# taz.de -- US-Forscher schlagen Alarm: Amerikas Schmetterlinge verschwinden
       
       > Die Zahl der Falter ist in den USA seit dem Jahr 2000 um 22 Prozent
       > gesunken. Klimawandel ist eine Ursache, Hauptgrund ist der Einsatz von
       > Insektiziden.
       
 (IMG) Bild: Ein Monarchfalter wird bei einer Schmetterlingszählung in Ohio entdeckt
       
       Washington ap | Wenn die Sonne rauskommt und die Blumen blühen, zeigen sich
       auch Schmetterlinge. Kurz vor Frühlingsbeginn schlagen Forscher in den USA
       indes Alarm. Die Zahl der schönen Falter ist dort seit dem Jahr 2000 um 22
       Prozent zurückgegangen, wie es in einer [1][in der Zeitschrift „Science“
       veröffentlichten Studie] heißt. Als Faktoren gelten der Einsatz von
       Insektiziden, der Klimawandel und Lebensraumverlust.
       
       Den neuen Erkenntnissen liegt eine erste landesweite systematische Analyse
       der Schmetterlingsbestände in den USA zugrunde. Demnach ist deren Zahl in
       den Lower 48 States – also der Gesamtheit der 48 nicht durch Ozeane oder
       internationale Grenzen voneinander getrennten Bundesstaaten – seit der
       Jahrhundertwende um durchschnittlich 1,3 Prozent pro Jahr zurückgegangen.
       114 Schmetterlingsarten weisen dabei erhebliche Populationseinbrüche auf,
       nur bei neun Spezies gibt es eine Zunahme.
       
       „Die Schmetterlinge sind in den vergangenen 20 Jahren weniger geworden“,
       resümiert Nick Haddad, Entomologe an der Michigan State University, der die
       Studie mitverfasst hat. „Und wir sehen keine Anzeichen dafür, dass das
       aufhört.“
       
       ## Monarchfalter wird zur bedrohten Art
       
       Für die ehrgeizige Analyse kombinierte ein Team aus Fachleuten 76.957
       Studien aus 35 Beobachtungsprogrammen und glich sie miteinander ab. Dabei
       wurden 12,6 Millionen Schmetterlinge in einem Zeitraum mehrerer Jahrzehnte
       gezählt. Im Februar ergab eine jährliche Untersuchung, die sich nur dem
       Monarchfalter widmete, einen Tiefstand von weniger als 10.000 erfassten
       Exemplaren. Noch 1997 waren mehr als 1,2 Millionen Monarchfalter gezählt
       worden. US-Bundesbehörden planen, die Tiere auf die Liste der bedrohten
       Arten zu setzen.
       
       Bei vielen rückläufigen Schmetterlingsbeständen ist ein Rückgang von mehr
       als 40 Prozent oder mehr verzeichnet worden.
       
       ## „Katastrophaler und trauriger“ Verlust im Laufe der Zeit
       
       David Wagner, Entomologe der University of Connecticut, lobte den Umfang
       der Studie, an der er nicht beteiligt war. Die jährliche Rückgangsrate möge
       zwar nicht erheblich klingen, sei aber über längere Zeit gesehen
       „katastrophal und traurig“, schreibt der Forscher in einer E-Mail. „In nur
       30 oder 40 Jahren verlieren wir die Hälfte der Schmetterlinge (und anderer
       Insekten) auf einem Kontinent! Der Baum des Lebens wird in einem
       beispiellosen Ausmaß abgeholzt.“
       
       In den Vereinigten Staaten gibt es 650 Schmetterlingsarten. Aber 96 Spezies
       sind so selten, dass sie in den Daten nicht auftauchten, und weitere 212
       wurden nicht in ausreichender Zahl gefunden, um Trends berechnen zu können,
       erklärt der Hauptautor der Studie, Collin Edwards, ein Ökologe und
       Datenwissenschaftler bei der Behörde für Fische und Wildtiere des
       US-Staates Washington.
       
       Die größten Sorgen bereiteten ihr wahrscheinlich jene Arten, die wegen
       ihrer Seltenheit nicht in die Analysen aufgenommen werden konnten, warnt
       die nicht an der Studie beteiligte Entomologin Karen Oberhauser von der
       University of Wisconsin-Madison.
       
