# taz.de -- Verschwundene Aktivistin in Chile: Wo ist Julia Chuñil?
       
       > Eine Umweltaktivistin verschwindet im Süden Chiles. Die Suche führt zu
       > einem Konflikt um indigenes Land – und einem Unternehmer mit deutschen
       > Wurzeln.
       
 (IMG) Bild: Verschwunden, nicht vergessen: Protest in Santiago für die Aufklärung des Falls Julia Chunil
       
       An einem Freitag im November 2024 geht Julia Chuñil mit ihren drei Hunden
       in den Wald. Cholito, ein Welpe mit schwarzem Fell und einem weißen Fleck
       auf der Brust, tapst neben ihr her. Mit einer Machete schlägt die alte Frau
       die dichten Äste zur Seite.
       
       Hier im Naturwald im Süden Chiles wachsen leuchtend grüne Scheinbuchen, die
       bis zu 30 Meter hoch werden, wilde Sträucher mit tiefschwarzen Maqui-Beeren
       und der Canelo, der als heiliger Baum der indigenen Mapuche gilt. In diesem
       Dickicht leben Pumas, Wildschweine und Pudus – kleine südamerikanische
       Hirsche. Zwischen den Blättern zwitschern Finken, Drosseln und Spatzen. Für
       die 72-jährige Julia Chuñil ist dieser Wald wie ein Zuhause, fast jeden Tag
       durchstreift sie ihn. Doch dieses Mal wird sie ihn nicht mehr verlassen.
       
       Zwei Tage später arbeitet Lyssette Sánchez an der Kasse eines Supermarktes
       in der Nähe. Plötzlich heult die Sirene eines Polizeiautos auf, in einer
       Durchsage ist die Rede davon, dass eine ältere Frau vermisst werde. Nach
       Feierabend scrollt die 23-jährige Sánchez durch die Nachrichten auf ihrem
       Handy. Da sieht sie auf dem Bildschirm das Gesicht ihrer Großmutter mit den
       kleinen dunklen Augen, dem faltigen Gesicht und dem zur Seite gekämmten
       schwarzen Haar.
       
       „Sie liebte den Wald“, sagt Lyssette Sánchez fünf Monate später, während
       sie im Kräutergarten ihrer vermissten Oma Minze, Oregano und Matico
       pflückt. „Sie hat mir alles über Heilpflanzen beigebracht.“ An einem
       Hagebuttenstrauch bleibt sie stehen: „Aus diesen Früchten hat sie
       Marmelade gekocht.“ Sánchez wirft sich das lange schwarze Haar über die
       Schulter. Einmal hatte sie es blond gefärbt – ihrer Großmutter gefiel das
       nicht. „Sie sagte, ich solle stolz auf mein Haar sein. Also habe ich es
       wieder schwarz gefärbt.“
       
       Als Kind sei sie wegen ihrer indigenen Herkunft verspottet worden, sagt
       Sánchez. „Indianerin“, riefen die Nachbarskinder. „Aber meine Großmutter
       hat mir beigebracht, mich nicht zu schämen. Heute bin ich stolz, Mapuche zu
       sein.“ Hinter der jungen Frau weht eine blaue Flagge mit einem weißen Stern
       in der Mitte, die Wuñelfe. Den Überlieferungen nach begleitete sie die
       Mapuche-Krieger im Widerstand gegen die spanischen Eroberer im 16.
       Jahrhundert.
       
       Die Mapuche [1][sind das größte indigene Volk Chiles]. Ihr ursprüngliches
       Territorium, das sie Wallmapu nennen, erstreckt sich über die Regionen
       Araucanía, Bío-Bío, Los Ríos und Los Lagos im Süden Chiles. Generationen
       von Julia Chuñils Vorfahren lebten einst hier in der Gemeinde Máfil in der
       Nähe von Valdivia, etwa 800 Kilometer südlich von Chiles Hauptstadt
       Santiago. Julia Chuñils Mutter starb, als sie vier Jahre alt war, ihr Vater
       gab sie in die Obhut einer fremden Familie. Dort wuchs sie ohne Liebe auf,
       musste auf dem Boden unter dem Tisch oder draußen bei den Tieren schlafen.
       Mit 16 Jahren verließ sie das Haus und zog nach Valdivia, um Geld zu
       verdienen. Sie verkaufte gebrauchte Kleidung, Gemüse und Kohle. Jahre
       später kehrte sie zurück nach Máfil. Dort wurde sie Präsidentin der
       indigenen Gemeinde Putreguel.
       
