# taz.de -- Topographie des Terrors: Zweifel an Opas Unschuld
       
       > Eine Ausstellung über den Umgang mit den Nazis nach 1945 wurde von einem
       > Schulmuseum gestaltet. Sie wendet sich auch vor allem an jüngere
       > Besucher.
       
 (IMG) Bild: Einer der Forderungen der jugendlichen Ausstellungsberater: Dass man sich zwischendurch hinsetzen und nachdenken kann
       
       Berlin taz | Am Anfang steht der Schlussstrich. „Schluss mit
       Entnazifizierung, Entrechtung, Entmündigung“ fordert da die FDP 1949 auf
       einem blutroten Wahlplakat. „Die Deutschen sind verantwortlich“ für den
       Krieg: Das bejahen in einer Umfrage von 1946 nur 28 Prozent der Befragten,
       eine „Teilschuld“ sehen dagegen 63 Prozent. 68 Prozent sind der Auffassung,
       dass die Deutschen aufgrund des Versailler Vertrags ein Recht gehabt
       hätten, einen weiteren Krieg zu beginnen. In der zweiten Hälfte der 1940er
       Jahre war ein Großteil der Bevölkerung freilich nicht mit Reflexionen über
       Vergangenes beschäftigt. Vor allem suhlte man sich im eigenen Leid, das
       doch den durch die Nazis verursachten Horror mindestens überwiegen würde,
       so die landläufige Auffassung.
       
       „Die Nazis waren ja nicht einfach weg“, lautet [1][der Titel der
       Sonderausstellung in den Räumen der Topographie des Terrors], die der Frage
       nachgeht, wie die Deutschen in Ost und West nach 1945 mit dem
       Nationalsozialismus umgingen. Die Schau operiert mit Stellwänden, Tischen,
       einigen Objekten – soweit geht es dort zu wie bei vielen Ausstellungen zum
       Thema Nationalsozialismus. Doch hier ist etwas anders.
       
       Denn diese Schau wurde von einem Schulmuseum gestaltet, genauer: vom
       Schulmuseum in Nürnberg. Und an der Präsentation waren nicht nur Historiker
       und Pädagogen beteiligt, sondern auch Schülerinnen und Schüler von
       Realschulen und Gymnasien ab der 9. Klasse aufwärts, beteiligt war auch das
       Kant-Gymnasium in Spandau.
       
       Das merkt man schon vor dem eigentlichen Beginn, denn da sprechen
       Schülerinnen und Schüler auf einem Monitor über ihre Vorstellung, wie es in
       Deutschland im Jahre 1945 ausgesehen haben mag. Dabei bleibt es nicht.
       Nicht großformatige Bilder von Nazigräueln und Häusertrümmern beherrschen
       die Stellwände, sondern Zeichnungen illustrieren sieben der acht Kapitel.
       Eine Art Wimmelbilder, die nackte Informationen greifbarer machen, als
       Zahlen dies könnten. 80 oder gar 90 Jahre sind für einen 15-Jährigen
       unendlich weit weg. Wie schafft man es dennoch, Interesse für diese Zeit zu
       wecken?
       
       ## Deutsche Kinder nach dem Krieg
       
       Da verbrennen Jugendliche eine Hakenkreuzfahne, darüber steht in
       Maschinenschrift „Alle Inschriften der N.S.D.A.P. müssen entfert werden.“
       Da deutet der Grafiker David von Bassewitz die zerstörten deutschen Städte
       an. Dazu erscheinen die Opferzahlen: 6,3 Millionen tote Deutsche,
       größtenteils Soldaten, 26 Millionen getötete Sowjetbürger, sechs Millionen
       Juden, 350.000 psychisch Verletzte und körperlich Behinderte, 200.000 Sinti
       und Roma.“
       
       Die Schau richtet sich, wie sollte es bei einem Schulmuseum anders sein,
       vor allem an junge Menschen (ist aber durchaus auch für Ältere keine
       Überforderung). Glücklicherweise sind die Ausstellungsmacher aber nicht auf
       den Gedanken gekommen, komplizierte Sachverhalte zu simplifizieren.
       
