# taz.de -- Die Wahrheit: Pickel-Teenie als Steuermann
       
       > Sensationelle Enthüllung im Konrad-Adenauer-Haus: CDU-Generalsekretär
       > Carsten Linnemann ist erst 16 Jahre alt und sieht nicht nur grottenjung
       > aus.
       
       Mir ist er ja schon immer ein bisschen kindlich vorgekommen.“ Der
       CDU-Politiker, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte,
       spricht mit leiser Stimme und schaut sich nervös um. Das Café, das er für
       das Treffen in der Hauptstadt ausgesucht hat, liegt zwar weitab vom
       Konrad-Adenauer-Haus, aber man weiß ja nie, wer am Nebentisch mithören
       könnte. Denn das, was der Christdemokrat zu berichten hat, birgt
       politischen Sprengstoff: Carsten Linnemann, der Generalsekretär seiner
       Partei, ist noch minderjährig.
       
       Starke Zweifel seien bei ihm aufgekommen, erzählt der anonyme Zeuge,
       nachdem Linnemann verkündet hatte, auf den Posten des
       Bundeswirtschaftsministers zu verzichten. „So was macht man doch nicht,
       wenn da nicht mehr dahintersteckt“, sagt der CDU-Mann, lockert seine
       Krawatte und trinkt einen Schluck Milchkaffee. Er habe daraufhin
       recherchiert. „Es gibt keine Informationen über Linnemanns Privatleben,
       nichts, nullkommanull. Nur dass er angeblich am 10. August 1977 in
       Paderborn geboren ist. Das kam mir komisch vor. Es passte einfach nicht zu
       seinem Verhalten.“
       
       Ständig habe Linnemann in der Parteizentrale Tischkicker gespielt und Red
       Bull aus der Dose getrunken. „Wenn er nicht gerade wieder vor,Mortal
       Kombat' hing“, sagt der Christdemokrat. „Da hat er auch diese Sprüche her.“
       Er spricht mit tiefer, bedrohlicher Stimme weiter: „Jeder kämpft für sich.
       Es ist fünf vor zwölf. Wir müssen hart arbeiten.“ Er kichert. „Süß.“
       
       Beim Paderborner Standesamt habe er schließlich eine „arglose
       Mitarbeiterin“ ans Telefon bekommen, die ihm „ganz unbürokratisch“ eine
       Kopie von Linnemanns Geburtsurkunde zugefaxt habe. Er schiebt möglichst
       unauffällig ein gefaltetes Papier über den Cafétisch. Darauf steht, amtlich
       beglaubigt: „Carsten Christoffer Linnemann, Geschlecht männlich, geboren am
       10. August 2008.“
       
       ## Konsequenzen laut Grundgesetz
       
       Demnach wäre er gerade einmal 16 Jahre alt. Und das hätte erhebliche
       Konsequenzen. Im Grundgesetz ist geregelt, dass nur wer volljährig ist, das
       Recht hat, in den Bundestag gewählt zu werden. Als Minderjähriger würde
       Linnemann also nicht nur den Posten des Generalsekretärs verlieren, sondern
       auch sein Bundestagsmandat.
       
       Ortstermin auf dem Pausenhof eines Paderborner Gymnasiums. Hier ist Carsten
       Linnemann zur Schule gegangen, und das ist, wie sich herausstellt, noch gar
       nicht so lange her. Auf einem aktuellen Foto erkennen ihn seine ehemaligen
       Mitschüler sofort. „Klar ist er das. Mann, was hat der genervt, vor allem
       in Powi“, sagt der 16-jährige Murat. Noch im vergangenen Schuljahr saß er
       neben Linnemann in derselben Bankreihe. „Dieses Gelaber von
       Leistungsbereitschaft und dass Fleiß sich wieder lohnen muss. Der hat doch
       selbst die Hausaufgaben für die zweite Stunde immer in der ersten bei mir
       abgeschrieben.“
       
       Die 15-jährige Svenja nickt. „Und bei mir in der zweiten die von der
       dritten.“ Der gleichaltrige Josua erzählt: „Wir haben den nur ‚Babyface‘
       genannt.“ Murat ruft: „Wisst ihr noch, wie er im Sommer heulend die Leiter
       vom Zehnmeterbrett wieder runtergeklettert ist?“ Die Runde lacht schallend.
       „Danach hat er von den Schnellgerichten für Freibadtäter gefaselt. Das hat
       er doch nur gemacht, um uns eins auszuwischen.“
       
       Auf sein angeblich wahres Alter angesprochen, gibt sich Carsten Linnemann
       gelassen: „Statt mutig neue Wege zu probieren, verstecken wir uns hinter
       Paragrafen und Gesetzen.“ Er sei stets dem Motto gefolgt: „Einfach mal
       machen.“ Er ballt die zarte Hand zur Faust, schlägt sie sich auf die
       unbehaarte Brust. Sein Beispiel zeige, dass „wir in Deutschland keine
       Verbots-, sondern eine Erlaubniskultur brauchen“.
       
