# taz.de -- Kommunalpolitik in Lüneburg: Machtspiele in der Heide
       
       > In Lüneburg eskaliert die Sozialdezernenten-Wahl – es geht um einen alten
       > Skandal und das heikle Verhältnis von SPD und grüner Oberbürgermeisterin.
       
 (IMG) Bild: Hinter der historischen Rathausfassade in Lüneburg wird mit harten Bandagen gekämpft
       
       Hannover taz | Die Wahl einer Sozialdezernentin auf kommunaler Ebene
       interessiert normalerweise vor allem diejenigen, die es unmittelbar
       betrifft. In der Stadt Lüneburg hat sie aber jetzt ungewöhnlich hohe Wellen
       geschlagen.
       
       Die Kandidatin, Gabriele Scholz, war vorher Leiterin des Landesjugendamtes
       in Hamburg. Und von dort ist sie nicht unbedingt im Guten geschieden. Für
       Empörung hatte im Januar 2024 gesorgt, dass sie gleich eine ganze Reihe von
       Jugendverbänden [1][vom Verfassungsschutz überprüfen] lassen wollte.
       
       Das betraf vor allem die Vereine, die in der Arbeitsgemeinschaft
       Interkultureller Jugendverbände (AGIJ) organisiert waren. Vordergründiger
       Anlass war, dass ein einzelner Verein im Kontakt mit dem „Roten Aufbau“
       stand, einer kommunistischen Gruppe, die im Verfassungsschutzbericht
       auftaucht.
       
       In dem Dachverband soll der Verein aber eher inaktives Mitglied gewesen
       sein und auch schon länger keine Zuwendungen erhalten haben. Trotzdem nahm
       das Landesjugendamt ihn zum Anlass, eine Liste aller Mitgliedsvereine und
       wohl auch von Einzelpersonen an den Verfassungsschutz zu übersenden, um
       prüfen zu lassen, ob sich hier weitere Extremisten fänden.
       
       ## Verfassungsschutzanfragen in der Jugendförderung
       
       Diese Art von allgemeiner Misstrauenserklärung sorgte für großen Aufruhr
       unter den Vereinen und Verbänden. Und eigentlich, das geht aus einer
       Antwort des Hamburger Senats hervor, gab es dafür auch keine
       Rechtsgrundlage. Eine Regelabfrage ohne konkrete Verdachtsmomente ist nicht
       vorgesehen. Sie sei in diesem Fall nur „ausnahmsweise“ erfolgt.
       
       Ans Licht gekommen war dies durch [2][hartnäckige Anfragen der
       Linken-Bürgerschaftsabgeordneten Olga Fritzsche]. In ihren Anfragen ist
       außerdem von Mobbing- beziehungsweise Bossing-Vorwürfen im Landesjugendamt
       die Rede, von hohen Krankenständen und vakanten Stellen – diese Vorwürfe
       hat die Behörde allerdings zurückgewiesen.
       
       Gabriele Scholz schied in der Folge trotzdem aus dem Dienst, und zwar nicht
       in gegenseitigem Einvernehmen. Bis heute ist ein arbeitsrechtliches
       Verfahren anhängig. Denn Scholz, die selbst Juristin ist, sieht sich immer
       noch im Recht.
       
       Es sei nun einmal so, dass Verfassungsfeinde nicht gefördert werden dürfen,
       sagte sie auch in der Lüneburger Ratssitzung noch einmal. Im Übrigen habe
       sie die Jugendverbände vor Vorverurteilung und Unterwanderung schützen
       wollen.
       
       Ihre Bewerbung auf eine ähnliche Position, das Amt der Ersten Beigeordneten
       im ostwestfälischen Minden, war auf den letzten Metern daran gescheitert,
       dass sie diesen Rechtsstreit verschwiegen hatte. Das, so sagen es Leute,
       die am Verfahren beteiligt waren, habe sie in Lüneburg klüger gemacht.
       
       ## Oberbürgermeisterin stellt Ratsfrau an den Pranger
       
       Trotzdem sorgte ihre Nominierung dort für Wirbel. Die [3][grüne
       Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch hatte die Personalie zunächst im
       kleinen Kreis verhandeln] wollen, aber irgendwie gelangten der Name der
       Kandidatin und ihre Vorgeschichte dann doch ziemlich schnell in die
       Öffentlichkeit, [4][über das Online-Portal „Lüneburg aktuell“].
       
