# taz.de -- Linke Antworten auf Trump: Die dunkle Seite der Macht
       
       > Überwältigung durch Tempo – damit attackiert Donald Trump nicht nur die
       > USA. Statt zu erstarren, muss die Linke sich auf ihre Radikalität
       > besinnen.
       
 (IMG) Bild: ⁦Mit Kaleidoskopfilter: Trump-Anhängerin bei seiner Rede vor dem Kongress⁦ am 4. März
       
       Im „Star Wars“-Klassiker „Das Imperium schlägt zurück“ fragt Luke
       Skywalker: „Ist die dunkle Seite stärker?“ „Nein“, ist die Antwort von
       Meister Yoda, „nein, nein: Schneller. Leichter. Verführerischer.“ Auch wer
       die faschistischen Protagonisten von Trump bis Putin – dazwischen liegt
       nicht nur geografisch die AfD – widerlich findet, kann fasziniert davon
       sein, wie schnell diese Gestalten handeln, wie leicht ihnen ihre Untaten zu
       fallen scheinen, wie viel Selbstbewusstsein sie ausstrahlen und wie wenig
       diejenigen, die sich eben noch als ihre entschiedensten Gegner
       präsentierten, ihnen entgegenzusetzen haben.
       
       Gerade die Trump-Regierung vermittelt mehr als einen Hauch von
       „Blitzkrieg“. Sie agiert überfallartig und trotz größenwahnsinniger Ziele
       spielerisch, an vielen Fronten gleichzeitig und zeigt sich dabei mit Kalkül
       offen, ganz bewusst jenseits altmodischer Hinterzimmerpolitik: etwa wenn
       ein ehemaliger enger Verbündeter – der ukrainische Präsident Wolodymyr
       Selenskyj – [1][in einer „great television“-Session vor den Augen der Welt
       erniedrigt wird.]
       
       Leichtigkeit, Schnelligkeit, Sichtbarkeit, Vielseitig- und
       Gleichzeitigkeit: Wer für die von Trump und Co bevorzugten Attitüden einen
       historischen Ursprung sucht, kann auf einen Text stoßen, von dem wir uns
       nicht hätten vorstellen können, dass er einmal als Anregung rechtsextremer
       Revolutionäre dienen könnte: Der italienische moderne Klassiker Italo
       Calvino wagt in seinen nachgelassenen geplanten Harvard-Vorträgen
       „Amerikanische Lektionen – Sechs Vorschläge für das nächste Jahrtausend“
       von 1988 einen Blick nach vorne. Als raffinierter Literat prüft Calvino die
       Tradition auf „einige Werte, Eigenschaften und Eigenheiten“, denen er eine
       Perspektive für das kommende, also für unser Jahrtausend gibt.
       
       Er nennt dabei unter anderem jene avantgardistischen Qualitäten, mit denen
       Trump gerade reüssiert. Calvino – politisch sozialisiert in der Resistenza
       – wuchs in Italien zur Zeit des Mussolini-Faschismus auf, mit dessen
       Beschleunigung und Brutalisierung des Politischen auch als Fortführung der
       Avantgardebewegung der Futuristen. Letztere feierten Angriff, Aggression
       und kriegerische Männlichkeit und hatten eine Obsession für Tempo und
       Technik. Die Raketen von Musk sind heute das, was der Rennwagen für die
       Futuristen war. Und das ist nicht die einzige Reminiszenz. [2][Das
       Männerbündische und die Lust am Angriff] haben gerade Konjunktur.
       
       ## Die Mafiabosse
       
       Aber wie gehen wir damit um, wenn sich Trump und Konsorten bei ihrer
       lässigen Performance bei den Avantgarden von Moderne und Postmoderne
       bedienen wie aus einem Munitionsdepot? Warum stehen wir hilflos daneben,
       während die Welt um uns herum explodiert? Und vor allem: Wie kommen wir aus
       diesem Albtraum möglichst schnell wieder raus?
       
