# taz.de -- Kurden in der Türkei: Die PKK gibt auf
       
       > Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gibt ihre Auflösung bekannt und
       > verkündet das Ende ihres bewaffneten Kampfes. Garantien bekommt sie dafür
       > nicht.
       
 (IMG) Bild: Demonstrant mit Portrait von Abdullah Öcalan bein einem Protest in Dyabakir im kurdischen Südosten der Türkei am 27. Februar 2025
       
       Istanbul taz | Es ist nur ein dürres Kommuniqué mit dem die Arbeiterpartei
       Kurdistans (PKK) ihre Auflösung bekannt gibt. Über ihre eigene Agentur ANF
       verbreitete sie am Montagmorgen die Meldung, ein Kongress, der in der
       letzten Woche im Nordirak stattgefunden hat, habe beschlossen, „die Methode
       des bewaffneten Kampfes zu beenden“ und die „organische Struktur der PKK“
       aufzulösen. Die PKK habe ihre historische Mission erfüllt und die kurdische
       Frage könne nun durch demokratische Politik gelöst werden.
       
       Die PKK ist damit einem [1][Wunsch ihres historischen Führers Abdullah
       Öcalan] nachgekommen, der Ende Februar gemeinsam mit Vertretern der
       kurdischen DEM-Partei in einem Aufruf seine Partei aufgefordert hatte, sich
       aufzulösen und den bewaffneten Kampf zu beenden.
       
       Schon vor drei Tagen hatte die DEM-Partei in Vorwegnahme der Bekanntgabe
       der PKK von Montagmorgen eine Erklärung veröffentlicht, mit der sie eine
       neue Ära des Friedens und der Brüderlichkeit beschwört. Mit der Auflösung
       der PKK sind wir „einen Schritt näher an einem stabilen Frieden nach 50
       Jahren Krieg und 50.000 Toten. Damit wird eine neue Seite auf dem Weg zu
       einem würdigen Frieden und einer demokratischen Lösung aufgeschlagen. Die
       Stimmen für Demokratie und Gerechtigkeit müssen nun laut erhoben werden.
       Wir glauben, dass nun das türkische Parlament die Verantwortung für die
       Lösung der kurdischen Frage und die Vertiefung der Demokratisierung hat.
       Aber auch die exekutive Macht muss ihren Teil der Verantwortung übernehmen
       und für ein Ende der Gewalt sorgen.“
       
       Während die legale, im Parlament vertretene kurdische Partei in ihrer
       Erklärung von Frieden, Gerechtigkeit und Demokratisierung redet, ist der
       offizielle Diskurs der türkischen Regierung und ihrer Medien ein ganz
       anderer. Präsident Recep Tayyip Erdoğan redet seit Wochen nicht von einem
       Frieden mit der PKK, sondern von einer „terrorfreien“ Türkei.
       
       ## Viele Fragen bleiben offen
       
       Selbst die oppositionelle CHP hat sich dieser Wortwahl angeschlossen. Bei
       einer großen Protestveranstaltung am letzten Samstag im kurdisch
       dominierten Van sagte Parteichef Özgür Özel, wir unterstützen natürlich
       eine „terrorfreie Türkei“.
       
       In einer ersten Reaktion am Montag sagte der Sprecher der regierenden AKP,
       Ömer Çelik, „wenn die PKK ihren Beschluss umsetzt, wird das ein Wendepunkt
       in der Türkei sein“. Erdoğan und seine Regierung vermeiden tunlichst, dass
       der Eindruck entsteht, sie seien der PKK in irgendeiner Weise
       entgegengekommen. Die PKK soll sich auflösen und ihre Waffen niederlegen,
       das war’s.
       
       Niemand aus der Regierung redet von Abmachungen oder Garantien, die man der
       PKK oder Öcalan in den seit Oktober letzten Jahres stattgefundenen
       Gesprächen gegeben hätte. Deshalb wird auch öffentlich nicht darüber
       geredet, wie es nun weitergehen soll.
       
       Wird es eine Amnestie für die rund 4.000 PKK-Kämpfer, die sich im Nordirak
       aufhalten, geben? Dürfen diese Menschen in die Türkei zurückkehren? Wer
       überwacht den Prozess der Entwaffnung? Wird mindestens ein Teil der
       PKK-Kämpfer sich zu ihren Genossen nach Syrien absetzen, oder sind die
       syrischen Milizen der YPG, die nach Auffassung der türkischen Regierung ein
       Ableger der PKK sind, Teil der Abmachung und werden sie ebenfalls die
       Waffen niederlegen, wie es ja auch die neue syrische Regierung unter
       Präsident Ahmed al-Scharaa fordert?
       
       Einer der Gründe, warum über diese Fragen nicht öffentlich diskutiert wird,
       sind die Erfahrungen aus dem sogenannten „Friedensprozess“ von 2013 bis
       2015. Damals waren zu all diesen Fragen, von Amnestie, Rückkehrrecht,
       demokratischer Teilhabe etc. detaillierte Vereinbarungen getroffen worden.
       Die Verhandlungen auf Regierungsseite führte damals Ministerpräsident Ahmet
       Davutoğlu.
       
