# taz.de -- Skandal in Großbritannien: Großbritannien nimmt Tausende afghanische Ex-Mitarbeiter auf
       
       > Ein Datenleck hat Ex-Mitarbeiter von Großbritannien in Afghanistan
       > gefährdet. Nun ist klar: Die frühere Regierung hatte die Umsiedlung
       > gestartet.
       
 (IMG) Bild: Waren von Ende 2001 an knapp zwanzig Jahre in Afghanistan: britische Soldaten
       
       London taz | Großbritanniens frühere konservative Regierung hat wegen eines
       Datenlecks vom Februar 2022 Tausende Afghan:innen, die in ihrem Land einst
       im Dienst des britischen Militärs standen, heimlich im Vereinigten
       Königreich aufgenommen. Die Tory-Regierung ließ damals mittels einer
       sogenannten Superinjunction untersagen, die Existenz dieses Programms
       öffentlich zu machen.
       
       Es war das erste Mal, dass eine britische Regierung, damals unter Rishi
       Sunak, von einem solchen Verbot Gebrauch machte, und die längste
       Superinjunction bisher. Doch am Dienstag hob der britische Hochrichter Sir
       Martin Chamberlain das Verbot aufgrund „ernstzunehmender Bedenken zur
       freien Meinungsäußerung“ im Namen demokratischer Transparenz auf.
       
       Ein britischer Militärangestellter hatte im Februar 2022 versehentlich in
       einer E-Mail vertrauliche Personaldaten von insgesamt 33.000 Personen
       weitergeleitet. Das betraf 25.000 afghanische Personen – 19.000 ehemals
       afghanisches Personal und 6.000 Familienangehörige – sowie britische
       Regierungsbeauftragte.
       
       Den Afghanen auf der Liste war zum Ende der westlichen Präsenz in
       Afghanistan Mitte August 2021 noch nicht das Recht auf Übersiedlung
       gestattet worden. Das Leak soll insgesamt mehr als 100.000 Menschen in
       potenzielle Lebensgefahr durch die Taliban gebracht haben. Diese
       kontrollieren [1][Afghanistan] seit dem damaligen Rückzug der westlichen
       Streitkräfte. Das britische Militär war von Ende 2001 an knapp zwanzig
       Jahre in Afghanistan präsent. Sein afghanisches Personal stand oft im
       direkten Einsatz gegen die Taliban.
       
       ## Labourminister entschuldigt sich bei Afghanen für Datenleck
       
       Das Leck wurde erst erkannt, als Screenshots der Liste im August 2023 auf
       Facebook erschienen. Das daraufhin heimlich ins Leben gerufene
       Übersiedlungsprogramm hatte zunächst auf bis zu 8 Milliarden Euro
       geschätzte Gesamtkosten.
       
       Die Labourregierung übernahm das Programm bei ihrem Amtsantritt im Juli
       2024. Bisher seien umgerechnet 2,3 Milliarden Euro für das Programm
       verwendet worden, erklärte Verteidigungsminister John Healey am Dienstag.
       Die Gesamtkosten würden nun maximal umgerechnet bis zu 7 Milliarden Euro
       betragen.
       
       Gerade die hohen Kosten waren der Grund für die Beendigung der
       Superinjunction, da solche Beträge laut Richter Chamberlain normalerweise
       in den Rahmen politischer Debatten gehörten.
       
       Durch das Programm wurden bisher 5.500 Personen direkt gerettet, wobei
       inzwischen etwa 18.500 Personen der auf der Liste genannten Personen
       umgesiedelt wurden, meist durch andere Einreiseprogramme. Der heutige Stand
       ist, dass 23.900 Personen der 25.000 geleakten Kontakte entweder bereits
       auf britischem Boden oder im Transit sind. Samt Familienangehörigen sind
       42.500 afghanische Personen einreiseberechtigt.
       
       Laut Healey seien alle Einreiseprogramme inzwischen für neue
       Antragsteller:Innen geschlossen. Bei den vom Datenleck Betroffenen
       entschuldigte er sich, während er sich für eine Untersuchung zu dessen
       Folgen aussprach. Das große Leck war nur eines von mehreren. Drei weitere
       hatten zuvor im September 2021 zur unbeabsichtigten Weitergabe von 265
       Namen geführt.
       
       ## Erpressungsversuche mit geleakter Liste
       
       Laut der Tageszeitung Times soll es mehrere Erpressungsversuche mit der
       geleakten Liste gegeben haben, [2][etwa um Ausreisen zu erzwingen]. Unklar
       ist, ob bereits Menschen als Folge des Lecks ermordet oder misshandelt
       wurden. Laut Regierung lägen ihr dazu keine konkreten Beweise vor.
       
       Die Times will dagegen von einer Aktivistin erfahren haben, dass auch die
       Taliban die Liste nutzen. Sie sei überzeugt, dass Dutzende, wenn nicht
       Hunderte Menschen deswegen verschleppt oder gar getötet worden seien.
       
       Trotzdem stuft die Regierung die Gefahr für in Afghanistan verbleibende
       Ex-Mitarbeiter durch das Leak inzwischen als niedriger ein als zuvor.
       
       ## Afghanen klagen auf Schadensersatz
       
       665 afghanische Ex-Angestellte fordern per Klage vom britischen
       Verteidigungsministerium Schadensersatz in Höhe von mindestens umgerechnet
       57.000 Euro pro Person, die durch das Leck geschädigt wurde. Derzeit
       verhindert eine neue gerichtliche Verfügung die Weitergabe zusätzlicher
       Inhalte zum Fall.
       
       Die Nachricht vom geheimen Einreiseprogramm für Afghanen erreicht das
       Vereinigte Königreich [3][während hitziger Debatten zur Asylpolitik],
       angefeuert von Nigel Farages rechter Reform UK Partei, sowie zu
       Finanzierungsproblemen der Labourregierung.
       
       16 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
       
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