       Der einfache Weg frei nach Meister Yoda lautet, sich auf die Schwäche
       seiner Gegner zu verlassen, auf die Hoffnung, dass die Logik der Geschichte
       sich schon auf unsere Seite schlagen werde. In dieser Perspektive scheint
       es nur zu absehbar, dass die beiden Mafiabosse Trump und Putin, die ganz
       clanmäßig keine demokratisch-öffentlichen Regeln akzeptieren, über kurz
       oder lang eben einen Mafiakrieg werden führen müssen, weil ein solches
       Shoot-out nun mal das ist, was solche Leute tun, wenn sie mit dem
       gegenseitigen Arschkriechen durch sind und keine Schwächeren mehr zum
       Drangsalieren übrig.
       
       Darauf können wir uns nicht verlassen; schon deshalb nicht, weil die
       Kollateralschäden zu hoch wären, und zwar nicht nur für das Hauptopfer – im
       konkreten Fall des russischen Angriffskriegs die Menschen in der Ukraine,
       deren Recht auf ein Leben in Freiheit, Sicherheit und Würde nicht geringer
       ist als das unsere.
       
       Wenn wir uns davon überzeugt haben, dass das Böse nicht weggehen wird, dann
       müssen wir zusehen, wie wir eigene Stärke zurückgewinnen.
       Interessanterweise finden wir auch dafür bei Calvino, der 1944 als Partisan
       gegen die Nazifaschisten in die Berge ging, einen Hinweis. Was die
       italienische Resistenza ausgezeichnet habe, sei die Begabung gewesen,
       „Gefahren und Schwierigkeiten mit Schwung zu überwinden“. Calvino spricht
       von einer „Mischung aus Stolz auf die eigene Fähigkeit zur Militanz“ wie
       auch einem selbstironischen Umgang mit ebendieser Militanz. Er erinnert
       sich an ein „immer von Großzügigkeit beseeltes Auftreten, das darauf
       bedacht war, jede großzügige Sache zu seiner eigenen zu machen“.
       
       ## Kampf für die eigenen Werte
       
       Echter Wille zum Kampf für die eigenen Werte, ohne sich selbst zu ernst zu
       nehmen, und Großzügigkeit, die wir auch Liebe oder Solidarität nennen
       können, gegenüber allen, die ihren individuellen Weg gehen, um unsere Welt
       zu erhalten oder sogar besser zu machen: Wer sehnt sich nicht danach?
       
       Gerade erleben wir, wie die Umfragewerte der bösartigen AfD immer neue
       Höhen erreichen. Und wir erinnern uns mit Schaudern an die Ampelregierung.
       Nichts geschah dort schnell, leicht und schon gar nicht großzügig. Nie
       hatte man den Eindruck, hier würden entschlossene Leute auf allen wichtigen
       Politikfeldern gleichzeitig entschieden vorrücken. Im Gegenteil verfestigte
       sich, besonders seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2023 zur
       Nichtverwendung der Coronamittel, der Eindruck, dass Entscheidungen
       überhaupt nicht möglich seien, weil immer etwas Administratives,
       Strukturelles, (Europa)rechtliches oder letztlich Finanzielles einem
       Schritt nach vorne entgegenstünde.
       
       Stand dann doch mal was zur Entscheidung an, wurden so offensichtlich wie
       unerklärlich ungeklärte Details so lange durchgestochen, bis das
       Gesamtprojekt gründlich durchlöchert war: Sag noch einmal Wärmepumpe, sag
       noch einmal Taurus, sag noch einmal Tempolimit, Einwanderungs- oder
       Cannabisreform!
       
       Die Ampel blinkte so wild durcheinander, dass alle
       Verkehrsteilnehmer:innen, ob sie nun rasen oder radeln wollten, einfach nur
       noch genervt abschalteten. Und nun schauen wir schockstarr dabei zu, wie
       eine Doge-Armada, derzeit noch mit [3][Elon Musk an der Spitze, beim
       Angriff auf US-Staatsinstitutionen] auf Chaos und Überwältigung setzt –
       euphemistisch als „Bürokratieabbau“ geframt.
       
       ## Links bedeutet: emanzipatorisch für alle Menschen
       
       Das reine Tempo, [4][mit dem hierzulande die Union ihre nicht ganz
       unradikale Handbremswende vollzogen] und der Bundestag das autoritäre
       Schuldenbremsenregime gelockert hat, ist da schon eine Erleichterung: Sie
       bewegt sich doch, die Politik, und zwar nicht nur vollends übel! Es geht
       eben nicht nur darum, das Richtige zu tun; es geht auch darum, wenigstens
       ein bisschen Richtiges sehr schnell zu tun.
       
