# taz.de -- Historie des Hamburger HipHop: Digga, check das Denkmal
       
       > Die Musik- und Buch-Compilation „Eine Stadt wird bunt“ dokumentiert
       > Hamburger HipHop-Geschichte als Zeugnis einer DiY-Ära mit rebellischem
       > Slang.
       
 (IMG) Bild: Kinder, wie die Zeit vergeht. HipHop-Mob beim „X-Mas Jam“ in der Hamburger Markthalle, Dezember 1993
       
       Eine Sprühdose zischt, eine S-Bahn fährt quietschend vorbei, dann beginnt
       ein düsterer Beat und eine Stimme erzählt: „Sie nennen sich Writer, zu
       Deutsch: Schreiber. Denn alles fing mit dem Taggen an, mit dem Schreiben
       ihrer Fantasienamen, die im Laufe der Zeit zu kleinen Kunstwerken
       verfeinert wurden.“
       
       Am Ende des Tracks erklärt die Stimme, [1][wie das dreifaltige Herz des
       HipHop aussieht]: Graffiti sei die Schriftsprache, Rap die Wortsprache und
       Breakdance die Körpersprache der „Kids und Youngsters“, um „lustvollen
       Protest“ auszudrücken.
       
       Ein Gleichnis, das aus alten Graffiti-Dokus stammt, die Musik von einer
       DAT-Kassette, die mehr als ein Vierteljahrhundert in einer Hamburger
       Schublade schlummerte. Aufgenommen hatte sie Ende der 1990er Björn
       Stoffers, genannt Bubblez, Produzent der HipHop-Crew Doppelkopf.
       
       ## Komplexe Entstehung
       
       Ausgegraben wurde das Tape von Oliver „O-Lee47“ Herbst, einst DJ der
       Hamburger HipHop-Crew City Nord. Heute Inhaber des Labels Platin Mukke, von
       Falk Schacht, Rapper und Musikjournalist und einigen anderen. Über zwei
       Jahre haben sie für die Compilation „Eine Stadt wird bunt. Hamburg
       HipHop-History 1989–1999“ recherchiert, um zu erzählen, wie diese Subkultur
       allmählich heranwuchs und weshalb diese Geschichte komplex war – um den zum
       Teil vergessenen Pionieren ein Denkmal zu setzen. Bubblez’ Beats fungieren
       dafür als Auftakt.
       
       Entstanden war die Idee im Anschluss an das Projekt „Eine Stadt wird bunt“,
       das 2021 mit einem Buch und einer Ausstellung die Graffiti-Historie der
       Hansestadt von 1980 bis 1999 dokumentierte. Bei den Kuratoren Mirko Reisser
       und Oliver Nebel reifte seinerzeit der Wunsch, auch die musikalische
       Geschichte von HipHop in Hamburg zu erforschen. Das beeindruckende Ergebnis
       zeigt nun ein Triplealbum mit 110 meist raren und bislang
       unveröffentlichten Songs und Skits.
       
       Als es losging, das klingt auch heute ungeschliffen und voller roher
       Energie, wie ein geliebtes altes Mixtape: raue Beats, kratzige Samples und
       Stimmen zwischen Stolz, Witz und Wut. Mit solchen Stilmitteln entwickeln
       Jugendliche in den 90ern eine lokale, aus den USA abgeleitete Subkultur und
       schaffen es, in ihrer Stadt etwas Eigenes zu kreieren.
       
       ## Frühe Tags
       
       Von den ersten Tags auf S-Bahn-Waggons, von Clubnächten in der Roten Flora,
       in denen DJs Platten scratchten, während Sprayer Skizzen tauschten. Auch
       die Musik beweist, dass HipHop an der Elbe zu einer neuen Geheimsprache
       wurde – Ausdruck für Spaß, Protest und Identität. Viele Tracks
       thematisieren die neue Kultur, Alltagsleben in den Stadtteilen, den Kampf
       gegen Rassismus und Polizeigewalt oder die Magie einer HipHop-Jam im
       Jugendzentrum.
       
       Dazu gibt es ein aufwendig gestaltetes Booklet im Albumformat, mit Fotos
       von bemalten Zügen und Konzerten, Abbildungen von handgeschriebenen Reimen,
       Flyern, Skizzenbüchern, Platten- und Kassettenhüllen und jeder Menge
       Anekdoten.
       
       In Texten von Dennis Kraus erzählen Pioniere vom House-Produzenten Peter
       Römer, der den Raptalenten zeigt, wie man Beats baut; von ersten
       HipHop-Tracks auf Vierspur-Rekordern; oder [2][von der Bedeutung, die der
       Britcore-Sound] damals für die Szene hatte. Und natürlich von ersten
       Chartstürmern wie Fettes Brot, [3][den Absoluten Beginnern] und Samy
       Deluxe, die den Hamburger HipHop-Slang Ende der 90er ins ganze Land
       brachten.
       
       ## Integres Handling
       
       Dabei zeigen Musik und Buch, wie vielfältig der Aufbruch war und in welchem
       Spannungsfeld sich HipHop in Hamburg entwickelte. Entscheidenden Anteil
       hatten etwa die linke Szene und der Punk mit seiner DIY-Ethik. Bands wie
       [4][Die Goldenen Zitronen, deren Ur-Schlagzeuger Ale Dumbsky 1987 das Label
       Buback mitgründete], brachten eine Haltung mit, die auch Rapper:Innen
       inspirierte – gegen den Mainstream, für integres Handling.
       
       Buback, ursprünglich Punk-Label, öffnete sich 1993 mit dem Sampler „Kill
       the Nation with a Groove“ dem HipHop und veröffentlichte auch das
       Debütalbum der Absoluten Beginner. Auf der anderen Seite gab es Yo Mama,
       1994 von André Luth gegründet, ein Label, das auf Künstler wie Fettes Brot
       und Fünf Sterne deluxe setzte und zusammen mit Eimsbush zum Zentrum des
       Deutschrap wurde.
       
       Während Buback eine raue, politische Kante bewahrte, war Yo Mama pop- und
       kommerzorientierter. Die feinen Unterschiede schufen eine Vielfalt, die
       sich in Treffpunkten wie der Hafenstraße oder [5][Plattenläden wie „Groove
       City“,] wo Sprayer, Punks und Rapper ihre Ideen tauschten, vernetzte – das
       machte HipHop in der Stadt so lebendig.
       
       Daher ist „Eine Stadt wird bunt“ mehr als nur ein Rückblick: es ist eine
       Liebeserklärung an eine Ära, in der hanseatische Jugendliche ihre eigene
       Kultur schufen – ohne Algorithmen und Marketing, dafür mit Plattenspieler,
       Mikrofon, Spraydose und viel Herzblut. Für HipHopper:innen ist das ein
       großer Schatz. Und für alle anderen eine tolle Einladung, ein besonderes
       Kapitel von Deutschrap neu zu entdecken.
       
       16 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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