# taz.de -- Berliner Foto-Agentur Ostkreuz: Bei gutem Wetter feiernd die Mächte bekämpfen
       
       > Halb Berlin war an den Ufern des Schlachtensees. Am anderen Ende der
       > Stadt feiert derweil die Fotograf*innen-Agentur Ostkreuz.
       
 (IMG) Bild: Kyiv Mules und das Motto „Lang lebe die Fotografie“: Jubiläum bei Ostkreuz
       
       Die Schwalben flitzen wieder durch den Himmel, ihr Jubilieren ist das
       allerschönste Geräusch des noch jungen Sommers. Das Wetter hat den
       Saisonwechsel jetzt auch mitgekriegt, endlich ein Hitzewochenende.
       
       Am Donnerstag eröffnet der Berliner Textilkünstler Raul Walch seine
       Solo-Schau bei Eigen + Art in der Auguststraße. Sie heißt „Agree to
       Disagree“, wie das Versöhnlichere von den beiden Motti des Moments. (Das
       andere ist: „Bist du nicht mein Freund, bist du mein Feind“.) Es gibt
       Glückskekse und gletscherkaltes Bier, der Markenname „Glucks“ auf dem
       Etikett lächelt wie ein Smiley. Eine gewebte Wandarbeit im Obergeschoss
       verspricht: „Be Patient! Calming News is On It’s Way“. Oder eben nicht.
       
       Vor der Galerie lässt man sich von der Abendsonne grillen, einer von
       mehreren Mannschaftswagen der Polizei bietet Schatten, aber die Herren in
       den schwarzen Anzügen und mit den Knöpfen im Ohr an jeder Ecke verbreiten
       doch ein wenig Nervosität. „Man traut sich ja kaum noch, laut
       ‚linksradikal‘ zu sagen“, versucht sich eine der [1][herumstehenden
       Kunst-Ultras] an einem tagesaktuellen Witz. Warum der Auftrieb? Nebenan in
       Bärchens Knallhaus findet, heißt es, ein Fundraiser statt. Der wendige
       Hobby-Boxer Joe Chialo, im burgunderfarbenen Anzug, verschwindet schnellen
       Schrittes im hochgesicherten Festsaal.
       
       Am Abend des Freitages, an dem es wie gewohnt noch mehr sehr schlechte
       Nachrichten gegeben hatte, spielt die große Cat Power im Admiralspalast
       [2][Bob-Dylan-Coversongs] aus dessen Protestphase 1966. Statt lang und
       dunkelbraun trägt die Musikerin die Haare jetzt blondiert und bis zum Kinn,
       dazu einen Bündnis-90-grünen Hosenanzug und eine Statement-Kette um den
       Hals. Ich raune meiner Begleitung zu: „Is she cosplaying Angela Merkel just
       a little bit?“
       
       ## Die Stimme von Cat Power
       
       Sicher ist, dass die Stimme der Sängerin über die Jahre noch besser
       geworden ist, dunkler und mit mehr Bandbreite. Ich denke: „Die Marianne
       Faithful unserer Generation.“ Was einer halt so in den Kopf schießt, wenn
       die Musik zu Tränen rührt. Zwischendurch macht Cat Power Ansagen, aus denen
       deutlich wird, wie sehr sie die weltpolitische Großwetterlage anfasst. „Mr.
       Tambourine Man“ widmet sie mit brechender Stimme allen Kindern, „die diesen
       Song nicht mehr kennenlernen werden“.
       
       Am Ende ruft sie, die Faust in die Höhe gereckt: „Keep your chin up! Fight
       the Power. You’re looking good!“ Der Saal erhebt sich applaudierend aus den
       Polstersitzen, auch die langbezopften, natürlicherweise weißblondierten
       Dylan-Ultras der ersten Stunde in ihren Fan-Shirts.
       
       Am Samstag erst mal ein Eis zum Frühstück. Sizilianische Pistazie ist
       Matcha-Erdbeere haushoch überlegen. Am Nachmittag hat sich scheinbar die
       halbe Stadt ans [3][Ufer des Schlachtensees] geknallt. Ein paar Girls malen
       sich mit einem Hennastift temporäre Tattoos aufs Steißbein, man sagt
       glücklicherweise nicht mehr „Tramp Stamp“ dazu. Ganz in der Nähe
       veranstaltet die Direktorin des Hauses am Waldsee, Anna Gritz, ein
       Geburtstagspicknick im immer umwerfenden Garten der Kunstinstitution.
       Nachts-im-Museum-Vibes.
       
       ## Ostkreuz feiert
       
       Am anderen Ende der Stadt, in Weißensee, feiert derweil die
       Fotograf*innen-Agentur Ostkreuz ihr 35. Jubiläum mit einem Hoffest, auf dem
       Kyiv Mules serviert werden und kurz vor Mitternacht eine Motivtorte: eine
       Kamera, ein Analogfilm, ein Schriftzug: „Lang lebe die Fotografie“. Über
       den Feiernden surrt eine Drohne, aber es ist nur Harald Hauswald, der einen
       Dokumentarfilm dreht.
       
       Derweil funkt der in Nahost stationierte T. ein Video aus Beirut weiter, in
       dem man vergnügte Partypeople auf dem Dach eines Gebäudes zu Glitzer-House
       tanzen sieht, am Nachthimmel verglühen die Raketen, die Iran auf Tel Aviv
       niederregnen lässt. Wie Feuerwerk im Rückwärtsgang, Hashtag #onlyinlibanon.
       Aus New York kabelt L. von der verregneten „No-Kings“-Demo gegen die
       trumpistische Feudalherrschaft. Auf dem Foto ein selbst gemaltes Plakat in
       der Menge: „Abolish ICE“.
       
       16 Jun 2025
       
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