       ## Deutsche Siedler*innen mit Macht
       
       „Sie war ein sehr freundlicher und fürsorglicher Mensch, sie hat immer den
       Nachbarn geholfen“, sagt Jaime Raipan, der in einer Mapuche-Gemeinde in der
       Nähe lebt. 2015 unterstützte er die Gemeinde Putreguel dabei, ein mehr als
       900 Hektar großes Grundstück zu besetzen – Land, das einst den Vorfahren
       von Julia Chuñil gehört haben soll. Auf diesem Grundstück befindet sich der
       Wald, in dem sie zum letzten Mal gesehen wurde. Es handelt sich um den
       einzig verbliebenen Naturwald in der Umgebung, heute fast vollständig von
       Forstplantagen eingeschlossen.
       
       Anfänglich beteiligten sich rund 20 Familien an der Besetzung, doch mit der
       Zeit zogen sich alle zurück, bis auf Julia Chuñil. Sie lebte fortan in
       einer kleinen Holzhütte, pflanzte im Garten Gemüse an und wusch sich im
       Fluss. Die meiste Zeit verbrachte sie mit ihren Pferden, Schweinen und
       Hühnern. Raipan vermutet, dass der offizielle Eigentümer des Grundstücks,
       ein Unternehmer mit deutschen Wurzeln, die anderen Familien bezahlt hat,
       damit sie das Gelände verlassen. Auch Julia Chuñil habe er vertreiben
       wollen – sie sei die Einzige gewesen, die sich weigerte, zu gehen.
       
       Als Julia Chuñil nicht aus dem Wald zurückkehrte, meldeten ihre Kinder sie
       am 10. November 2024 bei der Polizei als vermisst. Tagelang durchkämmten
       Nachbar*innen, Polizist*innen und Feuerwehrleute die Umgebung. Doch
       von Julia Chuñil fehlte jede Spur. „Meine Mutter kannte den Wald in- und
       auswendig. Es ist unmöglich, dass sie sich verlaufen hat“, sagt ihr
       ältester Sohn Pablo San Martín Chuñil und zeigt mit dem Finger auf den
       Wald, in dem seine Mutter verschwunden ist.
       
       „Wir sind den Geiern gefolgt, weil sie sich verwesenden Körpern nähern.
       Aber das Einzige, was wir gefunden haben, waren zwei tote Hasen“, erinnert
       sich der 52-Jährige. Der Körper von Julia Chuñil tauchte nicht auf. Dass
       sie damals hingefallen und verunglückt ist, hält ihr Sohn deshalb für
       unwahrscheinlich. Auch der Welpe Cholito ist spurlos verschwunden. „Meine
       Mutter wurde entführt“, sagt Pablo San Martín Chuñil mit fester Stimme.
       
       Die Kinder von Julia Chuñil berichteten der Polizei im November 2024, dass
       ihre Mutter vor ihrem Verschwinden bedroht wurde. Der Eigentümer des
       Grundstücks habe den Geschwistern Chuñil Geld angeboten, um ihre Mutter
       dazu zu bewegen, das Land zu verlassen. Sie besitzen Aufnahmen eines
       Telefongesprächs, das diese Forderung belegt. Einem Nachbarn habe der
       Unternehmer rund 3.000 Euro angeboten, um eine Brücke zu zerstören, über
       die Julia Chuñil zum Wald lief, sagt die Familie.
       
       Im Garten dieses Nachbarn fand die Polizei bei Ermittlungen ein
       ausgehobenes Grab in menschlicher Größe, [2][wie die chilenische Zeitung El
       Ciudadano berichtete]. Als die Beamten die Erde entfernen, stießen sie auf
       ein totes Kalb, eingewickelt in eine Plastiktüte. Gegenüber El Ciudadano
       gibt der Nachbar zu, an der Brücke „interveniert“ zu haben, streitet aber
       ab, Geld dafür erhalten zu haben. Einem anderen Nachbarn soll der
       Unternehmer den Auftrag gegeben haben, Julia unter einem Vorwand aus ihrem
       Haus zu locken, um es daraufhin in Brand setzen zu können.
       
       ## Chile verteilte indigenes Land gratis an Deutsche
       
       Der offizielle Eigentümer des Grundstücks, auf dem Julia Chuñil lebte, um
       den Naturwald zu beschützen, heißt Juan Carlos Morstadt Anwandter. Die
       Familie Anwandter ließ sich im 19. Jahrhundert im Süden Chiles nieder, als
       die chilenische Regierung die Ansiedlung europäischer Einwander*innen
       aktiv förderte, insbesondere aus dem deutschsprachigen Raum.
       
