich freue mich,
       nachmittags dann mal ein Eis zu essen.
       
       4 Aug 2025
       
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