# taz.de -- Massive Luftangriffe auf die Ukraine: Im Kampf gegen die Shahed-Drohnen
       
       > Russlands Drohnen fliegen nicht nur höher als bisher, es kommen auch
       > deutlich mehr auf einmal. Die ukrainische Luftabwehr muss ihre Taktik
       > ändern
       
 (IMG) Bild: Feuer und Rauch über der ostukrainischen Großstadt Charkiw nach einem russischen Angriff auf ein Wohngebiet in am 7. Juni 2025
       
       Charkiw taz | Das wohl größte Problem im ukrainisch-russischen Krieg ist
       aktuell die Sicherstellung des Luftabwehrsystems. Die russische Infanterie
       kann gerade in der Ukraine vorrücken, weil Russlands taktische Luftwaffe
       die vorderen Stellungen der ukrainischen Verteidigung mit Lenkbomben
       zerstört.
       
       Um die Logistik, die Versorgung und die militärischen Stellungen
       sicherzustellen, benötigt die Ukraine Mittel der elektronischen
       Kriegsführung und der Luftabwehr. Der Bedarf an beidem ist aktuell größer
       als bisher, da die russische Armee jetzt bei der Zerstörung von Städten und
       Zivilbevölkerung die „tschetschenische Taktik“ anwendet, also versucht,
       durch asymmetrische Kriegsführung die Ukrainer zu zermürben.
       
       Bereits im März 2025 hatte die ukrainische Militäraufklärung davor gewarnt,
       dass die russische Armee geplant habe, bis zur Mitte des Sommers die Zahl
       der auf die Ukraine abgefeuerten Shahed-Drohnen auf bis zu 500 täglich
       auszuweiten.
       
       ## Hilfe aus Deutschland
       
       Um mit dieser Bedrohung fertig zu werden, braucht die Ukraine die Hilfe
       ihrer Partner. Im April hatte der deutsche Verteidigungsminister Boris
       Pistorius erklärt, dass Deutschland der Ukraine vier
       Iris-T-Luftabwehrsysteme und 300 dazugehörige Raketen liefern werde, und
       bereits dreißig Raketen für die Patriot-Systeme übergeben habe. [1][Am 28.
       Mai unterzeichneten Pistorius und sein ukrainischer Amtskollege Rustem
       Umerow] ein Abkommen über die deutsche Finanzierungshilfe für die
       Entwicklung der ukrainischen Rüstungsindustrie.
       
       Darüber hinaus unterzeichneten Umerow und das deutsche Rüstungsunternehmen
       Diehl einen Vertrag über die Lieferung von Luftabwehrsystemen und
       entsprechender Munition an die Ukraine. Außerdem bemüht sich die Ukraine
       darum, eine Lizenz für die Produktion von Raketen für westliche
       Luftabwehrsysteme zu erhalten.
       
       Allerdings dient der Großteil dieser Waffen in erster Linie der Abwehr von
       Raketenangriffen. Und wie sich in den letzten Wochen gezeigt hat, sind
       Russlands Möglichkeiten dafür erheblich eingeschränkt. Eine immer stärkere
       Rolle spielen jetzt die massiven Angriffe mit Shahed-Drohnen.
       
       ## Kaum ein Tag ohne massiven Drohnenbeschuss
       
       Fragt man die Flakschützen der 115. motorisierten Schützenbrigade im Gebiet
       Charkiw: „Und was, wenn es heute ruhig bleibt?“, dann lachen sie nur. In
       den letzten Wochen gab es nur einen Tag, an dem sie nicht mit russischen
       Drohnen zu tun hatten.
       
       Trotz massiven Flakfeuers mit der SU-23-2 und Beschuss mit großkalibrigen
       Maschinengewehren wurden die Shaheds nicht getroffen. Das ist aber kein
       Zeichen für Unerfahrenheit oder mangelnde Vorbereitung der Flakschützen.
       Auch fehlt es ihnen nicht an Munition. Alle hier in der Brigade haben
       jahrelange Kampferfahrung und schon zahlreiche gegnerische Ziele
       unschädlich gemacht.
       