       ## Regionale und technische Entwicklungen zu Lasten der PKK
       
       Doch als bei den Wahlen im Frühjahr 2015 die kurdische HDP unter Führung
       von Selahattin Demirtaş ein sensationell gutes Ergebnis erzielte, während
       die AKP ihre absolute Mehrheit verlor, beendete Erdoğan den gesamten
       Verhandlungsprozess mit einem Federstrich und erklärte die Ergebnisse für
       obsolet.
       
       Es folgten heftige Kämpfen in den kurdisch bewohnten Gebieten im Südosten
       der Türkei, die die Armee schließlich mit dem massiven Einsatz überlegener
       Gewalt beendete. Nach dem gescheiterten Putsch gegen Erdoğan 2016, an dem
       auch Offiziere beteiligt gewesen sein sollen, die Erdoğan die Verhandlungen
       mit der PKK übel genommen hatten, beendete der anschließende
       Ausnahmezustand über Jahre jeden zivilen Widerstand auch in den kurdischen
       Gebieten des Landes.
       
       Die PKK wurde aus der Türkei militärisch verdrängt, ziviler Widerstand im
       Keim erstickt. Auch die Entwicklung der Drohnentechnik, in der die Türkei
       weltweit mit führend ist, führte dazu, dass die Guerilla-Gruppen der PKK in
       den Bergen kaum noch operieren konnten und sich in den Nordirak
       zurückzogen.
       
       Anschläge der PKK in der Türkei hat es seit 2020 praktisch nicht mehr
       gegeben. Aber auch im Irak und Syrien hat sich die Situation für die PKK
       verändert. Der Irak hat sich nach den jahrzehntelangen Kriegen und
       Bürgerkriegen in den letzten Jahren wieder etwas stabilisiert.
       
       ## Bewaffneter Kampf der PKK machte immer weniger Sinn
       
       Seit der pragmatische Mohammed Shia al-Sudani im Herbst 2022 die Regierung
       übernommen hat, wird wieder in den Aufbau des Landes investiert, auch mit
       Unterstützung der Türkei. Sowohl die irakische Regierung wie auch die
       Regierung der kurdischen autonomen Zone haben gute Beziehungen zu Ankara,
       die durch die Existenz der PKK im Nordirak belastet werden. Entsprechend
       hat al-Sudani im Austausch für mehr Wasser aus Euphrat und Tigris und
       wirtschaftliche Unterstützung aus der Türkei eingewilligt, gegen die PKK
       vorzugehen.
       
       Der Sturz von Assad in Syrien und die Machtergreifung der mit der Türkei
       eng verbündeten islamischen HTS in Damaskus war für die PKK auch eine
       schlechte Nachricht. Die neue Regierung will [2][die mit der PKK verbündete
       kurdische YPG-Miliz entwaffnen oder zumindest in eine neue syrische Armee
       integrieren]. Das alles muss der PKK und Öcalan klargemacht haben, dass der
       „bewaffnete Kampf“ in der bisherigen Form nicht mehr viel Sinn macht.
       
       Diese historische Chance, wie die DEM-Partei die Situation beschreibt,
       trifft nun auf ein zunehmend autoritär und repressiv gewordenes
       Erdoğan-Regime, das reihenweise oppositionelle Politiker, unter ihnen den
       Oberbürgermeister von Istanbul, Ekrem Imamoğlu, verhaften lässt und
       Proteste dagegen gewaltsam niederschlägt.
       
       Erdoğan will sich auf keinen Fall erneut vorwerfen lassen, er sei „den
       Terroristen“ entgegengekommen, was die zahlreichen Nationalisten unter
       seinen Anhängern gegen ihn aufbringen würde. Deshalb hat er bislang sowohl
       die Freilassung von Öcalan wie auch anderer wichtiger kurdischer Politiker
       wie Selahattin Demirtaş abgelehnt und will erst den Vollzug von Entwaffnung
       und Auflösung der PKK sehen.
       
       ## PKK-Erklärung ein großer innenpolitischer Erfolg für Erdoğan
       
       Bislang ist die Armee noch nicht einmal auf den von der PKK angekündigten
       Waffenstillstand eingegangen. Für Erdoğan ist die Erklärung der PKK über
       ihre Selbstauflösung zuerst einmal ein großer innenpolitischer Erfolg. Um
       den von ihr erhofften „Friedensprozess“ nicht zu gefährden, verhält die DEM
       sich [3][bei den Protesten gegen die Verhaftung Imamoğlus] weitgehend
       neutral und spaltet so die Opposition.
       
       Doch um die DEM weiterhin auf seiner Seite zu halten, muss Erdoğan bald den
       Kurden etwas bieten. Hafterleichterung für Öcalan und die Wiedereinsetzung
       kurdischer BürgermeisterInnen die wegen angeblicher Unterstützung der PKK
       abgesetzt und ins Gefängnis geworfen wurden, wären ein erster Schritt.
       
       Letztlich wird es aber bei der von ihm angestrebten Verfassungsänderung zum
       Schwur kommen. Erdoğan hofft, dass die Kurden ihn bei einer
       Verfassungsänderung unterstützt, die ihm womöglich weitere Amtszeiten auf
       Lebenszeit ermöglichen würden. Die Kurden wollen dafür eine Verfassung, in
       der Türken und Kurden als gleichberechtigte Völker der Türkei
       festgeschrieben werden. Das wird Erdoğan ihnen niemals zugestehen
       
       12 May 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf Wittenfeld
       
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