# taz.de -- Streit um Anerkennung in Hamburg: Liberale Juden verklagen den Senat
       
       > Der Israelitische Tempelverband fordert Anerkennung als öffentliche
       > Körperschaft – neben der Einheitsgemeinde – und den Wiederaufbau seiner
       > Synagoge.
       
 (IMG) Bild: Hat im Hinterhof das Pogrom überstanden: Synagoge Poolstraße
       
       Hamburg taz | Die liberale jüdische Gemeinde Hamburgs – der Israelitische
       Tempelverband – hat beim Verwaltungsgericht Klage gegen den Hamburger Senat
       eingereicht. Der Tempelverband möchte als Körperschaft des öffentlichen
       Rechts anerkannt und damit der Jüdischen Gemeinde, also der jüdischen
       Einheitsgemeinde, gleichgestellt werden. Das entsprechende Antragsverfahren
       laufe nun schon seit fünf Jahren. Außerdem geht es dem Tempelverband darum,
       seine 1844 fertiggestellte Synagoge als Sinnbild für den Ursprung des
       Reformjudentums wieder herzurichten und zu nutzen.
       
       Der Tempelverband kritisiert, dass die Einheitsgemeinde für sich
       beansprucht, alle jüdischen Gemeinden in Hamburg zu vertreten. Durch die
       alleinige Anerkennung als Körperschaft öffentlichen Rechts sei sie
       „faktisch Monopolgemeinde im Staatskirchenrecht“. So hat der Senat etwa den
       Staatsvertrag für das Judentum nur mit der Einheitsgemeinde geschlossen.
       
       Sergio Bergman, der Präsident der World Union of Progressive Judaism
       (WUJP), der am Donnerstag zur Pressekonferenz nach Hamburg gekommen war,
       erklärte das Modell der Einheitsgemeinde für gescheitert. Es widerspreche
       nicht nur der Vielfalt jüdischen Lebens, sondern auch demokratischen und
       menschenrechtlichen Grundsätzen. „Der Israelitische Tempelverband ist die
       Muttergemeinde des weltweiten progressiven Judentums“, sagte Bergman. „Ihre
       anhaltende strukturelle Diskriminierung ist ein Affront gegen die jüdische
       Geschichte und Gegenwart zugleich.“
       
       Bergman spielte darauf an, dass in Hamburg 1817/1818 die weltweit erste
       Reformsynagogengemeinde gegründet wurde. Dabei ging es darum, die religiöse
       Praxis mit der Teilhabe an der Gesellschaft vereinbar zu machen. Diese
       Gemeinde sei erst 1938 durch das Nazi-Regime aufgelöst worden, sagte Eike
       Steinig, der stellvertretende Vorsitzende des Tempelverbandes, der für sich
       beansprucht, den Verein von 1817/1818 mit dem damaligen Namen fortzuführen.
       
       ## Verweis auf Bundesverwaltungsgericht
       
       Steinig verweist auf ein [1][Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von
       1997]. Demzufolge ist die Israelitische Synagogen-Gemeinde (Adass Jisroel)
       zu Berlin weder unter der Herrschaft des Nationalsozialismus noch in deren
       Folge nach dem zweiten Weltkrieg untergegangen. Dabei hat das Gericht die
       Identität – und nicht bloß die Rechtsnachfolge – der neuen mit der alten
       Gemeinde festgestellt sowie deren rechtlich ununterbrochenen Fortbestand
       als Körperschaft des öffentlichen Rechts von 1885 bis heute. Gleiches gilt
       aus Sicht der Hamburger Gemeinde auch in ihrem Fall.
       
       „Wir wollen unsere historischen Rechte zurückbekommen“, sagte
       WUPJ-Präsident Bergman. Die WUPJ erwarte, dass Hamburg das Erbe seiner
       liberalen jüdischen Geimeinde schütze, fördere und sichtbar mache. Deshalb
       müsse die alte Synagoge in der Poolstraße „als geistiges, religiöses und
       kulturelles [2][Zentrum für das progressive Judentum] weltweit
       wiederhergestellt und in die Obhut der rechtmäßigen Erbengemeinde – des
       Israelitischen Tempelverbandes – überführt werden“.
       
       Der Hamburger Senat verweist darauf, dass der Tempelverband den Tempel in
       der Poolstraße schon 1931 – vor Beginn der Naziherrschaft – aufgegeben habe
       und in einen Neubau gezogen sei. Im Zuge eines Restitutionsverfahrens 1954
       habe die Jewish Trust Corporation gegen die Zahlung von 20.000 Mark auf
       alle Ansprüche auf das Grundstück verzichtet.
       
       Um das historische Erbe des Tempels zu bewahren, kaufte der Senat 2020
       wiederum das Grundstück. Derzeit werde geprüft, wie das lädierte Gebäude zu
       einem Ort der Erinnerung hergerichtet werden könnte. Daran würden „alle
       interessierten Akteure“ – insbesondere die Jüdische Gemeinde und der
       Israelitische Tempelverband – beteiligt. Anfang des Jahres [3][präsentierte
       der Senat einen virtuellen Rundgang], mit dem sich vor Ort erkunden lässt,
       wie es hier früher einmal aussah.
       
       ## Senat sieht keine Ungleichbehandlung
       
       Das Erbe der jüdischen Gemeinden wird aus Sicht des Senats von der
       Jüdischen Gemeinde fortgeführt, die im Sommer 1945 von Mitgliedern der
       Deutsch-Israelitischen Gemeinde – dem Dachverband des Israelitischen
       Tempelverbandes – gegründet worden sei. 1947 wurden ihm die Rechte einer
       Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen.
       
       Der Senat gibt an, die jüdischen Gemeinden pro Kopf zu fördern. Dem
       Israelitischen Tempelverband habe er kostenfrei Räume in der Israelitischen
       Töchterschule überlassen. Vor diesem Hintergrund könne der Senat „[4][eine
       etwaige Ungleichbehandlung zwischen den jüdischen Gemeinden Hamburgs] nicht
       erkennen“.
       
       26 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://adassjisroel.de/gestern/wiedereinsetzung-als-altkorporierte-k-d-oe-r-im-vereinten-deutschland-1988-1997/
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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