       Ihr Kollege Haddad hat sich auf seltene Schmetterlinge spezialisiert. Er
       berichtet, dass er in den vergangenen Jahren lediglich zwei vom Aussterben
       bedrohte Satyre des Heiligen Franziskus gesehen habe – kleine
       Schmetterlinge, die nur auf einem Bombenabwurfplatz auf dem
       US-Militärstützpunkt Fort Bragg in North Carolina leben. „Sie könnten also
       ausgestorben sein“.
       
       Einige bekannte Arten verzeichneten immense Einbrüche. Der Rote Admiral,
       der so ruhig ist, dass er auf Menschen landet, ist um 44 Prozent
       zurückgegangen, und der Amerikanische Distelfalter, der zwei große
       Augenflecken auf seinen Hinterflügeln hat, ging um 58 Prozent zurück,
       erklärt Edwards von der Wildtierbehörde im Staat Washington.
       
       Um 50 Prozent zurückgegangen sei sogar der Bestand des invasiven
       Weißkohlschmetterlings, und damit „eine Art, die gut darauf angelegt ist,
       in die Welt einzudringen“, berichtet Fachmann Haddad. „Wie kann das sein?“
       
       ## Warnzeichen für den Menschen
       
       Der Schmetterlingsexperte der Cornell University, Anurag Agrawal, sorgt
       sich nach eigenen Angaben vor allem um die Zukunft einer anderen Spezies:
       des Menschen. „Der Verlust von Schmetterlingen, Papageien und Schweinswalen
       ist zweifellos ein schlechtes Zeichen für uns; die Ökosysteme, die wir
       brauchen, und die Natur, die wir genießen“, warnt Agrawal, der nicht an der
       Studie beteiligt war, in einer E-Mail. „Sie sagen uns, dass es um die
       Gesundheit unseres Kontinents nicht gut bestellt ist (…) Schmetterlinge
       sind Botschafter für die Schönheit der Natur, ihre Zerbrechlichkeit und die
       gegenseitige Abhängigkeit der Arten. Sie haben uns etwas zu lehren.“
       
       Schmetterlinge würden die Menschen mit der Natur verbinden, erklärt die
       Entomologin Oberhauser. Dies „beruhigt uns, macht uns gesünder und
       glücklicher und fördert das Lernen“.
       
       Was mit den Schmetterlingen in den Vereinigten Staaten passiere, passiere
       wahrscheinlich auch mit anderen, weniger untersuchten Insekten auf dem
       ganzen Kontinent und der ganzen Welt, glaubt Wagner von der University of
       Connecticut. Die vorliegende Analyse hält er nicht nur für die umfassendste
       Schmetterlingsstudie, sondern auch für die datenreichste für ein Insekt
       überhaupt.
       
       Schmetterlinge sind auch Pflanzenbestäuber, wenngleich sie nicht so
       auffällig sind wie Bienen. Doch seien sie etwa eine wichtige Quelle für die
       Bestäubung der texanischen Baumwollpflanzen, weiß Haddad.
       
       Der stärkste Rückgang der Schmetterlinge war im Südwesten der USA zu
       verzeichnen – in Arizona, New Mexico, Texas und Oklahoma. Dort ist deren
       Zahl in den vergangenen 20 Jahren um mehr als die Hälfte gesunken. „Es
       sieht so aus, als ginge es den Schmetterlingen in trockenen und warmen
       Gebieten besonders schlecht“, erklärt Edwards. „Und das trifft auf einen
       großen Teil des Südwestens zu.“ Bei der Untersuchung von
       Schmetterlingsarten, die sowohl im heißeren Süden als auch im kühleren
       Norden lebten, schnitten jene besser ab, die in den kühleren Gebieten
       lebten.
       
       ## Klimawandel, Lebensraumverlust und Insektizide
       
       Aus Sicht der Wissenschaftler Edwards und Haddad wirken Klimawandel,
       Lebensraumverlust und Insektizide beim Populationsschwund zusammen. Von
       diesen drei Faktoren scheinen Insektizide die Hauptursache zu sein, wie
       frühere Untersuchungen im Mittleren Westen der USA zeigen, erklärt Haddad.
       
       Das ergebe Sinn, denn der Einsatz von Insektiziden habe sich seit Beginn
       der Studie dramatisch verändert. „Lebensräume können wiederhergestellt
       werden, und das gilt auch für Schmetterlinge – es gibt also Hoffnung“,
       betont Haddad. „Sie können in Ihrem Hinterhof, in Ihrer Nachbarschaft und
       in Ihrem Bundesstaat etwas verändern. Das könnte die Situation für viele
       Arten wirklich verbessern.“
       
       7 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.science.org/doi/10.1126/science.adp4671
       
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