# taz.de -- Social Media im Wahlkampf: Nur ein Like bis zur Wahl
       
       > Social Media wurde vor der Bundestagswahl 2025 zur Wahlkampfbühne. Wie
       > nutzten die Parteien das Potenzial? Und wie kam die AfD zu ihrem
       > Netzwerk?
       
 (IMG) Bild: Nicht nur auf TikTok erfolgreich: Heidi Reichinnek beim Bundesparteitag der Linken im Mai
       
       Berlin taz | Knapp zwei Drittel der Menschen in Deutschland nutzen
       regelmäßig Social-Media-Plattformen. Besonders junge Menschen verbringen
       viel Zeit auf Tiktok, Instagram und Co – im Schnitt über zwei Stunden
       täglich. Kein Wunder, dass die Plattformen auch für Wahlkämpfe immer
       wichtiger werden.
       
       Eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit dem
       Progressiven Zentrum untersucht, wie die Parteien Instagram und Tiktok im
       Bundestagswahlkampf 2025 nutzen. [1][Das Ergebnis: Über die Hälfte aller
       Beiträge der offiziellen Accounts von Parteien oder Kandidat:innen
       richteten sich an junge Menschen].
       
       Die rechtsextreme AfD nutzte Social Media vor allem, um ihre Agenda zu
       verbreiten. Laut Studie sprach die Partei junge Menschen am wenigsten an.
       Und doch wird der AfD immer wieder nachgesagt, gerade auf Tiktok besonders
       erfolgreich zu sein. Ein Widerspruch?
       
       Nur auf den ersten Blick. Melanie Weiser, eine der Autorinnen der Studie,
       erklärt, dass die AfD früh das Potenzial von Social Media erkannt habe. Die
       Partei habe sich ein Netzwerk aufgebaut, das weit über ihre offiziellen
       Accounts hinausreicht. Die inoffiziellen Accounts verbreiten die Inhalte
       der Partei teils noch radikaler und erzielen dabei große Reichweite, was
       die AfD so sichtbar auf Tiktok mache, meint Weiser.
       
       ## Negative Aufmerksamkeit
       
       Tiktok lebt von kurzen Inhalten, die emotionalisieren und polarisieren.
       Genau das nutzt die AfD. Die Plattform verstärkt durch ihre Algorithmen
       Inhalte, die besonders viel Interaktion (etwa Likes und Kommentare)
       erzeugen – positive wie negative. Auch von negativer Aufmerksamkeit
       profitiert die AfD.
       
       In den Studienergebnissen fällt auf: 64 Prozent der Beiträge stellten die
       eigene Politik positiv dar. Verbale Angriffe auf andere Parteien waren
       insgesamt selten; und wenn am häufigsten von der rechtsextremen AfD und dem
       populistischen BSW. Insgesamt nutzten die Parteien die
       plattformspezifischen Möglichkeiten kaum. Während die AfD am meisten
       Selfies postete und Die Linke vor allem auf Infografiken setzte, blieb die
       kreative Nutzung von Social Media äußerst zurückhaltend.
       
       Außerdem war die AfD zum ersten Mal nicht die Partei mit der höchsten
       Reichweite, seitdem Social Media in deutschen Wahlkämpfen genutzt wird. Die
       Linke hatte insgesamt die erfolgreichste Präsenz, vor allem durch
       Influencer:innen-Kampagnen und wegen [2][der großen Popularität der
       Fraktionsvorsitzenden Heidi Reichinnek].
       
       Insgesamt hatte die Partei die höchsten Aufrufzahlen, obwohl sie nicht die
       meisten Beiträge veröffentlichte, zeigt eine Erhebung der
       [3][Friedrich-Ebert-Stiftung]. Auch dürfte die Linke von ihrer klaren
       Gegenhaltung beim Thema Migration profitiert haben. Während alle Parteien
       Migration als zentrales Thema ansprachen, das besonders von der CDU und den
       Grünen negativ besetzt wurde, fokussierte sich die Linke auf soziale
       Gerechtigkeit und Wohnraum. Damit sprachen sie – im Gegensatz zur CDU und
       AfD – gezielt Themen an, die junge Menschen besonders beschäftigen. Die
       Ergebnisse werfen grundsätzliche Fragen über die Berücksichtigung von
       jungen Perspektiven in Parteien auf.
       
       ## Algorithmische Empfehlungssysteme
       
       Der Medienpädagoge Niels Brüggen betont die Dynamik, die Algorithmen auf
       Social Media erzeugen: Sie zeigen den Nutzer:innen mehr Inhalte, die der
       eigenen Meinung entsprechen, und verstärken so bestehende Einstellungen.
       „Solche Effekte kennt man auch bei klassischen Medien“, sagt Brüggen, „aber
       durch algorithmische Empfehlungssysteme werden sie verstärkt.“
       
       Brüggen fordert mehr politische Bildungsarbeit: Junge Menschen müssten
       befähigt werden, Inhalte einzuordnen und kritisch zu hinterfragen. Dabei
       müsse die Förderung von Medienkompetenz und von demokratischem Handeln
       zusammenspielen. Junge Menschen müssen erst lernen, wie demokratisches
       Aushandeln von Konflikten geht. Schulen und Vereine müssten hierfür Räume
       schaffen. Gerade weil Schulen oft hierarchisch organisiert sind und wenig
       Möglichkeiten für aktives Mitgestalten bieten. Politische Meinungsbildung
       erfolge nämlich nicht nur durch Social Media, sondern das soziale Umfeld
       spiele ebenfalls eine erhebliche Rolle.
       
       Die Studie der Bertelsmann Stiftung und dem Progressiven Zentrum zeigt: Die
       Parteien haben das Potenzial von Social Media für ihren Wahlkampf erkannt.
       Dass sich allerdings junge Menschen immer weniger politisch gehört fühlen,
       während populistische Inhalte algorithmisch verstärkt werden, ist ein
       Problem. Sowohl für die politische Debatte als auch für die Demokratie
       insgesamt.
       
       Hinweis der Redaktion: Im letzten Absatz haben wir zunächst geschrieben:
       „Die Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt…“. Diesen Satz haben wir nun
       ergänzt und ein „und dem Progressivem Zentrum“ angefügt.
       
       6 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.progressives-zentrum.org/publication/pov-wahlkampf-politische-kurzvideos/
 (DIR) [2] /Linke-Politikerin-Heidi-Reichinnek/!6063355
 (DIR) [3] https://www.fes.de/sozial-und-trendforschung/bundestagswahl-auf-tiktok
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Leyla Roos
       
       ## TAGS
       
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