       Im Jahr 1850 zog Carlos Anwandter Fick mit seiner Frau und acht Kindern aus
       Luckenwalde nach Valdivia. Ein befreundeter Deutscher hatte ihm dazu
       geraten, da Land in Chile leicht und schnell zu bekommen war. Der
       chilenische Staat übertrug der Familie kostenlos mehr als 600 Hektar Land –
       Land der indigenen Mapuche. So beschreibt es der Historiker Manuel Lagos
       Mieres in seinem Buch „Colonos a Sangre y Fuego“, das von der Geschichte
       der deutschen Siedler*innen in Chile handelt. Lagos Mieres schildert,
       wie sie sich über Generationen hinweg Land der Mapuche aneigneten, unter
       anderem durch betrügerische Kaufverträge.
       
       So kam möglicherweise auch das Land der Familie Chuñil in den Besitz der
       Familie Anwandter. Über den Landbesitz gelangten die deutschen
       Siedler*innen an wirtschaftliche und politische Macht. Bis heute findet
       man in der chilenischen Elite besonders viele deutsche Nachnamen. „Der Fall
       von Julia Chuñil zeigt, wie viel Macht die Siedlerfamilien bis heute
       haben“, sagt Lagos Mieres bei einem Gespräch in der Bibliothek der
       Universidad Metropolitana in Santiago de Chile, wo er forscht und arbeitet.
       
       Am 22. November 2024, während die Polizei und freiwillige Helfer*innen
       weiter nach Julia Chuñil suchten, lud die staatliche Behörde für indigene
       Angelegenheiten in Chile, Conadi, die Angehörigen zu einem Treffen ein. Sie
       erfuhren dabei, dass sie das Grundstück, auf dem ihre Mutter fast zehn
       Jahre lang gelebt hatte, räumen müssten.
       
       Bis zu diesem Zeitpunkt war die Familie davon ausgegangen, dass das
       Grundstück im Besitz der Conadi war, da die Behörde es 2011 von Morstadt
       Anwandter gekauft hatte, um es einer Mapuche-Gemeinde zu übergeben. Doch
       diese Gemeinde entschied sich gegen den Verbleib auf dem Land, sodass die
       Conadi es wieder an Morstadt Anwandter zurückverkaufte. Der aber beglich
       den Rückkaufpreis von mehr als einer Million Euro nicht. Die Conadi klagte
       gegen Morstadt Anwandter und der Oberste Gerichtshof verurteilte ihn zur
       Zahlung, wie Gerichtsdokumente belegen. Doch der Unternehmer verweigerte
       die Zahlung weiterhin, bis die Conadi schließlich nachgab und der Fall zu
       den Akten gelegt wurde, wie chilenische Medien berichteten. Auf Anfragen
       der taz zu diesem Thema reagierte die zuständige Behörde nicht.
       
       ## Kaum Schutz für Umweltaktivist*innen
       
       „Der Unternehmer behielt das Land und das Geld“, sagt Sebastián Benfeld von
       der Nichtregierungsorganisation Escazú Ahora, die diesen Prozess
       dokumentierte. Ende November 2024 kontaktierte Benfeld Julia Chuñils
       Familie. Die Organisation registriert Attacken auf
       Umweltschützer*innen in Chile und setzt sich für die Umsetzung des
       Escazú-Abkommens ein. Es handelt sich dabei um das erste regionale
       Umweltabkommen in Lateinamerika und der Karibik. Es verpflichtet die
       Staaten unter anderem dazu, Umweltaktivist*innen zu beschützen. Chiles
       linker Präsident Gabriel Boric unterzeichnete das Abkommen 2022 und setzte
       damit eines seiner Wahlversprechen um.
       
       Lateinamerika ist die Region der Welt, in der die meisten
       Umweltschützer*innen ermordet werden. Obwohl die Zahlen in Chile
       deutlich geringer sind als in Ländern wie Kolumbien und Brasilien, hat
       Escazú Ahora hier 47 Angriffe gegen 27 Aktivist*innen registriert. Auch
       Julia Chuñil befindet sich auf dieser Liste. „Sie hat den Naturwald
       beschützt, der sich wegen der Forstindustrie in ständiger Gefahr
       befindet“, sagt Sebastián Benfeld, Gründer und Leiter der Organisation.
       „Deshalb ist Julia Chuñil eine Umweltschützerin.“
       
       Die Organisation unterstützte die Familie bei einer Strafanzeige und
       stellte ihr eine Anwältin zur Verfügung. Am 27. November 2024 begleitete
       Benfeld Chuñils Sohn Pablo, ihre Nichte Claudia und ihre Enkeltochter
       Lyssette, um den Fall vor der Umweltkommission der chilenischen
       Abgeordnetenkammer vorzutragen. Die Familie forderte dabei die Regierung
       auf, die Suche nach Julia Chuñil zu unterstützen.
       
