# taz.de -- Rechtsextremer Chat von Polizistin: „Ein asyli weniger“
       
       > Eine bayrische Polizistin verschickt Dienstinterna, äußert sich
       > rassistisch. Erst nach Jahren wird sie gestoppt. Ein drastischer Fall,
       > aber kein Einzelfall.
       
 (IMG) Bild: Der Verfassungsschutz zählte zuletzt 739 rechtsextremistische Prüffälle in den Sicherheitsbehörden und 364 erwiesene
       
       Berlin taz | Am Donnerstag sollte Stefanie R. (Name geändert) eigentlich
       wieder vor Gericht sitzen, im Landgericht Traunstein. Dann sollte über eine
       Strafe für die Polizistin aus dem bayrischen Mühldorf verhandelt werden,
       welche die 41-Jährige nicht akzeptieren will: wegen Verletzung von
       Dienstgeheimnissen in mehr als 100 Fällen – und Volksverhetzung.
       Kurzfristig wurde der Termin jedoch abgesetzt. Ihr Fall zeigt aber
       drastisch, [1][wie sich Polizeiarbeit verselbstständigen] kann.
       
       Seit gut 20 Jahren arbeitete Stefanie R. als Polizistin in der
       Dienststelle, als vor sechs Jahren Dinge ins Rutschen gerieten. Ein
       Bekannter fragte Stefanie R. damals per Whatsapp-Nachricht, ob sie ihm
       behilflich sein und mitteilen könne, wer der Halter eines KfZ-Kennzeichens
       sei. Und Stefanie R. war behilflich und übermittelte den Ausdruck aus einer
       internen Polizeidatenbank. Das Prozedere wiederholte sich zehnmal. Zum Dank
       wurde Stefanie R. von ihrem Bekannten wiederholt in ein griechisches
       Restaurant eingeladen. So zeichnen es Justizunterlagen nach, die der taz
       vorliegen.
       
       Und Stefanie R. zeigte sich auch gegenüber anderen freigiebig. Einer
       Bekannten schickte sie das Foto eines Ermittlungsvorgangs zu einer
       Vergewaltigung und sexuellen Belästigung. Ein anderes Mal tat sie das zu
       einem Einbruch – nachdem die Bekannte gefragt hatte, was in der Straße los
       sei. Als Stefanie R. eine Frau in einem Krankenhaus bewachte, schickte sie
       auch von dieser ein Foto mit dem Hinweis, diese habe mehr als 3 Promille
       intus und sich mit Tabletten umbringen wollen.
       
       So ging das immer weiter, über Jahre. Bekannte fragten sie, was bei
       bestimmten Polizeieinsätzen los sei, was gegen Familienmitglieder, Freunde
       oder sie selbst ermittelt werde – und Stefanie R. lieferte.
       
       ## Auch ein Hitlerbild verschickt
       
       Einer Bekannten schickte sie die Ermittlungsstände zu deren Bruder, später
       auch an diesen direkt – wegen Fahrerflucht, häuslicher Gewalt, Bedrohung
       oder Körperverletzung. Der Frau teilte sie auch mit, wer sie wegen
       Ruhestörung angezeigt hatte. Eine andere Bekannte informierte sie über eine
       Person, die dieser angeblich 2.000 Euro schuldete. Einem Bekannten wiederum
       verriet sie, was der Ermittlungsstand zu seinem Verstoß gegen das
       Infektionsschutzgesetz war und zu einem Fall, wo er betrunken auf einem
       Grünstreifen vor einem Friedhof aufgegriffen wurde.
       
       Und es ging noch drastischer. Einer Bekannten schickte sie das Foto einer
       Babyleiche mit dem Hinweis, dass die Mutter noch nicht gefunden und ein
       Tötungsdelikt möglich sei. Von einem Tatorteinsatz verschickte sie an
       mehrere Personen Fotos einer Leiche in einer Badewanne und teilte mit, dass
       diese dort schon acht bis zehn Tage gelegen habe.
       
       Und in den Chats hielt sich Stefanie R. auch mit ihrer Gesinnung nicht
       zurück. Im August 2020 verschickte Stefanie R. an einen Bekannten ein Foto
       einer Person, die sich an einer Brücke im Ort erhängt hatte. Ihr Kommentar
       dazu: „Ein asyli weniger.“ Ein anderer Bekannter erhielt ein Foto von einem
       Festgenommenen noch während des Polizeieinsatzes mit dem Hinweis
       „Messergaudi unter Rumänen“. Zu einem anderen Verdächtigen schrieb sie,
       sein Fall zeige, „was der Pöbel für einen Schlag hat“.
       
       In einer privaten [2][Chatgruppe] verschickte Stefanie R. auch ein
       Hitlerbild mit der Aufschrift „Du bist lustig. Dich vergas ich zuletzt.“ An
       anderer Stelle verschickte sie von einem Einsatz zwei Fotos mit der Frage:
       „Wo bin ich?“ Ein Chatpartner antwortete: „Asylantenheim! Negerbunker.“
       Darauf Stefanie R.: „100 Punkte.“ Der Chatpartner: „100 Kugeln für de neger
       wär ma lieber.“ Worauf Stefanie R. kommentierte: „Hab nur 32.“ Darauf ihr
       Chatpartner: „Glangd a fürs erste.“ Und Stefanie R. wieder: „I derf ned,
       die fangen nich an obwohl i fett angezogen wär.“
       
       ## Nur durch Zufall aufgeflogen
       
       Im Dienst flogen die Nachrichten nicht auf – sondern erst, als ein
       Beschuldigter einer Trunkenheitsfahrt den Verdacht äußerte, dass
       Dienstinterna nach außen gegeben wurden. Die Ermittlungen führten dann zu
       Stefanie R. Im Oktober 2023 wurde ihr Handy beschlagnahmt, im Januar 2024
       erfolgte eine Hausdurchsuchung. Laut dem Polizeipräsidium Oberbayern Süd
       ist Stefanie R. seitdem suspendiert – allerdings bei vollen Dienstbezügen.
       Zudem läuft gegen sie ein Disziplinarverfahren, das bis zum Abschluss des
       Strafverfahrens aber ausgesetzt ist.
       
