# taz.de -- Wohnungsnotfallhilfe in Berlin: Nicht schönzutrinken
       
       > Zum Ende der Kältehilfesaison zeigt sich, dass die Wohnungsnotfallhilfe
       > überlastet ist. Der Bedarf steigt währenddessen stetig.
       
 (IMG) Bild: Obdachlosigkeit endet nicht mit dem Ende der Kältehilfesaison
       
       Berlin taz | Zwei leere Sternburg Flaschen stehen auf dem Tisch im Eingang.
       Es riecht nach Gras, abgestandenem Rauch und Bier. Im Aufenthaltsraum sitzt
       ein Mann und nippt an seinem Sterni. „Niemand muss nüchtern sein“ steht auf
       einem Sticker an der Tür.
       
       „Trinken ist hier Pflicht“, sagt Lukas Lindner. Er ist Leiter des Wohnheims
       „Neue Chance“ in Kreuzberg, das wohnungslose, chronisch alkoholabhängige
       und substituierte Männer beherbergt. Am Donnerstag hat die Liga der
       Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in das Heim eingeladen, um am
       Ende der Kältehilfesaison die Situation der Wohnungsnotfallhilfe zu
       betrachten. Und die ist überlastet.
       
       Geschätzt leben rund 7.000 Menschen in Berlin auf der Straße. Bis April
       stehen [1][im Rahmen der Kältehilfe noch rund 1.000 Plätze in Unterkünften
       zur Verfügung], ab Mai nur noch 500. Viele werden also wieder in die
       Obdachlosigkeit geschickt.
       
       „Es wird überall im System eng“, sagt Ina Zimmermann, Vorsitzende des
       Liga-Fachausschuss Wohnungsnotfallhilfe. „Die Zahl der Bedürftigen wächst
       und die Verweildauer wird durch die angespannte Situation auf dem
       Wohnungsmarkt immer länger.“ Im Vergleich zum Vorjahr [2][stiegen die
       Hilfeleistungen in der letzten Kältehilfesaison um 25 Prozent]. Auch
       Lindners Wohnheim, das 45 Männer in Einzelzimmern beherbergt, hat eine
       lange Warteliste. Im vergangenen Jahr habe es 12 Einzüge gegeben – bei über
       200 Anfragen.
       
       ## Gewalt und Missbrauch in Unterkünften
       
       Doch auch in den Unterkünften gibt es große Probleme: Gewalt, Missbrauch,
       fehlende Einzelzimmer und das Zusammenleben mit suchterkrankten oder
       psychisch belasteten Menschen ohne ausreichende Sozialhilfe verhindern den
       effektiven Schutz der Bewohner*innen. „Neue Chance“ bekommt Unterstützung
       von der Diakonie, die Notfallversorgung und Medikamentenvergabe übernimmt –
       eine Hilfe, die in anderen Einrichtungen fehlt. Auch im medizinischen
       Bereich wächst die Nachfrage: 2023 stieg die Zahl der Konsultationen um 10
       Prozent im Vergleich zu 2022, so die Liga.
       
       Sie fordert daher eine Neuausrichtung des Systems: bessere Ausstattung,
       Finanzierung und Vernetzung. Wohnungslosigkeit könne bis 2030 nur bekämpft
       werden, wenn die Wohnungsnotfallhilfe auch präventiv wirkt.
       
       [3][Das Ziel ist gesteckt: Bis 2030 will Berlin Obdach- und
       Wohnungslosigkeit überwinden]. Ein „hehres Ziel“, wie Sozialsenatorin
       Cansel Kiziltepe (SPD) einräumt. Doch es wird investiert: Die Ausgaben für
       die Wohnungsnotfallhilfe seien in den letzten 10 Jahren verzehnfacht
       worden, so die Senatorin. 2025 stehen für den Bereich 34 Millionen Euro
       bereit.
       
       Geplant ist zudem ein Unterbringungsgesetz, das die Steuerung und
       Koordination verbessert. Zudem will Kiziltepe das geschützte Marktsegment
       mit über 1.000 Wohnungen stärken und die Anzahl verdoppeln. Doch ohne mehr
       bezahlbaren Wohnraum sei das nicht erreichbar – hier sieht die Senatorin
       den Bund in der Pflicht.
       
       4 Apr 2025
       
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