# taz.de -- Migrationspolitik in Frankreich: Wettrennen der Hardliner
       
       > Frankreich erschwert die Einbürgerung auf der Insel Mayotte. Nicht nur
       > mit diesem Vorstoß machen die Konservativen dem rechtsextremen RN
       > Konkurrenz.
       
 (IMG) Bild: Macht mit rassistischen Vorschlägen Stimmung: Laurent Wauquiez im März in der Nationalversammlung in Paris
       
       Paris taz | Das französische Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, das im
       Inseldepartement Mayotte im Indischen Ozean den Zugang zur französischen
       Staatsbürgerschaft erschwert. Nach dem Senat hat am Dienstagabend auch die
       Nationalversammlung dem Vorschlag der Konservativen mit den Stimmen der
       Macronisten und der extremen Rechten zugestimmt.
       
       Die linke Opposition will gegen diese gezielte Verschärfung eine
       Verfassungsklage einreichen. Denn mit den neuen Regeln für Mayotte wird
       nicht nur das Prinzip der Gleichbehandlung verletzt, sondern auch die lange
       Tradition des „Jus soli“ gebrochen, die grundsätzlich den in Frankreich
       Geborenen ein Anrecht auf die Staatsbürgerschaft zuerkennt.
       
       Die Situation auf der zwischen Madagaskar und dem afrikanischen Kontinent
       gelegenen Inselgruppe ist aufgrund einer massiven und meist illegalen
       Zuwanderung aus den benachbarten Komoren speziell und in allen sozialen
       Bereichen prekär. Rund die Hälfte der schätzungsweise 320.000 Einwohner
       sind erst in den letzten Jahren – in der Hoffnung auf bessere
       Lebensbedingungen – von den Komoren gekommen.
       
       Ein Großteil von ihnen hatte in slumähnlichen Siedlungen Zuflucht, in denen
       der [1][verheerende Wirbelsturm Chido] im vergangenen Dezember besonders
       schwere Verwüstungen angerichtet und eine noch unbekannte Zahl von
       Todesopfern gefordert hat.
       
       ## Konservativer macht dem RN Konkurrenz
       
       Um für ihre Neugeborenen in den Genuss der französischen
       Staatsangehörigkeit zu kommen, versuchen seit Jahren schwangere
       Komorerinnen – meist unter Lebensgefahr in kaum seetüchtigen Barken – für
       die Niederkunft in das Krankenhaus von Mayotte zu gelangen.
       
       Ob die auf Mayotte zugeschnittene Einschränkung der Erlangung der
       französischen Nationalität an dieser Einwanderung etwas ändert, ist
       fraglich. Bisher bereits galt seit 2018 die Bedingung, dass sich die Mutter
       oder der Vater seit drei Monaten legal auf Mayotte aufgehalten haben
       musste, damit ein Neugeborenes ausländischer Eltern das Recht auf
       Einbürgerung bei der Volljährigkeit bekam.
       
       Neu müssen nun beide Elternteile einen 12-monatigen Aufenthalt
       bescheinigen. Als Sonderfall sollen Alleinerziehende behandelt werden,
       wobei nicht klar ist, wie und wann das definiert wird.
       
       Vor allem der konservative Innenminister Bruno Retailleau setzt sich seit
       Monaten für diese gezielte Restriktion ein. Er macht mit seinen
       Vorschlägen zur laufenden gesetzlichen Verschärfung der Immigrationspolitik
       den [2][Rechtspopulisten des Rassemblement National] (RN) Konkurrenz und
       möchte sich erklärtermaßen als Kandidat der Rechten bei den
       Präsidentschaftswahlen profilieren. Er steht damit in einem Wettstreit mit
       seinem Parteikollegen Laurent Wauquiez, dem Retailleau auch den
       LR-Parteivorsitz streitig macht.
       
       ## Nicht der „Mülleimer Frankreichs“
       
       Wauquiez hat indes nicht die Absicht, sich auf diesem Terrain überbieten zu
       lassen. Er macht in verschiedenen Medien des rechtslastigen Milliardärs
       Vincent Bolloré Schlagzeilen mit seinem Vorstoß: Er will illegale und als
       „gefährlich“ geltende Immigranten, die einem Ausreisebefehl (OQTF) nicht
       freiwillig Folge leisten, auf die französische Insel Saint-Piette et
       Miquelon im Nordatlantik deportieren und dort „einsperren“.
       
       Er setze damit explizit auf den „abschreckenden Effekt“ dieser Drohung,
       diese meist aus Afrika stammenden Leute auf ein Eiland zu schicken, „wo die
       Durchschnittstemperatur 5 Grad beträgt und wo es 146 Tage im Jahr regnet
       oder schneit“.
       
       „Wir sind doch nicht der Mülleimer Frankreichs!“, empörten sich in
       Saint-Pierre et Miquelon die lokalen Politiker von links bis ganz rechts
       über Wauquiez’ offenbar ernst gemeinte Idee, die 4.000 km von Paris
       entfernte Insel aufgrund der klimatischen Bedingungen in ein Straflager zu
       verwandeln. Auch der Minister für Frankreichs Überseegebiete, Manuel Valls,
       kritisiert dies scharf: „Das ist eine unwürdige kolonialistische Methode.
       Die Strafkolonie von Cayenne, das ist vorbei, und das ist gut so.“
       
       Frankreich hatte während Jahrzehnten im Rahmen der [3][Kolonialisierung]
       Häftlinge und auch politische Gegner (zum Beispiel nach der Niederschlagung
       der Pariser Kommune 1871) nach Neukaledonien und Französisch-Guyana
       deportiert. Die berüchtigte Strafkolonie von Cayenne (auch bekannt durch
       den Film „Papillon“ mit Steve McQueen) wurde 1938 definitiv geschlossen.
       
       Doch die Idee einer Wiederöffnung erscheint gewissen Politikern seit
       Längerem sinnvoll, um von sich reden zu machen: 2014 schlug der
       Rechtsaußen-Politiker Nicolas Dupond-Aignan vor, nach dem amerikanischen
       Vorbild von Guantanamo Dschihadisten in ein Straflager in Cayenne zu
       schicken.
       
       9 Apr 2025
       
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