# taz.de -- Luftqualität in Schweden: Fahrverbot für Winterreifen im schwedischen Sommer
       
       > Im Winter braucht man in Schweden Autos mit Spikes. Doch die stacheligen
       > Reifen werden mit dem Frühlingsbeginn zu einem echten Problem.
       
 (IMG) Bild: Ab Mitte April ist man in Schweden mit Sommerreifen unterwegs
       
       Die Glückstiraden meines Nachbars waren kaum zu bremsen. Wie schön weich
       sein alter Volvo plötzlich über den Asphalt rolle! Als führe man ein neues
       Auto! Aber ich wollte nichts über tolle neue Sommerreifen hören. Bei mir
       rollte nämlich gerade gar nichts.
       
       Ab Mitte April gilt in Schweden ein Fahrverbot für nordische Winterreifen –
       also solche mit Spikes. Es bleibt hoffentlich das letzte saisonal
       auftretende Phänomen, an das ich mich in meinem [1][ersten Jahr in
       Schweden] noch gewöhnen muss.
       
       Zwar sind auch hier oben die Winter nicht mehr das, was sie mal waren.
       Früher war mehr Schnee, höre ich von den Nachbarn. Und weniger
       Temperaturschwankungen. Aber bis Mitte April kann man nie wissen. Also sind
       diese Spikereifen so lange nicht nur erlaubt, sondern nötig.
       
       Gerade erst hatte ich mich daran gewöhnt, mit ihrer Hilfe in den kalten
       Wintermonaten aus der vereisten Einfahrt auf den vereisten Weg abbiegen zu
       können. Jetzt mussten sie schneller weg, als ich mir Sommerreifen
       beschaffen konnte.
       
       Denn was machen Reifen mit kleinen Metallstiften, wenn nicht Eis und Schnee
       die Unterlage sind, sondern Asphalt? Nichts Gutes, das kann man sich ja
       denken. Im schneearmen Südschweden werden längst Gummi-only-Winterreifen
       empfohlen. Und in Stockholms Innenstadt sah ich einmal ein Schild, dass
       Spikes draußen bleiben müssen. Erst jetzt verstehe ich, dass die Sorge
       nicht nur den Straßen, sondern vor allem den Menschen gilt. Ende April,
       noch bevor ich mein Reifenproblem gelöst hatte, las ich konsterniert in der
       Lokalzeitung, die [2][Luftqualität in der Innenstadt] von Härnösand sei
       eine der schlechtesten in ganz Schweden.
       
       Der Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft wurde 2023
       demnach an 30 Tagen überschritten. Noch dürfen es bis zu 35 Tage sein, aber
       die Europäische Union verschärft die Vorgaben ab 2030, dann sind es nur
       noch 18. Diese kleine Stadt zwischen Wasser und Wald direkt an der Ostsee –
       wie kann das sein? Vielleicht ist es ein Hinweis, dass ich in dieser Gegend
       bislang nur E-Auto-Verweigerer getroffen habe. Mein Nachbar ist nicht der
       Einzige, der bis an sein Lebensende nur „richtige“ Autos fahren will.
       Benzin und Diesel sind gerade billig, politisch eingefädelt von der
       konservativen Regierung.
       
       Es fahren wenige Busse aus der Umgebung in die Stadt, kostenlose Parkplätze
       sind hingegen immer vorhanden.
       
       Aber zurück zu den Reifen: Am schlimmsten ist die Feinstaubbelastung
       natürlich im Frühling, wenn die Stadt schon schneefrei ist und die Spikes
       noch am Asphalt sägen. Was soll man machen?, ist der Tenor im
       Bekanntenkreis. Zu früh zu wechseln, wäre riskant. Die Kommune will erst
       mal den Takt der Straßenreinigung erhöhen und den Staub mit Wasser am Boden
       zu halten versuchen. Die Lokalzeitung erinnerte an einen alten Plan, im
       Stadtzentrum eine 40er-Zone einzurichten. Doch das wurde wohl für
       unbestimmte Zeit aufgeschoben.
       
       Im Aufschieben war ich auch gut. Man kann theoretisch einfach hoffen, dass
       keine Polizeikontrolle kommt, wenn man nach dem 15. April noch mit Spikes
       fährt. Er sei in einem Frühling dreimal erwischt worden, erinnerte sich der
       ältere Nachbar, dessen Frau mich und meine Einkaufstüten auf dem Rückweg
       vom Dorfladen mit ihrem Auto einsammelte. Ich wollte weder einen
       Strafzettel noch Metall auf Asphalt. In den zwei Wochen, in denen ich auf
       die Lieferung der neuen Sommerreifen wartete, ging ich, als es einmal sein
       musste, viel weiter zu Fuß als sonst. Ansonsten durfte ich öfter bei Leuten
       mitfahren, die alles rechtzeitig erledigt hatten. Einmal war ich sogar mit
       dem Bus in der Stadt. [3][Eine andere Mobilität ist also möglich].
       
       Aber als ich endlich wieder durfte, bin ich ohne Umschweife mit dem Auto zu
       einer Tankstelle mit Postshop gefahren. Dort lag seit Tagen ein Paket für
       mich, 20 Kilometer von meiner Adresse entfernt. Eins ist klar: In Berlin
       war es deutlich einfacher, aufs Auto zu verzichten.
       
       10 May 2025
       
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