# taz.de -- Prozess um Brandstiftung in Solingen: Wo war der genaue Blick?
       
       > Ja, der Täter ist zur Höchststrafe verurteilt worden. Doch der Prozess
       > war für die Angehörigen enttäuschend – es geht ihnen um mehr als Strafe.
       
 (IMG) Bild: Vier Menschen bulgarisch-türkischer Herkunft starben in diesem Haus in Solingen
       
       Manchmal ist es ein Zufall zu viel. [1][Doch im Prozess um die
       Brandstiftung in Solingen], bei dem vier Menschen bulgarisch-türkischer
       Herkunft starben, war es keiner. Es gab viele Gelegenheiten, genauer
       hinzusehen – und zu viele wurden verpasst. Ein rassistisches Gedicht, gut
       sichtbar an der Garage des Täters, wurde einem Nachbarn zugeschrieben. 166
       rechtsextreme Bilder auf einer Festplatte galten als Eigentum der Freundin.
       NS-Literatur im Haus stammte angeblich vom Vater.
       
       Ein Polizeivermerk, in dem anfangs ein rechtes Motiv erwähnt wurde,
       verschwand später. Hinweise, die in anderen Fällen als zentral gegolten
       hätten, wurden wiederholt relativiert. Die Ermittlungsbehörden zeigten
       auffallend wenig Interesse an einem möglichen rassistischen Hintergrund.
       
       Ja, der Angeklagte ist mit einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe mit
       anschließender Sicherungsverwahrung zur Höchststrafe verurteilt worden.
       Doch im Prozess spielte ein mögliches rechtsextremes Motiv keine Rolle.
       Vieles wurde stattdessen der Psyche des Täters zugeschrieben. Gerade dieser
       Fall hätte einen besonders genauen Blick verlangt – denn die Frage nach
       einem rechtsextremen Motiv betrifft nicht nur die Angehörigen, sondern die
       gesamte Gesellschaft.
       
       Und für die Angehörigen geht es um mehr als nur um das Strafmaß – sie
       wollten wissen: [2][Warum wurden ausgerechnet ihre Kinder und Enkelkinder
       Opfer? Es hätte unabhängige Sachverständige gebraucht, Expert*innen für
       Rassismus und Rechtsextremismus oder eine zweite oder dritte Meinung], um
       offene Fragen der Familien ernsthaft zu prüfen. Und doch wirkte das
       Verfahren, als solle es vor allem eines: möglichst schnell abgeschlossen
       werden.
       
       Ein Rechtsstaat muss für alle gelten. Doch einmal mehr fühlt sich ein Teil
       der Gesellschaft übersehen; Hinterbliebene und Überlebende bleiben mit
       ihren offenen Fragen allein. Und noch einmal stellt sich die Frage: Wären
       die Opfer Deutsche gewesen, hätte man dann ebenso gehandelt? Genau das ist
       womöglich die gefährlichste Botschaft: Der Rechtsstaat ist da – aber für
       manche weniger.
       
       30 Jul 2025
       
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