# taz.de -- Buchvorstellung „Capital B“: Die Party versaut
       
       > Die erfolgreiche Doku-Serie „Capital B“ über den Ausverkauf Berlins
       > stimmte wütend. Nun gibt es auch ein Buch dazu.
       
 (IMG) Bild: Das Kunsthaus Tacheles in den Neunzigern – heute ein seelenloser Ort des Kapitals
       
       Das Berlinern steckt an, bemerkt Moderatorin Marion Brasch. Tatsächlich
       braucht es knapp zehn Minuten, bis die Schriftstellerin und
       Radio-Eins-Journalistin und Johnnie Stieler, seines Zeichens Mitbegründer
       des [1][Technoclubs Tresor], miteinander Stadtsprache reden. Florian Opitz,
       um dessen Buch es am Donnerstagabend im Heimathafen Neukölln geht, bedient
       sich eines elastischen Zungenschlags.
       
       Und doch hat der Zugezogene, Opitz ist Saarländer wie der
       DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker – den Hinweis verkneift sich der
       Autor und Regisseur nicht –, auf knapp 400 Seiten und in fünf Kapiteln ein
       böse und genaue Hauptstadtgeschichte geschrieben. Vielleicht brauchte es
       den Außenblick für „Capital B“, im Untertitel „Zwischen Anarchie und
       Ausverkauf. Die Geschichte Berlins von 1989 bis heute“.
       
       Entstanden ist das Buch aus den 130 Stunden Interviewmaterial, das Opitz in
       einer sechsjährigen Recherche für [2][die Doku-Serie „Capital B“
       zusammengetragen hat]. Deren Untertitel „Wem gehört Berlin?“ lässt an einen
       Klassiker des proletarisch-revolutionären Kinos denken, Slatan Dudows
       „Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt“ aus dem Jahr vor 1933 mit der Musik
       von Hanns Eisler.
       
       Eine Kriminalgeschichte mit Musik 
       
       Musik spielt in „Capital B“ eine große Rolle, Opitz hat unter anderem
       Love-Parade-Mitbegründerin Danielle de Picciotto interviewt. Über weite
       Teile aber ist „Capital B“, ob Buch oder Film, eine Kriminalgeschichte.
       Marion Brasch meint, sie habe die Serie wie ein Shakespeare-Drama gesehen.
       
       Beginnen lässt sie es kurz vor der Maueröffnung, die ihr den Westen zu
       Füßen gelegt hat, so Brasch. Mit ihr, Stieler und Opitz sitzen auf der
       Bühne die Schriftstellerin und Filmemacherin Güner Yasemin Balcı und der
       Stadtsoziologe Andrej Holm.
       
       Die bekennende Neuköllnerin Balcı und der in Hohenschönhausen aufgewachsene
       Holm, zu Wendezeiten Hausbesetzer in Mitte, sprechen Hochdeutsch.
       Westberlin war eine Insel und Transitpunkt nach Istanbul, erinnert sich
       Balcı.
       
       Holm spricht von einer behüteten Kindheit und einer aufregenden Jugend;
       Stieler evoziert die verdämmernde DDR, depressive Bullen und rötlichen
       Nebel. Berlin war dunkel, war dreckig, war Kohlenstaub, ergänzt Brasch. Und
       die Freiheit, die man sich nahm, betont Stieler. Eine Freiheit, die er der
       Instagram-Jugend an das Herz legen möchte.
       
       Der große Rausch der neunziger Jahre ist ausgiebig erzählt worden. „Capital
       B“ macht, was dringend nötig ist, es versaut die Party. Florian Opitz
       spricht von „Abbau Ost“. „Die Immobilienfritzen haben Monopoly gespielt,
       [3][während wir tanzen waren]“, sagt Holm. Das Ergebnis ist das Berlin des
       Jahres 2025, eine geteilte Gesellschaft wie Istanbul oder New York, meint
       Balcı. Ihr Hauptstadtstimmung pendelt zwischen Traurigkeit und Wut, sagt
       sie noch.
       
       Gib uns doch mal Hoffnung, Andrej, bittet Brasch Holm. Er verweist auf den
       [4][Mietendeckel 2020/21]: „Der wäre in München undenkbar gewesen.“ Opitz
       betont: „Das Besondere an Berlin sind die Widerstände. Da gucken andere
       Städte drauf.“ Und nach einer Pause: „Wir sind durch die Kriege gelähmt.
       Darauf setzt die Gegenseite.“ Es ist der praktische Teil des Abends. Noch
       einmal Andrej Holm: „Wir hätten nicht die Häuser, sondern die
       Wohnungsbaugenossenschaften besetzen sollen.“
       
       25 Jun 2025
       
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