# taz.de -- Theaterschaffende über Verbindungen: „Ich kann die Anziehungskraft nachvollziehen“
       
       > Das Kollektiv „Institut für Kontrolle und Exzess“ hat zu
       > Studentenverbindungen recherchiert. Daraus entstand das Stück „saufen
       > fechten heidelberg“.
       
 (IMG) Bild: Performance auf der Grundlage von viel Recherchearbeit: Szene aus dem Stück „saufen fechten heidelberg“
       
       taz: Goldie Röll, Leon Wieferich, gibt es einen bestimmten Typ Mensch, der
       in studentische Verbindungen eintritt? 
       
       Goldie Röll: Wir haben mit vielen verschiedenen Verbindungen gesprochen. Es
       gibt bestimmte Narrative, die uns immer wieder begegnet sind. Aber ich
       glaube nicht, dass man es pauschalisieren kann.
       
       Leon Wieferich: Wir haben bei unseren Aufführungen aber oft Korporierte im
       Publikum, also Mitglieder von Studentenverbindungen. Und man muss sagen:
       Wir erkennen sie immer.
       
       taz: Woran? 
       
       Wieferich: Es gibt einen bestimmten Habitus. Die Leute verändern sich auch
       oft dahingehend. Personen, mit denen wir vor Jahren gesprochen haben, sind
       heute deutlich näher an diesem Bild. Der Kleidungsstil hat sich verändert,
       der Gang, die Präsenz in der Öffentlichkeit.
       
       taz: Wenn Sie von „wir“ sprechen, meinen Sie das „Institut für Kontrolle
       und Exzess“. Wer steckt dahinter? 
       
       Röll: Das Institut besteht aus fünf Mitgliedern. Wir haben uns am Theater
       Heidelberg durch dieses Projekt zusammengefunden. Wir beide sprechen
       stellvertretend für das Kollektiv. Das zeigt unseren Schaffensprozess: Eine
       kollektive Arbeit, die nicht so aufgeteilt war wie in klassischen
       Theaterprozessen.
       
       taz: Wie lief die Recherche ab? 
       
       Röll: Wir haben uns am Anfang auf eine simple Onlinerecherche begeben. Dann
       wollten wir in direkten Kontakt treten. Unser Aufruf auf Social Media wurde
       von einer Korporierten-Meme-Seite geteilt, so haben wir viel Aufmerksamkeit
       bekommen. Wir haben dann mit Korporierten gesprochen, mit Menschen aus der
       Aktivitas und Alten Herren, mit Damenverbindungen und mit Aussteigern, um
       ein möglichst breites Spektrum zu sammeln.
       
       taz: Haben diese Gruppen alle eine ähnlich wichtige Rolle für Sie gespielt? 
       
       Röll: Die Aussteiger waren besonders wichtig, weil Verbindungsmitglieder im
       Gespräch ein bestimmtes Bild von sich präsentieren. Da war es hilfreich,
       internes Wissen zu haben, um weiter zu kommen als das geplante Image.
       
       Wieferich: Diese Welt ist sich der Außenwahrnehmung bewusst und sehr gut
       darin, sie zu lenken. Wenn Recherchefehler gemacht werden, schmettern die
       Korporierten jegliche Kritik ab. Wir wollten deshalb sehr tief in das Thema
       gehen. Damit diese Menschen richtig widergespiegelt werden und sich unsere
       Kritik anhören. Unserer Recherche wird auch attestiert, akkurat und genau
       zu sein.
       
       taz: Wie viel durften Sie bei den Verbindungen sehen? 
       
       Röll: Wir waren auf mehreren Häusern und haben die Tour gekriegt, die man
       in Dokus sehen würde. Wir durften innerhalb der Gruppe aber
       Unterschiedliches sehen. Es gab zum Beispiel ein Interview mit einem Alten
       Herren. Da ging es um Mensur, also den Fechtkampf, und ich habe gefragt, ob
       wir zugucken können. Und er meinte: „An sich schon, aber Sie halt nicht.
       Ihr Kollege vielleicht.“ Ich habe das nicht verstanden, bis Ida mir ins Ohr
       flüsterte: „Weil wir Frauen sind.“
       
       taz: Was hat Sie bei der Recherche überrascht? 
       
       Wieferich: Das Verbindungswesen ist erst mal [1][diverser als erwartet].
       Dennoch gibt es eben auch Bünde, die [2][dem Bild der rechten Kaderschmiede
       entsprechen]. Und mich hat überrascht, wie sehr ich die Anziehungskraft
       nachvollziehen kann. Weil die Verbindungen so viel Wichtiges für junge
       Menschen abhaken: Wohnraum, Zugehörigkeit und berufliche Perspektive durch
       Netzwerke. Dass das jedoch meist ganzen Personengruppen – etwa wegen ihres
       Geschlechtes – verwehrt bleibt, kritisieren wir.
       
       Röll: Mich hat auch überrascht, wie viele bekannte und einflussreiche
       Persönlichkeiten korporiert sind, zum Beispiel [3][Winfried Kretschmann]
       oder [4][Friedrich Merz].
       
       Wieferich: Und der krasse [5][Unwillen zur Reform]. Es ist schwierig, etwas
       zu ändern, weil sich die Verbindungen auf so lange Tradition berufen.
       
       12 Apr 2025
       
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