       Die NGO drängte die Regierung zudem, das Escazú-Abkommen konsequent
       umzusetzen. Der Organisation zufolge gab es bis Ende 2023 keinerlei
       Fortschritte bei der Umsetzung, bis Ende 2024 waren gerade einmal 13,5
       Prozent umgesetzt. Diese Fortschritte beziehen sich auf Maßnahmen in den
       Bereichen Transparenz, Justiz und Bürgerbeteiligung im Land. „Für den
       Schutz von Umweltaktivist*innen hat die Regierung bisher nichts
       unternommen“, sagt Benfeld. Und das, obwohl Gabriel Boric den Mapuche
       während seines Präsidentschaftswahlkampfs 2021 tiefgreifende Veränderungen
       versprochen hatte. Er verurteilte Gewalt und Militarisierung und sprach
       sich für einen Dialog aus.
       
       Die Mapuche fordern die Rückgabe der Gebiete, bei denen sie der chilenische
       Staat im 19. Jahrhundert gewaltsam enteignete und die bis heute in den
       Händen von Konzernen und Großgrundbesitzern liegen. Bisher ist die
       Indigenen-Behörde Conadi für diesen Prozess zuständig, indem sie Land von
       den aktuellen Eigentümern kauft und es an Mapuche-Gemeinden übergibt.
       
       Doch dieser Prozess verläuft schleppend, da das Budget der Behörde für den
       Landkauf viel zu gering ist, um den Forderungen der Mapuche gerecht zu
       werden. Deshalb greifen einige Indigene zu radikaleren Mitteln: Sie
       besetzen Grundstücke und verteidigen sie teilweise mit Waffen oder zünden
       landwirtschaftliche Maschinen und Lastwagen der Unternehmen an. Als
       Reaktion auf die anhaltenden Konflikte verhängte Präsident Boric kurz nach
       seinem Amtsantritt 2022 den Ausnahmezustand über die Regionen, in denen die
       Mapuche leben. Seitdem patrouilliert das Militär auf den Straßen,
       demokratische Grundrechte sind eingeschränkt. Dieser Zustand hält bis heute
       an – viele sehen darin ein gebrochenes Wahlversprechen.
       
       Im Juni 2023 setzte Boric eine „Kommission für Frieden und Verständigung“
       ein, die Lösungsvorschläge für den Konflikt zwischen dem Staat und den
       Mapuche erarbeiten sollte. Zu den Mitgliedern gehörten Vertreter*innen
       des gesamten Parteienspektrums sowie der Mapuche und der Unternehmer*innen.
       
       ## Die Polizei ermittelt gegen die Familie
       
       „Die Gewalt geht zuerst vom Staat und von den Unternehmen aus“, sagt der
       Historiker Claudio Alvarado Lincopi, der selbst Mapuche ist und zur
       Geschichte der Indigenen forscht. Die Gewalt, die Mapuche ausübten, sei
       eine Reaktion auf die Vertreibung und die Armut, die sie erleben. „Ich
       hoffe, dass mein Volk irgendwann aus diesem Kreislauf der Gewalt ausbrechen
       kann“, sagt er. Er ist enttäuscht von der Boric-Regierung. „Abgesehen von
       der Kommission für Frieden und Verständigung hat die Regierung die Mapuche
       komplett vernachlässigt“, sagt er. Das Verschwinden von Julia Chuñil ist
       dem Historiker zufolge ein Ausdruck der vielschichtigen Gewalt, die im
       Territorium der Mapuche herrscht. „Es kann nicht sein, dass in Chile eine
       Frau einfach verschwindet“, sagt Alvarado Lincopi.
       
       Am 10. Dezember 2024 sprach Präsident Gabriel Boric zum ersten Mal bei
       einer Fernsehansprache über das Verschwinden von Julia Chuñil. „Ich möchte
       diese Gelegenheit nutzen, um meine Besorgnis und die Besorgnis des Staates
       über das Verschwinden von Julia Chuñil, einer Umweltschützerin ihrer
       Gemeinde, zum Ausdruck zu bringen“, sagte er. „Wir werden nicht aufgeben,
       bis wir sie gefunden haben“, fügte er hinzu. Die Regierung schickte
       anschließend tatsächlich Drohnen und ein Flugzeug der Luftwaffe nach Máfil,
       um die Suche zu unterstützen. Doch die Polizei ermittelte zunächst nicht
       gegen den Großgrundbesitzer, sondern gegen Chuñils eigene Familie.
       
