# taz.de -- G 7-Gipfeltreffen als Zombiefilm: Weltpolitik in Schräglage
       
       > In „Rumours – Tanz der Titanen“ von Guy Maddin, Evan Johnson und Galen
       > Johnson stoßen Staatschefs bei einem Gipfeltreffen auf onanierende
       > Moorleichen.
       
 (IMG) Bild: Der Union-Jack darf auch nicht fehlen: Staatschefs beim Bankett in Dankerode
       
       Verschiedene Spielarten von Seltsamkeit im Film zu beschreiben, ist nicht
       leicht. Das betont Skurrile wirkt oft gewollt. Und in seiner im
       mittelschlimmen Fall betonten, im schlechtesten Fall krampfhaften
       Abgrenzung vom Geläufigen ist es oft enger und kontrollierter als das,
       wovon man vorgeblich wegwill.
       
       Was forciert anders sein will, wird dann selbst schnell klischeehaft. Und
       dann gibt es immer wieder Filme, die tatsächlich anders funktionieren als
       das, was sonst so in der Filmgeschichte gang und gäbe ist.
       
       „Rumours“, der leider den deutschen Verleihtitel „Tanz der Titanen“
       erhalten hat, ist so ein Beispiel. Dass er nicht im genannten Sinne
       verkrampft wirkt, mag auch daran liegen, dass es dem [1][kanadischen
       Regisseur Guy Maddin] in seinem Werk nicht um den Bruch mit filmischen
       Konventionen geht.
       
       ## Gelöst-absurdes Kino
       
       Im gelöst-absurden Kino Maddins werden Verschiebungen vorgenommen und
       Schräglagen hergestellt. Schräg- und Schieflagen, um auf ihnen das
       Geschehen mitsamt Zuschauerin und Zuschauer in Seltsamkeiten rutschen zu
       lassen. Um mal ein selbst schon schiefes Bild zu bemühen.
       
       Wenn etwas angeschrägt und ins Rutschen gebracht werden soll, ist es gut,
       wenn der Ausgangspunkt ein konventioneller und vertrauter ist. Guy Maddin
       nimmt in seinen Filmen, die sich immer wieder mit Elan durch die
       Filmhistorie zitieren und auf der Schwelle zwischen Spiel- und Essayfilmen
       wohnen, gerne etablierte Muster und Traditionen her. Diese lässt er ins
       Abseitige kippeln, bis sie stürzen. Im Falle von „Rumours“ sind das der
       Horror- beziehungsweise Zombiefilm und der Politthriller.
       
       Der Plot ist schon einmal schön doof: Die G7-Anführer*innen treffen sich im
       deutschen Erholungsort Dankerode zum Gipfel, um eine – es ist von der
       ersten Minute an klar – sturzlangweilige und auch komplett wirkungs- und
       bedeutungslose Erklärung zu einer nicht näher definierten Krise zu
       verfassen. Zentrale Figur ist eine deutsche Kanzlerin mit Vornamen Hilda,
       gespielt von einer routinierten Cate Blanchett im Angela-Merkel-Kostüm.
       
       ## Knalltüten-Ensemble in Vollendung
       
       Es ist ein formvollendet-brütendes Knalltüten-Ensemble, das Maddin mit
       seinen beiden langjährigen Co-Regisseuren Evan Johnson und Galen Johnson
       hier auffährt. Der kanadische Regierungschef laboriert melancholisch an
       einer Sinnkrise herum, der italienische Ministerpräsident ist ein
       eilfertiges Würstchen, die britische Premierministerin die ewig
       Klassenbeste, der US-Präsident ist alt und findet die Idee, zu sterben,
       nicht mehr allzu bedrohlich. Irgendwann gesellen sich Untote, die der
       leichenfetten deutschen Erde entsteigen, dazu, Moorleichen, die erst
       einmal gemeinsam onanieren.
       
       Die Staatschefs versuchen, auf sich allein gestellt, die immer bedrohlicher
       wirkende Moorlandschaft zu verlassen, der französische Präsident wurde
       außerdem bereits infiziert. Die bizarren Vorgänge werden hier durch ein
       konstantes Schweben hervorgehoben, wenn man so sagen kann.
       
       Alles bleibt immer verankert im Genre und in einer klar definierten
       Figurenkonstellation, und trotzdem macht sich in „Rumours“ spätestens nach
       einer halben Stunde der in einem Genrefilm der anders als in der Welt
       außerhalb des Kinos ja eigentlich recht angenehme Eindruck breit, dass in
       jeder Minute wirklich alles passieren kann.
       
       ## Romantisches Dreieck
       
       Und so geht das dann auch los und weiter, ohne dass „Rumours“
       effekthascherisch oder transgressiv auftrumpfen würde. Die Staatenlenker
       finden ein Riesengehirn und vermuten zuerst noch ominöse Protestler als
       Ursache ihrer Misere. Das Gehirn wird abgefackelt, der US-Präsident legt
       sich zum Sterben nieder, es entsteht ein romantisches Dreieck zwischen
       Deutschland, Großbritannien und Kanada. Eine der Figuren äußert den
       Verdacht, der auch der des Zuschauers ist, nämlich, dass das alles
       irgendwie allegorisch oder metaphorisch zu verstehen sei.
       
       Das geht allerdings auch nicht auf, nichts in den Länderbeziehungen stimmt,
       und es entsteht ein Bild, in dem das Politische in seiner jetzigen Form zur
       Gänze abstrus erscheint. Bis hin zum wirklich nicht nur maximal obszönen
       und denkwürdigen, sondern auch einfach schönen Schlussbild, in dem der
       kanadische Premierminister eine durch und durch bekloppte Rede vor dem
       brennenden Himmel hält, mit allem Pathos, während die Untoten tun, was sie
       in diesem Film nun einmal tun.
       
       15 May 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benjamin Moldenhauer
       
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