       Das wollte Kalisch so nicht hinnehmen und griff in der Ratssitzung zu
       ziemlich drastischen Maßnahmen. Sie beschuldigte öffentlich die SPD, für
       die Durchstechereien verantwortlich zu sein. Mehr noch, sie benannte
       namentlich alle Mitglieder der vertraulichen Runde und erklärte, sie habe
       von allen eine schriftliche Erklärung erhalten, keine Informationen
       weitergegeben zu haben – abgesehen von der Vertreterin der SPD.
       
       Das war, wie sich schnell ableiten ließ, Andrea Schröder-Ehlers, die
       stellvertretend für ihre Fraktionsvorsitzenden an der Sitzung teilgenommen
       hatte. Für die ist das nun ziemlich unangenehm, weil das Ganze [5][über das
       Hintergrundmagazin „Rundblick]“ auch in die Landespolitik transportiert
       wurde – immerhin ist Schröder-Ehlers auch Vizepräsidentin des
       Landesrechnungshofes.
       
       Die SPD-Ratsfraktion wurde von dieser Attacke kalt erwischt und war erst
       einmal perplex, dann forderte sie eine längere Sitzungsunterbrechung zur
       Beratung, nach der man sich gegen diese „Inszenierung“ verwahrte.
       
       Der Kreis der Eingeweihten, sagen die Sozialdemokraten, sei zum Zeitpunkt
       des Erscheinens der Online-Berichte schon längst viel größer gewesen, weil
       sich die Kandidatin ja auch noch in den Fraktionen vorgestellt habe. Später
       forderte man [6][deshalb via Lokalzeitung auch noch eine Entschuldigung.]
       Darauf mochte sich die Bürgermeisterin bisher aber nicht einlassen.
       
       Ihre Kritiker werfen ihr vor, es sei nicht das erste Mal, dass sie bei der
       Personalauswahl kein glückliches Händchen beweise. Scholz’ Vorgänger im
       Sozialdezernat, der ITler Florian Forster aus Bremen, hatte nach nur zwei
       Jahren frustriert hingeworfen.
       
       Im Dezember hatte die neue Leiterin für den Fachbereich Kultur und Sport,
       Heike Horn, für Schlagzeilen gesorgt. Sie hatte sich erst ein paar Wochen
       zuvor aus gesundheitlichen Gründen als Bürgermeisterin von Langeoog
       abwählen lassen.
       
       ## Nicht der erste Konflikt dieser Art
       
       Unterstützer der Oberbürgermeisterin verweisen dagegen darauf, dass es vor
       allem die SPD sei, die Kalisch mit Hingabe Knüppel zwischen die Beine werfe
       – wohl weil sie den Verlust des Rathauses nicht verwinden kann, in dem bis
       2021 dreißig Jahre lang Ulrich Mägde (SPD) das Sagen hatte.
       
       Kalisch rechtfertigt ihr Vorgehen damit, dass es auch in früheren
       Bewerbungsverfahren schon Indiskretionen gegeben habe, die sowohl die
       Kandidaten als auch die Stadt als Arbeitgeberin beschädigten.
       
       Wichtige andere Fraktionen stehen jedenfalls in dieser Sache treu an der
       Seite der Oberbürgermeisterin. Von einem „politisch unwürdigen Stil, der
       der SPD gar nicht gut zu Gesicht steht“, spricht CDU-Chef Wolfgang
       Goralczyk.
       
       Und die neue Sozialdezernentin? Habe mit Offenheit und ihrer Persönlichkeit
       überzeugt, sagen übereinstimmend die Fraktionsvorsitzenden von Grünen, FDP
       und CDU. Man freue sich auf die Zusammenarbeit.
       
       11 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Troll-Debatte-in-Niedersachsens-Landtag/!6044299
 (DIR) [2] /Zwangsraeumungen-in-Hamburg/!6070818
 (DIR) [3] /Kommunalwahlen-in-Niedersachsen/!5800304
 (DIR) [4] https://www.lueneburgaktuell.de/artikel/wie-der-rat-sich-in-die-ecke-stellen-laesst/
 (DIR) [5] https://www.rundblick-niedersachsen.de/hat-lueneburger-spd-ratsfrau-schroeder-ehlers-vertrauliche-informationen-durchgestochen/
 (DIR) [6] https://www.landeszeitung.de/lokales/lueneburg-lk/lueneburg/maulwurf-eklat-im-lueneburger-rat-spd-fordert-entschuldigung-von-der-oberbuergermeisterin-6CBPDHH34JDZ3AIIOEQPIY6EVQ.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nadine Conti
       
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