# taz.de -- Todesschüsse auf Lorenz A.: Polizei versucht's mit Transparenz
       
       > Der Fall Lorenz A. beschäftigt nun auch den niedersächsischen Landtag.
       > Viele neue Erkenntnisse ergaben sich bei einer Anhörung allerdings nicht.
       
 (IMG) Bild: Wut und Trauer: Gedenkmarsch für den Ende April von einem Polizisten erschossenen Lorenz A. in Oldenburg
       
       Hannover taz Es sei immerhin ein Versuch, frühzeitig Transparenz
       herzustellen, betonen Abgeordnete aller Fraktionen, betont auch die
       Vorsitzende des Innenausschusses, Doris Schröder-Köpf (SPD). Das sei schon
       ungewöhnlich, so rasch und detailliert unterrichtet zu werden, immerhin sei
       das Ermittlungsverfahren ja noch nicht abgeschlossen.
       
       Der öffentliche Druck war allerdings auch groß: Zehn
       „versammlungsrechtliche Aktionen“ habe es im Zusammenhang mit dem
       tragischen Tod von Lorenz A. in Oldenburg gegeben, referiert der
       niedersächsische Polizeipräsident Axel Brockmann. Zur größten Demo in
       Oldenburg kamen fast 10.000 Menschen.
       
       Der Fall hat auch deshalb so viele bewegt, weil die Umstände so
       ungewöhnlich sind: Gleich fünf Schüsse feuerte der junge Polizeibeamte in
       der Nacht zum Ostersonntag ab. Drei davon trafen Lorenz A. von hinten in
       den Kopf, den Unterleib und die Hüfte. Eine Verletzung am Oberschenkel
       stammt vermutlich von einem Streifschuss, eine weitere Kugel muss ihn
       verfehlt haben.
       
       Auf Antrag der CDU-Fraktion referiert Brockmann im Innenausschuss des
       niedersächsischen Landtages am Donnerstag, wie es dazu gekommen ist –
       jedenfalls so weit Polizei und Staatsanwaltschaft dies bis jetzt schon
       rekonstruieren konnten. Unterstützt wurde er dabei von Martin Speyer aus
       dem für die Staatsanwaltschaft zuständigen Justizministerium. Viele neue
       Erkenntnisse hatten die beiden allerdings nicht mitgebracht – das meiste
       war schon aus Medienberichten bekannt.
       
       ## Wähnte sich der Polizist in einer Notwehrsituation?
       
       Lorenz A. soll mit zwei Türstehern vor einer Diskothek in der Oldenburger
       Innenstadt gestritten haben, weil diese ihn nicht hineinlassen wollten. Er
       soll ein Glas geworfen und außerdem sein Pfefferspray gezückt haben. Fünf
       Personen wurden durch das Reizgas leicht verletzt. Dann ergriff er wohl die
       Flucht, soll dabei Menschen, die ihn verfolgen wollten, [1][mit einem
       Messer bedroht haben.]
       
       Zwei Notrufe gingen daraufhin bei der Polizei ein, einer bei der Feuerwehr.
       Eine erste Streife war innerhalb weniger Minuten vor Ort, konnte ihn aber
       nicht aufhalten. Auf der zentralen Achternstraße kam ihm ein zweiter
       Streifenwagen entgegen.
       
       Die Beamten stoppten ihr Fahrzeug mitten auf der Straße und sprangen aus
       dem Fahrzeug. Weil A. in seiner Jackentasche kramte und den Beamten über
       Funk mehrfach mitgeteilt worden war, dass er mit einem Messer bewaffnet
       gewesen sein soll, zogen sie ihre Waffen. So sagte es der Streifenpolizist
       aus, der selbst nicht gefeuert hatte. Trotz der Aufforderung
       stehenzubleiben, rannte A. wohl weiter auf den Streifenwagen zu – und
       passierte ihn an der Fahrerseite.
       
       Dann fielen die Schüsse. Beide – der schießende Beamte und der junge Mann –
       gingen zu Boden. Am Tatort wurde später neben Lorenz A. sein Pfefferspray
       gefunden. Dem Polizeibeamten hatten die Augen ausgespült werden müssen, die
       Aufzeichnungen des Krankenhauses vermerken eine Bindehautverletzung oder
       -reizung.
       
       ## Polizeipräsident weist Rassismusvorwürfe zurück
       
       Man wird, schlussfolgert Brockmann, an dieser Stelle also prüfen müssen, ob
       er sich in einer Notwehrsituation wähnte und ob er noch in der Lage war
       wahrzunehmen, dass Lorenz A. weitergelaufen war. Dazu müsse man die
       weiteren Auswertungen abwarten.
       