       Das Problem ist ein anderes. Russland hat seinen Shahed-Einsatz verändert:
       Während die Drohnen zu Kriegsbeginn auf einer Höhe von 800 Metern flogen,
       kommen sie jetzt auf mehr als 3.000 Meter angeflogen und sind damit für
       Handfeuerwaffen kaum noch erreichbar.
       
       ## Bis zu 500 Drohnen pro Tag
       
       Der Kommandeur der Flugabwehrabteilung SU-23-2 der 115. Selbständigen
       mechanisierten Brigade, Kampfname „Hasan“, der seit dem 27. Februar 2022 im
       Kriegseinsatz ist, bestätigt, dass die Zahl der Shaheds seit Jahresbeginn
       massiv angestiegen ist. Wahrscheinlich werden die Drohnen seitdem
       tatsächlich in Russland selbst produziert. Ursprünglich stammen sie aus
       iranischer Produktion.
       
       „Hasan“ konstatiert, dass die wirksamste Waffe gegen die Shahed-Drohnen
       derzeit nur Abfangdrohnen sind und es absolut notwendig sei, diese anstelle
       von Handfeuerwaffen einzusetzen: „Ich sage Ihnen ganz ehrlich, wir müssen
       diese Waffen einfach abgeben und alle massiv zu Abfangjägern umschulen.
       Denn während wir mit einer Handfeuerwaffe vielleicht eine Drohne erwischen,
       kann man mit FPV-Flugabwehrdrohnen gleich fünf abschießen.“
       
       Auch mit dem US-amerikanischen tragbaren Flugabwehrraketensystem Stinger
       könnten Drohnen effektiv abgeschossen werden, erklärt „Hasan“. Aber die
       Militärs ziehen es vor, sich nicht dazu zu äußern, dass die US-Regierung
       von Donald Trump gerade 20.000 Raketen für tragbare
       Flugabwehrraketensysteme in den Nahen Osten statt in die Ukraine geliefert
       hat.
       
       ## Zahlreiche Großangriffe auf Charkiw im Juni
       
       Was dieser massive Drohnenbeschuss für die Menschen in der Ukraine
       bedeutet, konnte man aktuell [2][an dem Großangriff auf Kyjiw vom 17.
       Juni], aber auch in Charkiw sehen. Die Stadt in der Ostukraine wurde in der
       vergangenen Woche mehrfach massiv mit Shahed-Drohnen, Raketen und
       Lenkbomben beschossen. Die schwersten Angriffe gab es am [3][5., 7., 11.
       und 12. Juni.] Dabei wurden 14 Menschen getötet und 119 verletzt, darunter
       12 Kinder. Dutzende Menschen sind noch in Krankenhäusern.
       
       Das Ausmaß der Zerstörung ist enorm: Weit über hundert Wohnhäuser,
       städtische Infrastruktureinrichtungen, ein Friedhof, ein Trolleybusdepot,
       Trolleybusse, ein Kinderspielplatz und ein ziviles Unternehmen wurden
       beschädigt.
       
       Die Frage, ob ausländische Hilfe erforderlich ist, um die Produktion von
       Abfangdrohnen in der Ukraine aufzunehmen, ist offen. Es scheint aber, dass
       die Produktion einfach massiv ausgebaut werden muss. Und weder der Staat
       noch die regionalen Behörden und Militärverwaltungen sollten sich aus
       diesem Prozess heraushalten. Denn gerade die Kommunen verfügen über die
       finanziellen Ressourcen und sind in der Lage, den Luftraum ihrer Siedlungen
       zu schützen, wenn schon nicht vor Raketen, dann zumindest vor den
       zerstörerischsten Drohnen, die es in der Geschichte des Krieges gibt, den
       Drohnen vom Typ Shahed.
       
       Aus dem Russischen: [4][Gaby Coldewey]
       
       19 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] /Krieg-in-der-Ukraine/!6091548
 (DIR) [3] /Krieg-in-der-Ukraine/!6093343
 (DIR) [4] /Gaby-Coldewey/!a23976/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Juri Larin
       
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