# taz.de -- Bei Flüchtlingswohnungen abgesahnt: Korruptionsverdacht in Osnabrücker Verwaltung
       
       > Mitarbeitende der Stadtverwaltung Osnabrück haben offenbar Vermieter und
       > Wohnungssuchende bei der Vermittlung abgezockt. Leidtragende waren
       > Migranten.
       
 (IMG) Bild: Keine Dauerlösung: Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete
       
       Osnabrück taz | In Osnabrück wird, immer kurz nach Neujahr, ein skurriler
       Brauch gepflegt, der bis ins Mittelalter zurückreicht: Mitglieder des Rates
       und der Stadtgesellschaft geben sich die Hand. Das soll zeigen: Das
       solidarische Miteinander, das Wohl der Allgemeinheit, steht über allem.
       
       Manches dieser symbolhaften Harmonie ist nur Kosmetik. Aber der
       Korruptionsverdacht, unter dem derzeit fünf Mitarbeitende der Stadt
       stehen, sucht seinesgleichen. Am Vormittag des 13. März durchsuchen die
       Zentrale Kriminalinspektion und die Staatsanwaltschaft Osnabrück deren
       Büros und Privatwohnungen. Sie gehen nicht mit leeren Händen.
       
       Den Beschuldigten, Verbeamteten wie Angestellten, in einem Fall auch in
       Leitungsfunktion, wird vorgeworfen, „gegen Zahlung von Geld Einfluss auf
       die Verteilung und [1][Unterbringung von Migranten] genommen zu haben“, wie
       Oberstaatsanwalt Alexander Retemeyer, Sprecher der Staatsanwaltschaft
       Osnabrück sagt.
       
       Dabei sollen sie „arbeitsteilig als Vermittler und Entscheider vorgegangen
       sein“. Es bestehe der Verdacht, „dass sie Vermietern, die der Stadt
       Wohnraum zur Unterbringung von Migranten zur Verfügung stellen, gegen
       Geldzahlung bevorzugt Migranten zugewiesen haben sollen“. Und die
       Beschuldigten hielten nicht nur bei den Vermietern die Hand auf, sondern
       auch bei den Migranten, die Wohnungen suchten.
       
       ## Verdeckte Ermittlungen
       
       Im Visier steht der Fachdienst Soziales/SGB XII. Die Vorwürfe, bestätigt
       Stadtsprecher Arne Köhler der taz, werden Mitarbeitenden gemacht, die sich
       um die Wohnraumversorgung gekümmert haben. Die Stadt habe die
       Staatsanwaltschaft „zu jedem Zeitpunkt bei ihren Ermittlungen unterstützt“.
       
       Monate verdeckter Ermittlungen waren der Durchsuchung vorausgegangen. Schon
       2022 hatte es Hinweise gegeben, durch ein Verfahren gegen
       Schleuserkriminalität. Die „illegale Einreise oder Einbürgerung von
       Migranten“ sei jedoch nicht Gegenstand der Ermittlungen, betont die
       Staatsanwaltschaft.
       
       Sie hat strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Stadt hat
       die Beschuldigten von ihren Aufgaben entbunden, der Verwaltungsausschuss
       einer Sonderprüfung durch das Rechnungsprüfungsamt zugestimmt.
       
       Der Vorfall sei „schwerwiegend“, befand Oberbürgermeisterin Katharina
       Pötter (CDU) in einer Erklärung. Sie war in Osnabrück einst selbst
       Stadträtin für Soziales. Man nehme den Verdacht zum Anlass, „sämtliche
       internen Abläufe und Kontrollmechanismen gründlich zu überprüfen und
       gezielt zu verbessern“.
       
       ## Bürgermeisterin bittet um Entschuldigung
       
       Pötter hat die OsnabrückerInnen um Entschuldigung gebeten: „So wie wir
       unseren Mitarbeitenden vertrauen, vertrauen uns als Verwaltung die
       Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt.“ Durch das mutmaßlich kriminelle
       Verhalten einzelner sei die Stadt diesem Vertrauen leider nicht
       vollumfänglich gerecht geworden.
       
       Mit den Geflüchteten hat es eine vulnerable Gruppe getroffen. Das System
       dahinter, die Vernetzung, das Prozedere der Geschäftsanbahnung, wirft noch
       Rätsel auf. Die gesicherten Unterlagen würden nun ausgewertet, sagt
       Staatsanwalt Retemeyer. Die Höhe möglicher Zahlungen, sei bislang „völlig
       unklar“. Ein Problem: Wer zahlt, auch wenn unter Druck, auch wenn genötigt,
       macht sich selbst strafbar. Das verschließt jetzt vielleicht Münder.
       
       „Ich bin echt entsetzt über die Vorgänge“, schreibt [2][Volker Bajus,
       grüner Ratspolitiker und Landtagsabgeordneter], der taz. „Wenn sich das
       bewahrheitet, dann wäre das der größte Korruptionsskandal in Osnabrück, den
       ich in 30 Jahren Kommunalpolitik erlebt habe.“ Da sei dem Ansehen der Stadt
       und den vielen Mitarbeitenden, die täglich einen guten Job machten, großer
       Schaden zugefügt worden.
       
       Es sei beschämend, dass „die Schwäche und Verzweiflung von hilfsbedürftigen
       Menschen von Kriminellen ausgenutzt werden konnte“, findet Bajus. Die
       Verwaltung dürfe sich jetzt nicht nur mit der organisatorischen
       Aufarbeitung beschäftigen, sondern müsse sich auch um die Geschädigten
       kümmern. „Die Opfer sollten zudem die Möglichkeit haben, anonym auszusagen,
       um sie bestmöglich zu schützen“, fordert Bajus.
       
       Die [3][städtische Anti-Korruptionsbeauftragte] sei „von dem Moment an, als
       die Staatsanwaltschaft die Stadt um Unterstützung ihrer Ermittlungen
       gebeten hat“, eng in das Verfahren eingebunden gewesen, schreibt
       Stadtsprecher Köhler der taz. „Sie wird zudem eine wichtige Rolle bei der
       internen Aufarbeitung des Vorgangs spielen, insbesondere im Hinblick auf
       die Frage, welche zusätzlichen präventiven Maßnahmen ergriffen werden
       können, um solche Vorgänge künftig so gut es geht auszuschließen.“
       
       25 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Unterbringung-von-Gefluechteten/!t5223780
 (DIR) [2] /Maassen-Partei-vor-Bundestagswahl/!6062221
 (DIR) [3] https://service.osnabrueck.de/dienstleistungen/-/egov-bis-detail/einrichtung/6200/show
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Harff-Peter Schönherr
       
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