       Dem Landeskriminalamt liegen drei Videoaufzeichnungen vor, davon eine mit
       Tonspur. Mit ihrer Hilfe hofft man die zeitliche Abfolge präziser
       rekonstruieren zu können. Außerdem würden noch die Schmauchspuren an der
       Kleidung des Opfers untersucht, in der Hoffnung, daraus Erkenntnisse zu
       gewinnen, in welcher Entfernung der Schütze und sein Opfer zueinander
       standen. Auch ein ballistisches Gutachten zur Schusswinkelbestimmung steht
       noch aus. Ebenso die Auswertung des Handys, das man bei dem beschuldigten
       Polizisten beschlagnahmt hat.
       
       Immer wieder betont Brockmann, wie tragisch dieser Todesfall sei, wie sehr
       er mit den Angehörigen fühle – gleichzeitig weist er [2][Rassismusvorwürfe
       gegen seine Polizei zurück.] Man habe in Niedersachsen viel unternommen, um
       Diskriminierungen zu begegnen und Diversität zu fördern.
       
       Er verweist auf Programme wie „Polizeischutz für die Demokratie“ und die
       grundsätzliche Offenheit, mit der man sich auch wissenschaftlichen
       Untersuchungen gestellt habe – obwohl es da intern durchaus Widerstände und
       Bedenken gegeben habe. Er meint damit beispielsweise [3][die Untersuchungen
       der Soziologin Astrid Jacobsen, die an der Polizeiakademie lehrt und die in
       einer Studie untersucht hat, welche polizeilichen Routinen anfällig für
       Diskriminierung sind.] Oder die bundesweite Polizeistudie „Motivation,
       Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten“ (Megavo), an
       der sich längst nicht alle Bundesländer beteiligt haben.
       
       An anderer Stelle muss Brockmann allerdings einräumen, dass seine
       Statistiken für bestimmte Aspekte blind sind. So erfasst das
       Innenministerium zwar den Schusswaffengebrauch im Dienst: Fünf Fälle von
       Schüssen auf Personen zählte man im letzten Jahr – das sei doch nicht viel,
       angesichts von 19.000 Beamten und 1,5 Millionen Einsätzen.
       
       In den letzten zehn Jahren seien es maximal 6 Fälle pro Jahr gewesen, eine
       Steigerung sei nicht erkennbar. Doch auf die Nachfrage der grünen
       Abgeordneten Djenabou Diallo-Hartmann, ob er denn sagen könne, in wie
       vielen Fällen davon Schwarze oder Menschen mit sichtbarem
       Migrationshintergrund betroffen waren, muss er passen. Das, sagt der
       Polizeipräsident, werde nicht erfasst. Er habe auch Zweifel, dass sich dies
       nachträglich auswerten ließe.
       
       8 May 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Todesschuesse-auf-Lorenz-A-in-Oldenburg/!6080733
 (DIR) [2] /Essay-zum-Tod-von-Lorenz-A/!6084068
 (DIR) [3] /Polizeiforscherin-ueber-Diskriminierung/!6083406
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nadine Conti
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Oldenburg
 (DIR) Polizei Niedersachsen
 (DIR) Polizeigewalt
 (DIR) Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Oldenburg
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) Rassistische Polizeikontrollen
 (DIR) Polizeigewalt
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Nach Tod von Lorenz A.: Stream von Podiumsdebatte für rassistische Hetze gekapert
       
       Anlässlich des getöteten Schwarzen Lorenz A. in Oldenburg wurde bei einer
       Podiumsdebatte über Rassismus in der Polizei diskutiert. Doch die
       Übertragung wurde gekapert.
       
 (DIR) Trauer um Lorenz A.: Nach den Schüssen
       
       Am Ostersonntag wurde der 21-jährige Lorenz A. in Oldenburg von einem
       Polizisten erschossen. Eine Chronik von Trauer und Protest in der Stadt.
       
 (DIR) Polizeiforscherin über Diskriminierung: „Natürlich gibt es Rassismus in der Polizei“
       
       Astrid Jacobsen von der Polizeiakademie Niedersachsen erklärt, warum
       Polizist*innen rassistisch handeln können, ohne solche Einstellungen zu
       haben.
       
 (DIR) Protest nach der Erschießung von Lorenz: Wir sollen gefälligst leise sterben
       
       Nach den tödlichen Polizeischüssen auf Lorenz fordern viele Gerechtigkeit.
       Doch statt Aufklärung gibt es Mahnungen zur Mäßigung – dabei ist Wut
       eigentlich überfällig.
       
 (DIR) Polizeiopfer Lorenz A.: Oberbürgermeister vergisst Mitgefühl für Erschossenen
       
       Statt zu der Trauerkundgebung zu gehen, warb Oldenburgs OB um Verständnis
       für die Polizei. Die wiederum warnte Schüler:innen davor, zur Demo zu
       gehen.