       Beim Thema Revolution und Tempo müssen wir den Aspekt der Überwältigung
       streifen. Die Überwältigung, die wir gerade empfinden, entspricht nämlich
       einer auf der anderen Seite, und zwar bei jenen, die in den letzten Jahren
       ihre Weltsicht und ihre materiellen und gesellschaftlichen Privilegien
       massiv infrage gestellt sahen und jetzt vom großen Rollback träumen.
       
       Was man linker Identitätspolitik vorwarf, stimmt ja: Sie war links,
       insofern sie emanzipatorisch für tatsächlich alle Menschen dieser Erde war,
       und sie stiftete Identitäten, die nicht sofort auf Dialog und Versöhnung
       aus waren, sondern auf eine neue Welt, in der die versammelten,
       diskriminierten Minderheiten ihr gemeinsames Mehrheitsrecht beanspruchten –
       ganz wie die alte Arbeiterbewegung im 19. und 20. Jahrhundert in ihren
       radikalsten Zeiten.
       
       Verleumdet wurde diese von unten links kommende Emanzipationsbewegung von
       oben rechts als „Elitenprojekt“. Mit dem Effekt, dass sich Multimilliardäre
       plötzlich als Volkstribune und Vertreter der „kleinen Leute“ inszenieren
       können. Und es sind diese Eliten, die jetzt das Rad zurückdrehen wollen mit
       zumindest in den USA einer schweigenden (Wahl)mehrheit im Rücken, die aber
       merkwürdig leise und unsichtbar bleibt: Es gibt keine flächendeckenden
       Pro-Trump-Fackelmärsche, nichts, was etwa der deutschen Hitler-Begeisterung
       1933 ff. auch nur entfernt gleichkäme.
       
       ## „I would prefer not to“ – was Bartleby sagt
       
       Die Trump-Unterstützer:innen scheinen vom Feuerwerk, das er knallen lässt,
       nicht viel weniger überwältigt als wir. Ihr Überwältigung ist allerdings
       eine positive – für sie ist es so, als sei nach Jahren der
       Produktenttäuschung nun endlich jemand in der Hotline, dem man seine
       Probleme nicht nur schildern kann, sondern der auch tatsächlich zackig
       Lösungen anbietet. Dass er dabei eine komische Mütze trägt – so what? Er –
       Trump – liefert!
       
       Der heutige Faschismus erscheint also gerade nicht als aktivistische
       Bewegung, sondern als eher passive, auch speziell in Russland zutiefst
       eingeschüchterte, wenn nicht gleich eingesperrte Ansammlung dumpfer
       Konsumenten, die auf Beschleuniger starren. Ihr fehlt in der Breite
       jugendlicher Elan, obwohl es zweifellos einen Autoritätsdrall in Teilen
       der jungen Generation gibt. Doch am Ende sind sie in West wie Ost schlicht
       zu wenige, um das Ergebnis entscheidend zu beeinflussen. Mussolini war 39,
       als er an die Macht kam, Hitler 43. Trump ist 78, Putin 72.
       
       Den letzten, unvollendet gebliebenen Vorschlag für unser Jahrtausend hätte
       Calvino der consistency gewidmet. Consistency, sagt das Wörterbuch, steht
       für altmodische Sachen: Beständigkeit, Stetigkeit, Stimmigkeit. Calvino
       hätte sich mit Herman Melvilles Romanhelden des passiven Widerstands,
       Bartleby, beschäftigt. Der macht sich mit seinem „I would prefer not to“
       niemals gemein mit den Zumutungen einer Gegenwart, die genau das fordert:
       um jeden Preis dabei zu sein. Wenn unser Denken und Handeln wieder stimmig
       wird, radikal im Nein, aber großzügig, ja liebevoll wie die Partisanen
       gegenüber allen, die Positives beitragen wollen – dann haben wir vielleicht
       noch eine Chance. Denn Liebe ist das eine, wonach sogar die dunkle Seite
       heimlich Sehnsucht hat.
       
       6 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
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