       Am 30. Januar 2025 durchsuchte die Polizei neun Stunden lang das Haus von
       Julia Chuñils Tochter. „Sie sind mit Maschinengewehren gekommen“, erinnert
       sich Pablo Chuñil. Im März veröffentlicht der chilenische Fernsehsender
       Mega einen Bericht mit dem Titel: „Die Ermittlungen richten sich gegen die
       Familie.“ Demzufolge habe die Polizei bei den Durchsuchungen im Haus der
       Tochter einen Blutfleck gefunden, der mit der DNA von Julia Chuñil
       übereinstimme. Der Sender nennt jedoch keine Quellen.
       
       Sebastián Benfeld, der Zugang zur Ermittlungsakte hat, widerspricht dieser
       Darstellung und erklärt, dass es sich um Falschinformationen handele. Es
       gebe keinen Nachweis, der belege, dass der Blutfleck mit der DNA von Julia
       Chuñil übereinstimme. Zudem ermittele die Staatsanwaltschaft nicht gegen
       die Familie und habe sie auch keines Verbrechens angeklagt, sondern sie
       untersuche alle Personen im näheren Umfeld. Mega, ein konservativer Sender
       im Besitz der einflussreichen Familie Heller-Solari, gilt als
       unternehmensnah.
       
       Die Kinder von Julia Chuñil machen sich Sorgen, dass ihnen jetzt die Schuld
       zugeschoben werden könnte. „Wir haben immer mit den Ermittlern kooperiert.
       Warum kommen sie dann mit Maschinengewehren in unser Haus?“, fragt sich
       Pablo Chuñil. „Wir verstehen das nicht.“ Sechsmal hat die Polizei das Haus
       der Familie durchsucht, die die Beamten irritiert gewähren ließ. Den
       Wohnsitz von Juan Carlos Morstadt Anwandter hat die Polizei jedoch bisher
       kein einziges Mal durchsucht. Er ist zudem die einzige Person aus dem
       Umfeld, die ihre Aussage gegenüber der Polizei verweigert hat.
       
       Im April 2025 findet Lyssette Sánchez zwei Tiere ihrer Großmutter tot auf:
       ein Schwein mit Schusswunden und ein Pferd, das vermutlich vergiftet wurde.
       
       ## Der Druck auf die Regierung wächst
       
       Anfang Mai 2025 übergab die Kommission für Frieden und Verständigung dem
       Präsidenten ihre Abschlusserklärung. Um den Landforderungen der Mapuche
       gerecht zu werden, würde die Conadi unter den aktuellen rechtlichen und
       gesetzlichen Rahmenbedingungen zwischen 80 und 160 Jahre und ein Budget von
       vier Milliarden US-Dollar für die Rückgaben benötigen, heißt es in dem
       Dokument. Die Kommission empfiehlt deshalb ein neues System für die
       Landrückgaben. Nur eines der Mitglieder der Kommission stimmte dagegen –
       der Vertreter des Unternehmersektors, der befürchtet, dass Ländereien
       enteignet werden könnten.
       
       Präsident Boric wird entscheiden müssen, wie er mit dem Vorschlag umgeht.
       Der Druck auf ihn steigt, die Suche nach Julia Chuñil zu beschleunigen. Die
       Ermittlungen der Staatsanwaltschaft schreiten nur langsam voran. Bisher
       liegen keine ausreichenden Beweise vor, um einen Verdächtigen anzuklagen.
       Von Chuñil und dem Welpen Cholito fehlt weiterhin jede Spur.
       
       Am 8. Mai – sechs Monate nach dem Verschwinden – protestierten Tausende
       Menschen in Santiago und in anderen Städten des Landes. „Wo ist Julia
       Chuñil?“, riefen sie und schwenkten die Fahne der Mapuche. Immer wieder gab
       es im letzten halben Jahr solche Demos.
       
       Lyssette Sánchez vertieft ihr Gesicht in den Kräutern, die sie im Garten
       von Julia Chuñil gesammelt hat. Der Geruch erinnert sie an ihre Großmutter.
       Es ist das letzte Mal, das sie durch den Garten läuft. Das Grundstück wird
       nun wieder seinem offiziellen Eigentümer übergeben: dem Unternehmer Juan
       Carlos Morstadt Anwandter.
       
       11 May 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Indigene-in-Chile/!5961520
 (DIR) [2] https://www.elciudadano.com/reportaje-investigacion/chew-muley-los-ultimos-pasos-de-julia-chunil/03/16/
       
       ## AUTOREN
       
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