       Schon im Dezember 2024 stand Stefanie R. dann vor dem Amtsgericht Mühldorf
       – und legte ein Geständnis ab. Wegen der sichergestellten Chats gab es aber
       auch nicht viel zu bestreiten. Das Gericht warf Stefanie R. vor, „völlig
       bedenkenlos“ mit ihren Dienstpflichten umgegangen zu sein und das Vertrauen
       in die Integrität in die Polizei untergraben zu haben. Ihr sei klar
       gewesen, dass sie die Daten nicht hätte weitergeben dürfen. Mit ihren
       rechtsextremen Chatnachrichten habe sie zudem zu Hass und Gewalt gegen
       Asylsuchende aufgestachelt und deren Menschenwürde verletzt.
       
       Das Urteil: eine Freiheitsstrafe von anderthalb Jahren, ausgesetzt auf
       Bewährung, und 5.000 Euro Geldstrafe. Eine Strafe, die ein Ende des
       Beamtenverhältnisses für Stefanie R. bedeuten würde und damit das
       Dienstende. Deshalb legte die Polizistin Berufung gegen das Urteil ein –
       über die nun demnächst verhandelt werden soll.
       
       Und es ist kein Einzelfall. Laut einem [3][Bericht des Bundesamts für
       Verfassungsschutz] von 2024 gab es bundesweit zuletzt 739
       rechtsextremistische Prüffälle in den Sicherheitsbehörden und 364
       erwiesene. Das bayrische Innenministerium teilte der taz mit, dass – Stand
       24. April – gegen 26 Beamt*innen der [4][bayrischen Polizei]
       Disziplinarverfahren wegen des Verdachts auf eine rechtsextreme Gesinnung
       liefen. Vier davon befänden sich schon im Ruhestand, gegen drei liefen
       Verfahren zur Entlassung. Seit 2020 seien insgesamt 67 entsprechende
       Disziplinarverfahren gelaufen, so ein Sprecher.
       
       Die bayrische SPD-Innenexpertin Christiane Feichtmeier, selbst Polizistin,
       sagte der taz, der Fall Stefanie R. habe „alle erschüttert“ und sei ein
       „gravierendes Fehlverhalten“. Der Fall zeige, wie wichtig interne
       Kontrollmechanismen und eine konsequente Aufarbeitung seien. Dass die
       Vorgänge nur durch Zufall aufgedeckt wurden, sei daher „kritisch zu sehen“,
       so Feichtmeier. Man dürfe den Fall aber nicht verallgemeinern – die große
       Mehrheit der Polizei leiste „einwandfreie Arbeit“.
       
       Das Polizeipräsidium Oberbayern Süd erklärte, Konsequenzen im Arbeitsalltag
       habe der Fall Stefanie R. auf der Dienststelle nicht gehabt. Alle Reviere
       würden aber regelmäßig zum Thema unzulässige Datenabfragen und politische
       Treuepflicht sensibilisiert.
       
       25 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Militarisierung-der-Polizei/!6084187
 (DIR) [2] /Beamte-verherrlichen-Nazis-in-Chats/!6070259
 (DIR) [3] https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/rechtsextremismus/2024-07-lagebericht-rechtsextremisten-in-sicherheitsbehoerden.pdf?__blob=publicationFile&v=10
 (DIR) [4] /Militarisierung-der-Polizei/!6084187
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Rechtsextremismus
 (DIR) Sicherheitsbehörden
 (DIR) Bayern
 (DIR) Polizei
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Polizei Niedersachsen
 (DIR) Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
 (DIR) Polizei Hamburg
 (DIR) Polizei Hessen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Rechte Polizeichats in Niedersachsen: 31 Einzelfälle auf einen Streich
       
       Gleich zwei Polizeichats mit rechtsextremen Inhalten sind im September in
       Niedersachsen aufgeflogen. Die Innenministerin sieht kein strukturelles
       Problem.
       
 (DIR) Militarisierung der Polizei: Es weht ein bayerischer Wind
       
       CSU-Innenminister Alexander Dobrindt steht für Law and Order. Das passt zu
       einem Trend, der Polizeibeamten immer mehr Befugnisse gibt.
       
 (DIR) Beamte verherrlichen Nazis in Chats: Rassismus-Razzia bei Hamburger Polizisten
       
       Wohnungen und Diensträume von 15 Beamten werden durchsucht. Innenbehörde
       wirft ihnen vor, sich in Chats rassistisch geäußert zu haben
       
 (DIR) Rechtsextreme Polizeichats in Hessen: Ungestraft hetzen in Frankfurt
       
       Frankfurter Polizisten verschickten rechtsextreme Chats. Nun ist klar:
       Sie müssen nicht vor Gericht. Verband sieht „fatale Signalwirkung“.