# taz.de -- Nahverkehr in Hamburg: Naturschutzverbände kritisieren S-Bahn-Ausbau
       
       > Vereine fordern, die geplante Verbindung nach Bad Oldesloe in Hamburg
       > enden zu lassen. Eine Weiterführung bringe wenig und richte Schaden an.
       
 (IMG) Bild: Ein Versuch, Transparenz herzustellen: Infozug für die geplante S4 zwischen Altona und Bad Oldesloe
       
       Hamburg taz | Die Hamburger Naturschutzvereine haben sich gegen einen
       Ausbau der S-Bahn bis Bad Oldesloe ausgesprochen. In einer gemeinsamen
       Erklärung fordern sie, die bereits in Bau befindliche S-Bahnstrecke im
       Hamburger Stadtteil Rahlstedt enden zu lassen. Ein geplanter Ausbau darüber
       hinaus sei unnötig; er mache das System störanfällig, beeinträchtige ein
       Naturschutzgebiet von europäischem Rang und drohe, archäologisch bedeutende
       Flächen zu zerstören.
       
       Die Strecke Richtung Nordosten vom Hauptbahnhof nach Rahlstedt und darüber
       hinaus ist schon lange ein Thema im Hamburger Nahverkehr. Die Linie, die
       früher S4 tituliert wurde, war nie eine S-Bahn, sondern ein
       störungsanfälliger Bummelzug – ein dauerhaftes Ärgernis vor allem für
       Pendler. Heute verkehren Regionalexpresse und -bahnen in Abständen von
       bisweilen auch mal unter zehn Minuten, allerdings nur mit wenigen
       Haltepunkten.
       
       Die Deutsche Bahn verspricht mit dem Bau zweier zusätzlicher Gleise extra
       für eine tatsächliche S-Bahn einen zuverlässigeren Verkehr, kürzere
       Taktzeiten und weniger volle Züge. Weil es mehr Zwischenhalte geben soll,
       müssen Fahrgäste nicht bis zum Hauptbahnhof durchfahren, um auf andere
       Linien umsteigen zu können, was den [1][am Limit befindlichen Hauptbahnhof]
       entlaste. Im Hauptbahnhof entlaste sie den Fernverkehr zusätzlich, weil sie
       an eigenen Bahnsteigen halte.
       
       ## Zweifel am Versprechen der Bahn
       
       Die Naturschutzvereine, darunter der Nabu und der BUND, um die bekanntesten
       zu nennen, bezweifeln das Versprechen von mehr Pünktlichkeit und
       Verlässlichkeit. Sie verweisen darauf, dass sich nach den Plänen der Bahn
       nach wie vor der Nah- und der Fernverkehr an manchen Stellen in die Quere
       kommen würden, so dass Verspätungen programmiert seien.
       
       „Die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs in und um Hamburg wird von
       allen unterzeichnenden Verbänden grundsätzlich unterstützt“, versichern die
       Verfasser am Anfang ihrer Erklärung. Ein Bau der S4 bis Rahlstedt werde
       sicher eine spürbare Verbesserung bringen. Darüber hinaus stehe allerdings
       der Nutzen in keinem vertretbaren Verhältnis zum Nutzen.
       
       Das liegt auch daran, dass der Schaden groß wäre, weil die Bahnstrecke
       durch das Stellmoorer-Ahrensburger Tunneltal führt – eine besondere
       geologische Formation, die sich als eine der wenigen aus der jüngsten
       Eiszeit erhalten hat. Hier gibt es nach der europäische
       Flora-Fauna-Habitat(FFH-)Richtlinie geschützte Naturschutzgebiete.
       
       Dort haben Archäologen aber auch die Spuren eiszeitlicher
       Rentierjägerkulturen gefunden – unter anderem die [2][ältesten vollständig
       erhaltenen Pfeile der Menschheit], hergestellt vor rund 12.000 Jahren. Die
       Verbände weisen darauf hin, dass im Projektgebiet ungewöhnlich viele
       Hinterlassenschaften von Rentierjägerkulturen aus der Zeit von 15.000 bis
       12.000 vor Christus zu finden seien – ein Potenzial, dass es zu schützen
       gelte.
       
       Das Tunneltal selbst wiederum zeichne sich durch seine besondere Geologie
       und auch den damit verbundenen ökologischen Reichtum aus. „Feuchtwiesen,
       Hochmoorreste, Magerrasen oder Bruchwälder grenzen hier unmittelbar
       aneinander und bieten so sehr unterschiedlichen Tier- und
       Pflanzengesellschaften einen Lebensraum“, schreiben die Naturschützer.
       Besonders herauszuheben sei der [3][streng geschützte Kammmolch].
       
       Die Arbeitsgemeinschaft Naturschutz Hamburg befürchtet, dass eine
       Verdoppelung der Bahntrasse dieses Gebiet stark beeinträchtigen könnte.
       „Eine breitere Trasse wird eine viel stärkere Zerschneidungswirkung haben“,
       sagt Horst Bertram vom [4][Botanischen Verein] Hamburg. Es wäre für viele
       Tiere beinahe unmöglich, die Trasse zu passieren, was den Genaustausch
       links und rechts der Trasse unterbinde. Zudem sei auch damit zu rechnen,
       dass die Bauarbeiten das Gebiet stark störten.
       
       Wegen der „erheblichen Beeinträchtigungen der Gebiete in ihren für die
       Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen“ müsse die
       Bahn für das Projekt eine Ausnahmegenehmigung nach dem
       [5][Bundesnaturschutzgesetz] beantragen, fordern die Verbände. Dann nämlich
       müsste die Bahn nachweisen, dass ihr Vorhaben aus zwingenden Gründen des
       überwiegenden öffentlichen Interesses tatsächlich notwendig ist.
       
       Wie viele Menschen die S4 künftig nutzen werden, kann die Bahn auf Anfrage
       nicht sagen. Sie verweist aber auf ein Potenzial von 250.000 Menschen, die
       in der Region lebten. 96.000 davon leben allerdings schon in Rahlstedt.
       
       23 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Vorschlaege-fuer-den-Verkehrsknotenpunkt/!6100023
 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Ahrensburger_Kultur
 (DIR) [3] /Sterbende-Amphibien/!5847564
 (DIR) [4] /Sanierung-Hamburger-Schaugewaechshaeuser/!5953354
 (DIR) [5] https://www.gesetze-im-internet.de/bnatschg_2009/__34.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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