       ## Vertrauter des Kanzlers
       
       Friedrich Merz stellt sich hinter seinen Schützling. Der künftige Kanzler
       ist ein enger Vertrauter Linnemanns und nennt ihn liebevoll „kleiner
       Pascha“. Alter spiele keine Rolle bei der Frage, ob jemand geeignet sei,
       das Land wieder voranzubringen. „Ich selbst bin ja nicht mehr 40, auch
       nicht mehr 50“, sagt der CDU-Chef hüstelnd, aber er denke noch mit Freuden
       an seine Pubertät zurück, „da macht man halt auch mal wüstes Zeug“. Die
       Partei werde das „aushalten“, zumal man bereits Erfahrung mit
       Gesichtsjugendlichen habe, das könne man an Philipp Amthor sehen. Merz
       gluckst. „Der ist zwar wirklich 32, redet aber schon immer wie einer, der
       sieben Enkelkinder hat. Also wie ich.“
       
       Sollte sich jedoch herausstellen, dass Linnemann bewusst betrogen habe –
       „womöglich hat er wie ein dahergelaufener Flüchtling seinen Pass
       weggeworfen“ –, dann habe er „sein Gastrecht in der Partei verwirkt“ und
       man werde „hart durchgreifen“: „Er ist doch strafmündig, oder?“ Merz
       blättert im Strafgesetzbuch. „Müssen wir da was machen? Der Carsten wollte
       doch irgendwas ändern, damit auch Zwölfjährige … Ach so, zwölf ist er
       nicht? Na dann.“ Er klappt das Buch wieder zu und scherzt: „Hoffen wir mal,
       dass ich seinen Namen nicht eines Tages im Zentralregister für psychisch
       Auffällige finde.“
       
       Dem widerspricht der Intelligenzforscher Herrmann Flöhe von der Berliner
       Humboldt-Universität. Koryphäen wie Carsten Linnemann würden häufig als
       verschroben abgetan und verkannt. „Das ist mal wieder typisch deutsch.“
       Tatsächlich jedoch zähle der CDU-Generalsekretär zu den besonders
       Hochbegabten, die schon im frühen Lebensalter wirklich herausragende
       Leistungen zeigten. „Man kann ihn in einem Atemzug nennen mit Wunderkindern
       wie Mozart, Carl Friedrich Gauß oder dem Schachgenie Samuel Reshevsky.“
       
       Auch einer weiteren, womöglich noch grandioseren politischen Laufbahn stehe
       nichts im Wege, sagt der Wissenschaftler, man müsse es nur wollen. „Denken
       Sie an Tutanchamun, er war neun Jahre alt, als er in Ägypten zum Pharao
       ernannt wurde. Pu Yi, der letzte Kaiser von China, kam mit zwei Jahren auf
       den Thron. Und da stellen wir uns an, weil jemandem ein paar Monate bis zur
       Volljährigkeit fehlen?“ Flöhe lächelt milde. „Die Tage von Friedrich Merz
       sind gezählt, bevor sie begonnen haben.“
       
       3 May 2025
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tanja Kokoska
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Carsten Linnemann
 (DIR) CDU
 (DIR) Jugendliche
 (DIR) Garten
 (DIR) Alexander Dobrindt
 (DIR) Einzelhandel
 (DIR) Automobilbranche
 (DIR) Sahra Wagenknecht
 (DIR) Justiz
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Wahrheit: Zurück zum Halm, ran an den Rasen
       
       Eine neue rechte und brandgefährliche Graswurzelbewegung hat Deutschland
       und seine überaus gepflegten Gärten fest im stählernen Griff.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Vier auf einen Streich
       
       Hat Alexander Dobrindt heimlich Nachwuchs gezeugt? Eine Blutspurensuche mit
       politischem Sprengstoff im Umfeld des Bundesinnenministers.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Quengelware Panzerfaust
       
       Mit Waffensonderangeboten möchte der arg gebeutelte deutsche Einzelhandel
       vom lebhaften Aufschwung in der Rüstung profitieren. Ein Lagebericht.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Volkswohnen im Touareg
       
       Sensationelle Wende auf dem Immobiliensektor: Der Autokonzern VW löst die
       große Wohnungsnot auf seine ganz eigene Art.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Sprossen vom Genossen
       
       Glück in der Politik, Pech in der Liebe: Das Traumpaar Sahra Wagenknecht
       und Oskar Lafontaine geht künftig getrennte Wege. Ein exklusiver Ehereport.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Knackwurst oder Knast
       
       Sommerjustiz im Freien: Im Frankfurter Goethebad gibt es jetzt das erste
       Schnellgericht eines Staatsanwalts am Beckenrand. Mit planschendem Richter.