# taz.de -- Ausstellung zum 9. Neuköllner Kunstpreis: Die Fragilität der menschlichen Seele
       
       > Acht Künstlerinnen präsentieren in der Berliner Galerie im Saalbau
       > künstlerische Subversion in feiner Unaufdringlichkeit. Die Ambivalenz ist
       > spürbar.
       
 (IMG) Bild: Die Kiefer wird zum Symbol der Verbindung in Asako Shirokis „Evergreen“
       
       21 Gramm wiege laut Experimenten eines US-amerikanischen Arztes die
       menschliche Seele. Exakt so viel Öl hat die Künstlerin Asako Shiroki aus
       japanischen und koreanischen Kiefernnadeln destilliert und in ein
       herzgroßes Glas gefüllt. In beiden Ländern symbolisiere der Baum
       Widerstandsfähigkeit, sagt sie.
       
       Das Glas bewegt sich nur leicht, wenn Besucher:innen in den Raum
       treten, und verströmt einen feinen Duft von Kiefer. Ähnlich zaghaft ist die
       Hoffnung auf Zukunft, in die die acht für den diesjährigen Neuköllner
       Kunstpreis nominierten Werke die Galerie im Saalbau hüllen.
       
       Für ihr Kunstwerk „Evergreen“, das die [1][schwierige Beziehung zwischen
       Japan und Korea] thematisiert, hat Shiroki den ersten Preis gewonnen. Die
       mit einem Koreaner verheiratete japanische Künstlerin kondensiert darin
       Autobiografisches und Kollektives. Neben den Wunden der japanischen
       Aggression im Zweiten Weltkrieg sucht sie nach dem, was verbindet.
       
       Die Ambivalenz ist spürbar. Die Kette, an der das Glas hängt, kräuselt sich
       wie eine Ländergrenze auf dem Boden. Aber sie trennt die zwei
       verschwommenen Kiefernfotografien, von denen eine in Korea, eine in Japan
       aufgenommen wurde, nicht, sie verläuft parallel zu ihnen. Eine klare
       Teilung sei von vornherein unmöglich, sagt Shiroki. Die Fotos selbst seien
       schon ineinander gemorpht.
       
       Augenzwinkern und bedrohliche Fragen 
       
       Mit derselben Entschlossenheit unterlaufen auch die anderen sieben
       Kunstwerke – dieses Jahr allesamt von Künstlerinnen – klassische
       Einteilungen. Der Grenzbruch beginnt noch vor der Tür. Der in drei Sprachen
       gedruckte Fensterschriftzug „CARE IS A POLITICAL ACT“ von Rita Adib sprengt
       die Grenze zwischen Museum und Straße, aber auch zwischen Privatem und
       Politischem. Und das gleich in hundertfacher Ausführung.
       
       Wer wo eintreten darf, verhandelt Ida Lawrence kunstvoll in „The Shop. The
       Sign. Particular Folk“. Das Ölgemälde ist übersät von Ladentüren,
       Hundeverbotsschildern, und Hunden in der immer gleichen, wartenden Pose.
       Erst wenn man länger vor dem Bild verweilt, weicht sein anfängliches
       Augenzwinkern der bedrohlichen Frage nach Ausgrenzung.
       
       Der Mensch bleibt ab- und gleichzeitig anwesend in „Riders’ Arc“. Unter
       bunten Gewändern versinkt ein Motorrad. Früher haben sie Frauen in Hanoi
       bedeckt, um ihre Haut vor Sonne und Bräunung, die vietnamesischen
       Schönheitsidealen entgegensteht, zu schützen. Das Fahrzeug klebt [2][Tra My
       Nguyen] mit einer fetten Silikonschicht auf den Boden, und damit auch die
       Normen von Schönheit und Fast Fashion.
       
       Aus der Zeitstarre holen einen die blubbernd-quietschenden Laute, die im
       nächsten Raum ein großer Lautsprecher zum Besten gibt. Erst im Lesen der
       Begleitbroschüre versteht man das immer schrillere Kreischen am Ende der
       Maschinenarie. In der Klanginstallation „AFAIK“ hat Bea Targosz „Hard Data“
       zur Veränderung der Luftschadstoffe weltweit „sonifiziert“. Beruhigt wird
       man dadurch nicht.
       
       Loslassen als Akt der Resilienz 
       
       Einem ungewohnten Dialogversuch begegnet man auch im Acrylbild
       „Technofeudalism Automation“. Im Sinne der „Appropriation Art“ remixt die
       brasilianische Malerin Fernanda Figueiredo wild Zeiten, Kulturen und
       Techniken. Motive des schweizerisch-französischen Architekten Le Corbusier
       werden von Monstergesichtern, präkolumbischen Figuren und grellen AI-Formen
       überlagert.
       
       Die Realitäten bleiben vermischt in den unwirklichen Landschaftsbildern von
       Vanessa Amoah Opoku. „Sunrise to Sunrise (Tricksters), 1.7“ zeigt
       Erinnerungsorte, die es nie gegeben hat. Die deutsch-ghanaische Künstlerin
       zog dafür mit einer 3D-Laserscanapp durch Ghana und Kärnten und legte die
       Landschaften zu neuen Hypothesen zusammen.
       
       Darüber deuten sich in Glasplatten eingravierte Gesichter von fünf
       „tricksters“ an, Widerstandsfiguren wie der spinnenförmige Weisheitsgott
       Anansi aus westafrikanischen Mythen, Symbol der Auflehnung gegen die
       Sklaverei. Gotische Buchstaben laden Besucher:innen ein, einen Zettel
       mit Mantras des Widerstands abreißen und in eine marmorne Wasserschale
       abgeben: Loslassen als Akt von Resistenz.
       
       Schließlich scheitert der Wunsch nach Grenzauflösung, zumindest für „ToM“
       („Tides of Memories“). Die AI-gestützte Maschine träumt davon, Wasser zu
       werden. Ihr Bildschirmkopf zeigt Wasserszenerien, die Geschichten
       scheiternder Migration und kolonialer Gewalt erzählen.
       
       In einer aufwendigen Installation lässt Helin Ulas „ToM“ mit großen,
       alienhaften Lampen kommunizieren. „Ahh“ und „ohh“ ist aber das einzige, was
       die sogenannten „Creatures“ der Maschine antworten können. Sie seien
       Metaphern für Menschen, sagt Ulas. Bei Transporten seien sie mehrmals fast
       kaputtgegangen. „They’re fragile“ – sie sind zerbrechlich.
       
       4 Mar 2025
       
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       Bezirks.