       Aber poppiger darf das Ganze schon sein, ohne deshalb ins Banale
       abzugleiten. Kurator Mathias Rösch berichtet, die jugendlichen Berater
       hätten sogar Wert darauf gelegt, dass man sich in der Schau zwischendurch
       an Thementischen auch mal hinsetzen und nachdenken könne. „Die Schüler
       haben gefordert: Rückt das Thema an uns ran“, berichtet Rösch.
       
       Deshalb will die Schau die Perspektive junger Leute in den Mittelpunkt
       nehmen. Und so kommen in den Tafeln und Objekten ganz besonders Menschen zu
       Wort, die damals in dem Alter waren, in dem die Jungen heute sind. Da
       [2][antwortet ein Schüler einer 7. Klasse 1946, warum der Krieg verloren
       gegangen ist].
       
       Eine 14-Jährige sieht Deutschland als das Volk, das besonders habe leiden
       müssen. Ein anderer Schüler schwadroniert 1951, dass Polen „sehr grausam“
       und „schlampig“ seien – Beispiele dafür, wie sich der NS-Rassismus in den
       Köpfen der Jugendlichen festgesetzt hat. Die Statements von damals werden
       in die damalige Debattenkultur eingeordnet. Aber die Ausstellung operiert
       deshalb nicht mit dem erhobenen Zeigefinger.
       
       ## War Opa wirklich unschuldig?
       
       Der 21-jährige Karl Hoffmann berichtet 1944 seinen Eltern von seinen
       Fronterfahrungen. „In wenigen Minuten sausten über 10 Russen brennend in
       die Tiefe. Ihr könnt euch die Freude vorstellen. Herrliche Bilder“,
       schreibt Hoffmann, der bald darauf selbst fällt. Es sind solche Zitate, die
       Zweifel säen an der Unschuld von liebevollen Großvätern und Urgroßvätern 80
       oder 90 Jahre später.
       
       Die Täter, die aus dem Krieg zurückkehren, tun das in aller Regel ohne
       Reue, auch wenn sie Mörder sind. Schon bald dürfen frühere Gestapo-Männer
       beim westdeutschen BND tätig werden, während ehemalige Nazis sich im Osten
       als Spitzel von der Stasi anwerben lassen.
       
       Wenn es um die eigene Schuld geht, das macht die Schau deutlich, gibt man
       sich unschuldig wie eine Braut. Auf die Frage nach der Mitschuld an der
       Judenvernichtung antworten 88 Prozent mit Nein. Ähnlich unschuldig gibt
       sich die bundesdeutsche Justiz, die bei der Verfolgung der Täter
       bemerkenswerten Langmut zeigt. Und auch dieses betrübliche Kapitel
       Nachkriegsgeschichte geht in der Schau auf den Fall eines Mannes ein, der
       als 16-Jähriger als SS-Angehöriger im KZ Menschen gequält hat – und deshalb
       mit einer Jugendstrafe davon kommt.
       
       Die Ausstellung geht auch auf die überlebenden Opfer ein, besonders auf die
       kleine Gruppe, die sich entscheidet, trotz des Geschehenen in Deutschland
       zu bleiben. Da wird Charlotte Knobloch zitiert mit den Worten: „Ich wollte
       nicht zurück nach München, ich wollte nicht mit den Menschen zusammen sein,
       die uns so ausgegrenzt, die uns so beleidigt, die uns angespuckt haben, die
       uns gehasst haben.“
       
       Der Zeithorizont der Ausstellung reicht bis zum heutigen Tag, was
       zwangsläufig dazu führen muss, dass manche Entwicklungen nur angetippt
       werden können. Andererseits: Würde die Schau früher enden, entfiele auch
       die Identifikation der jüngeren Besucher mit ihren Inhalten. Schließlich
       leben sie in der Gegenwart und deshalb gehört es unbedingt dazu, auch davon
       zu erzählen, wie sich Rechtsextremisten heute wieder darum bemühen, mit
       ihren braunen Pfoten die deutsche Geschichte zu besudeln.
       
       3 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.topographie.de/ausstellungen/die-nazis-waren-ja-nicht-einfach-weg
 (DIR) [2] /Nachkriegszeit/!t5017694
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Hillenbrand
       
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