# taz.de -- Krisengebiet Campingplatz: Nicht ohne meine Parabolantenne
       
       > Die Zeiten von Zelt und Isomatte sind ein für alle Mal vorbei. Der
       > Wohnmobilwahnsinn mit dem Trend zu zwei Vorteppichen hat Einzug gehalten.
       
 (IMG) Bild: „Schatz, die haben hier nur drei Balken Empfang, lass umziehen“
       
       Der Mann schnauft und wedelt sein Handy durch die Luft. „Hier können wir
       uns nicht hinstellen, hier kriegen wir keinen Empfang.“ Er stapft ein paar
       Meter nach links, ein paar zurück, läuft rot an und brüllt: „Scheißplatz,
       wollen die uns verarschen?“
       
       Willkommen auf einem Campingplatz 2025. Ob in Epernay, Annecy, Dole in
       Frankreich, Brügge in Belgien, Staufen in Deutschland: Der moderne Camper
       will auf Empfang sein. Empfang heißt für ihn nicht einfach nur, nach Hause
       telefonieren zu können, Empfang ist für den Camper heute alles: für Radio,
       Fernsehen, Netflix. Der Camper ist zwar im Urlaub, aber soll er deswegen
       von seinen heimischen Ritualen abweichen?
       
       Ab 16.10 Uhr ermitteln im ZDF die „Rosenheim-Cops“, der ARD-„Tatort“ am
       Sonntagabend ist Bürgerpflicht. Den französischen Campingfreund erfreut der
       Sender TF1 mit der Quizsendung „Les 12 coups de midi“ (Die 12 Schläge der
       Mittagssonne). Für dösige Stunden hat der Camper selbst den perfekten
       Wumms: seine Schlager-Playlist.
       
       Der moderne Camper ist nicht nur auf Empfang, er ist auch auf 4, 6 oder 8
       Rädern unterwegs – im [1][Camper Van, im Wohnmobil, im Campingbus. Der
       Camper-Van-Wahn deutete sich schon während der Coronapandemie an.] Hotels
       und Ferienanlagen waren dicht, ein Wohnmobil schien die Rettung, die Leute
       kauften die Dinger, als gehe die Pandemie nie zu Ende. Aber 2025 scheint
       das Jahr des Größenwahns zu sein.
       
       ## Der Camper der Neuzeit
       
       So ein [2][Campingbus ist schon mal so groß wie ein Linienbus, aber ein
       klein wenig besser ausgestattet:] Bad, Küche mit Induktionsherd,
       Waschmaschine, Trockner, Spülmaschine. Nur ist man mit einem solchen Bus
       auch ein klein wenig eingeschränkt, man findet außerhalb des Campingplatzes
       nur selten einen Parkplatz. Da sorgt der schlaue Camper vor: Anhänger an
       den Bus, Kleinwagen rauf. So kommt man auch zum nächsten Carrefour
       motorisiert, laufen wäre viel zu anstrengend.
       
       Apropos bequem. Der Camper der Neuzeit hockt gern auf dem Treppenabsatz
       seiner Blechkiste, raucht, trinkt ein Bier, trinkt noch eins und noch eins.
       Seine Frau bleibt lieber im Camper. Man braucht auch ja mal Abstand
       zueinander.
       
       Nur am Anfang, da muss sie doch mal ran. Nachdem er das Gefährt nach
       gefühlt zwei Stunden korrekt geparkt, die Parabolantenne ausgerichtet und
       die Sonnenschutzmarkise mit der Fernbedienung ausgefahren hat, schlägt ihre
       Stunde: Vor dem Camper rollt sie erst einen Teppich aus und darauf noch
       einen. Am Rande der Teppichlandschaft drapiert sie eine Fußbürste, auf der
       sich alle, die die Teppichlandschaft betreten wollen, die Füße abrubbeln
       müssen.
       
       Camping heißt auf Deutsch ja eigentlich zelten. Aber Zelte sucht man auf
       Campingplätzen im Sommer 2025 vergebens. Ein Zeltplatz in Leffrinckoucke in
       der Nähe von Dunkerque in Frankreich hat erst gar keine Plätze für Zelte
       mehr. Auf drängendes Bitten und Betteln verweist die Rezeptionistin auf
       einen Platz in den Dünen.
       
       Oh, [3][in den Dünen, wie schön,] denken wir – und freuen uns auf
       Meeresrauschen, während wir im Zelt liegen, und einen weiten Blick mit dem
       Morgenkaffee in der Hand. Aber die Dünen liegen hoch, sind steil und
       umzäunt, direkt zum Meer geht’s nicht.
       
       ## Blumenampeln und Gartenzwerge
       
       Auf einem Campingplatz in Roth-Wallesau in Mittelfranken waren wir das
       einzige Zelt – bei 256 Stellplätzen. Dort dominiert der Dauercamper, ein
       ganz besonderer Freund des naturnahen Daseins. Um seinen Wohnwagen herum
       zimmert er sich sein eigenes kleines Reich – aus Brettern, Plastikfolien,
       Dachpappe. Das verziert er mit Blumenampeln, Gartenzwergen, Rabatten aus
       Kunstrosen. Eine rot-weiße Metallkette markiert die Grenze zum Nachbarn.
       
       Der Dauercamper hat eine Lieblingsbeschäftigung: [4][Rasen mähen.] Am
       liebsten ab 8 Uhr morgens und bis nach 9 am Abend. Wenn er mal nicht mäht,
       poliert er sein Auto. Danach dreht er mit seinem Hund eine Runde.
       
       Während der Dauercamper jederzeit seine Hütte aufsuchen kann, meldet sich
       der Freund des Großraumcampings lieber frühzeitig auf den Plätzen seiner
       Wahl an. Das führt, wer ahnt es nicht, zu ausgebuchten Campingplätzen, noch
       bevor die Ferien begonnen haben. Selbst in Frankreich, dem Land mit den
       meisten Campingplätzen in Europa.
       
       Was soll ich sagen? Wir haben Camping geliebt, mit Zelt, Isomatte,
       Schlafsack. Draußen sein die ganze Zeit. Jetzt ist Schluss. Nächstes Jahr
       fahren wir ins [5][Wellnesshotel].
       
       23 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
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