# taz.de -- „Füller-Kinder“ von Anne Frank: Ein Besuch bei Priscilla Lane
       
       > Im Versteck in Amsterdam verfasste Anne Frank neben ihrem Tagebuch auch
       > Erzählungen. „Füller-Kinder“ präsentiert sie in einer illustrierten
       > Ausgabe.
       
 (IMG) Bild: Szenenbild (Ausschnitt) von Emily Sutton zu „Wurde eingebrochen“
       
       Täglich strömen Touristen und Schulklassen in die Amsterdamer Prinsengracht
       263. An dem Gedenkort, dem heutigen „Anne Frank Haus“ und ehemaligen
       Firmensitz von Annes Vater, besichtigen Menschen aus der ganzen Welt die
       versteckt liegenden Räume im Hinterhaus. Dort konnte die jüdische Familie
       Frank im Juli 1942 zusammen mit den van Pels' und Fritz Pfeffer zunächst
       untertauchen. Am 4. August 1944 werden sie von der NS-Ordnungspolizei
       entdeckt und in Konzentrationslager deportiert.
       
       Weltbekannt wurden das „Achterhuis“ und seine acht Bewohner durch das
       Tagebuch von Anne Frank, das die scharfsinnige Dreizehnjährige ab 1942 im
       Versteck führte. Dieses einzigartige Dokument der Shoah wurde seit 1947 in
       fast 70 Sprachen übersetzt und mehr als 30 Millionen Mal verkauft.
       
       Weit weniger bekannt ist, dass Anne Frank neben Tagebuchaufzeichnungen auch
       eine Reihe erstaunlicher Erzählungen, Märchen und Miniaturen über
       Ereignisse aus ihrem Alltag im Versteck verfasste, die sie auch
       „Füller-Kinder“ nannte.
       
       Das veranlasste die Amsterdamer Anne Frank Stiftung zu einer aktuellen
       Veröffentlichung dieser literarischen Texte. Dazu lud sie 46
       IllustratorInnen aus unterschiedlichen Ländern ein, eigene Bildbeiträge für
       die Geschichten zu entwickeln.
       
       ## Außergewöhnliche Gestaltung
       
       Die deutsche Ausgabe dieses sorgfältig lektorierten Bandes erscheint nun
       unter dem Titel „Füller-Kinder. Erzählungen und Ereignisse aus dem
       Hinterhaus“. Für die Gestaltung der außergewöhnlichen Ausgabe ließ sich die
       niederländische Grafikerin von „Opekta“-Broschüren der 1930er-Jahre
       inspirieren.
       
       Denn nachdem Annes Familie 1934 Deutschland verlassen hatte, leitete Otto
       Frank in Amsterdam die niederländische Filiale dieser bekannten
       Geliermittel-Firma. Ab 1940 hatte diese ihren Sitz in der Prinsengracht
       263.
       
       „Wurde eingebrochen?“, so heißt die erste Geschichte des Bandes. Sie
       datiert auf den 24. März 1943. Darin erzählt Anne von einem realen
       Ereignis, das die Versteckten sehr beunruhigte. Eines Abends werden sie
       von verdächtigen Geräuschen aufgeschreckt.
       
       Sie vermuten einen Einbruch in den unteren Geschäftsräumen. Eilig treffen
       sie einige Vorkehrungen und diskutieren flüsternd die möglichen
       Konsequenzen.
       
       Latente Anspannung 
       
       Nach einer schlaflosen Nacht geben die Herren der Gruppe am nächsten Morgen
       endlich Entwarnung. Anschaulich vermittelt diese Episode eine Ahnung von
       der latenten Anspannung und Angst, die im Hinterhaus allgegenwärtig waren.
       Die britische Illustratorin Emily Sutton skizziert die bange Gruppe um
       Anne zusammengerückt in der Stube der Familie van Pels. Diese zart
       kolorierte Tuschezeichnung verleiht der Szene atmosphärisch den
       altmodischen Flair einer Geschichte von Agatha Christie.
       
       In Füller-Kinder sind Berichte und Erzählungen mit wenigen Ausnahmen
       chronologisch von den Jahren 1942 bis 1944 angeordnet. Auffällig deutlich
       wird dabei die rasante Entwicklung der jungen Autorin unter den extremen
       Lebensumständen. Angesichts der herausfordernden Situation überraschen umso
       mehr sprachlicher Witz, Zuversicht und Naturbegeisterung, die die junge
       Literatin in ihren Texten zum Ausdruck bringt. 
       
       Es wird die berechtigte Absicht der Herausgeber gewesen sein, mit der
       Einladung an die 46 internationale IllustratorInnen eine Brücke in die
       Gegenwart zu schlagen. Ihre inhaltlich und ästhetisch äußerst vielfältigen
       Beiträge werden von persönlichen Statements über biografische Erfahrungen,
       künstlerische Inspirationen und Arbeitsweisen begleitet.
       
       Auch dadurch stellen sie eine Verbindung zu Anne Franks Schreibpraxis her.
       „Ich glaube, Kreativität in all ihren Formen ist das beste Mittel, das man
       für die (großen und kleinen) Herausforderungen des Lebens so dringend
       braucht,“ merkt etwa Emily Sutton an.
       
       ## Auf den Hügeln Hollywoods
       
       Der berühmte [1][niederländische Bilderbuchautor Thé Tjong-Khing], der
       während seiner Jugendjahre auf Java der 1940er-Jahre das Kino ebenfalls
       liebte, zeichnete zu „Filmstar-Illusion“ ein glamouröses Porträt von Anne
       Frank auf den Hügeln Hollywoods. Die fiktive Geschichte erzählt von Annes
       aufregender Reise nach Los Angeles, wo sie ihre Brieffreundin, den
       berühmten Filmstar Priscilla Lane besuchen darf.
       
       Geert Gratama, der „Eine Mathematik-Stunde“ illustrierte, reflektiert seine
       Rolle als Zeichner in diesem Projekt so: „Bei Anne Frank ist es noch
       komplizierter, denn ihr Tagebuch und ihre Erzählungen haben nachträglich
       einen Kontext erhalten, der sich nicht mehr ausblenden lässt.“ Treffend
       bringt er die tragische Dimension der Lektüre auf den Punkt.
       
       Anne Frank hatte 1944 im Hinterhaus im Radio einen Aufruf des
       niederländischen Ministers Gerrit Bolkestein aus dem Londoner Exil gehört.
       Die Menschen sollten Dokumente sammeln, um nach dem Krieg von den
       Verbrechen der deutschen Besatzung berichten zu können.
       
       In nur wenigen Monaten überarbeitete die junge Schriftstellerin danach alle
       Aufzeichnungen aus dem Hinterhaus, um später „Het Achterhuis“ zu
       veröffentlichen. Das Buch erschien 1947. Anne Frank überlebte Bergen-Belsen
       nicht.
       
       29 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eva-Christina Meier
       
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