# taz.de -- Konflikt an der Alice Salomon Hochschule: Solidarität mit Präsidentin nach Palästina-Besetzung
       
       > Jüdische Studierende und Mitarbeiter der Berliner Hochschule stellen
       > sich hinter Präsidentin Völter. Die Antisemitismusvorwürfe seien
       > ungerechtfertigt.
       
 (IMG) Bild: Geduldete Besetzung: Banner hängen aus den Fenstern des Audimax der Alice Salomon Hochschule am 7. Januar
       
       Berlin taz | Nach der [1][geduldeten Besetzung eines Hörsaals an der Alice
       Salomon Hochschule (ASH)] durch propalästinensische Aktivist*innen
       haben jüdische Studierende und Mitarbeiter*innen ihre Solidarität mit
       Hochschulpräsidentin Bettina Völter erklärt.
       
       Sieben derzeitige und ehemalige Lehrbeauftragte sowie Studierende der
       Hochschule schreiben [2][in einem öffentlichen Statement], sie stünden
       „voll und ganz hinter der Entscheidung des Präsidiums, die Besetzung und
       die damit verbundenen Äußerungen und Symboliken intern und deeskalierend zu
       beenden und keine polizeiliche Räumung zu veranlassen“. Zudem verteidigten
       sie Völter gegen den Vorwurf, sie habe „in ihrem Handeln Antisemitismus
       geduldet, gefördert oder unterstützt“. Das Gegenteil sei der Fall.
       
       Bettina Völter und die gesamte Leitung der ASH waren wegen ihres Umgangs
       mit der Aktion in die Kritik geraten. Am vergangenen Montag hatten
       Studierende aus Protest gegen das israelische Vorgehen im Gazastreifen das
       Audimax der Hochschule in Hellersdorf besetzt. Nach Gesprächen erlaubte die
       Hochschule den Protestierenden, den Hörsaal bis einschließlich vergangenen
       Donnerstag für „Wissensaneignung, zum Austausch und zur kritischen
       Auseinandersetzung“ zu nutzen. Im Gegenzug mussten die Besetzer*innen
       den Raum jeden Abend zur üblichen Schließzeit der Hochschule verlassen.
       
       Dabei stellte sich Völter schützend vor die Aktivist*innen, als diese am
       ersten Abend aus dem Gebäude traten. Videos in den sozialen Netzwerken
       zeigen ein Wortgefecht mit einem Polizisten, der sich neben der Tür
       postiert hatte. „Wir erleben es als bedrohlich, dass Sie vorn am Eingang
       stehen“, sagt Völter darin, und: „Ich habe Sie nicht gerufen. Wir brauchen
       Sie nicht.“
       
       ## Beihilfe zu Straftaten?
       
       Seitdem reißt die Kritik an Völter nicht ab. Bereits in der vergangenen
       Woche hatten sich der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU),
       Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) und weitere Berliner
       Politiker*innen zu Wort gemeldet. Wegner etwa nannte Völters Handeln
       „völlig unverständlich“ und sprach von „vermummten und gewalttätigen
       Antisemiten“. Zudem bat Wegner Czyborra, „mögliche Maßnahmen“ gegen die
       Hochschulleitung „zu prüfen“. CDU-Fraktionschef Dirk Stettner forderte
       Völter zum Rücktritt auf.
       
       Am Montag befasste sich auch der Innenausschuss des Berliner
       Abgeordnetenhauses mit dem Thema. Innensenatorin Iris Spranger (SPD)
       kritisierte „Verhalten und Äußerungen“ von Völter als „nicht
       nachvollziehbar und deplatziert“. CDU-Innenpolitiker Burkard Dregger warf
       der Hochschulleitung vor, durch die Genehmigung der Besetzung Beihilfe zu
       Straftaten geleistet zu haben.
       
       ## Raum für jüdische Stimmen geschaffen
       
       Die Gruppe jüdischer Hochschulangehöriger widerspricht diesen
       Darstellungen. In dem Schreiben lobt sie zunächst das Handeln von Bettina
       Völter seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023. Völter habe
       sich nicht angemaßt, über die Sorgen und Bedürfnisse der jüdischen
       Studierenden und Mitarbeitenden zu sprechen, sondern diese „aktiv mit ins
       Boot geholt und Raum für unsere eigenen Stimmen geschaffen“. Damit habe sie
       etwas geschafft, „was wir im allgemeinen Diskurs schmerzlich vermissen“.
       
       Vor diesem Hintergrund habe die Besetzung ohne Räumung die Chance geboten,
       „mit den Studierenden an den Erfahrungen zu arbeiten und sie nicht nur
       auszuschließen und gesellschaftlich zu stigmatisieren“. Alle Beteiligten
       der Besetzung pauschal als „Antisemiten“ zu bezeichnen, sei
       „diskriminierend und in dieser Verallgemeinerung schlichtweg falsch“,
       schreiben die Verfasser*innen mit Blick auf die Äußerungen von Wegner.
       „Wenn jede Solidaritätsbekundung mit den Menschen in Gaza als
       Antisemitismus markiert wird, verlieren tatsächliche antisemitische
       Äußerungen und Taten an Bedeutung.“
       
       ## Anzeigen wegen Hamas-Slogans
       
       Gleichwohl sei es während der Besetzung zu antisemitischen Äußerungen und
       Handlungen gekommen, heißt es in dem Statement. Man habe
       Hamas-verherrlichende Symbole gesehen und Parolen gehört. Doch die
       Hochschulleitung habe „mit persönlichem Einsatz deeskalierende Gespräche
       geführt und klare Grenzen formuliert“. Daraufhin seien diskriminierende
       Plakate von den Besetzenden selbst entfernt worden.
       
       Das widerspricht einer [3][Darstellung der Deutschen Journalistinnen- und
       Journalisten-Union] (DJU), wonach die Hochschulleitung bei einem Besuch von
       Pressevertretern vergangenen Donnerstag „eilig belastendes Material von den
       Wänden gerissen“ und Journalisten daran gehindert habe, „es zu
       dokumentieren“.
       
       Die Hochschulleitung hat zwölf Vorfälle allerdings auch zur Anzeige
       gebracht, wie am Montag bekannt wurde. Es seien vier Variationen der Parole
       „From the River to the Sea“ auf Postkarten sowie sechs [4][rote Dreiecke]
       registriert worden, berichtete Wissenschaftsstaatssekretär Henry Marx (SPD)
       im Innenausschuss.
       
       Darüber hinaus sei in „verschieden kontextualisierten Sprüchen“ auf die
       Hamas verwiesen worden – etwa mit dem Schriftzug „Hamas Habibi“ („Hamas,
       mein Liebling“). „Dies sind klar Dinge, die gewalt- und
       terrorverherrlichend sind und einen antisemitischen Charakter aufweisen“,
       sagte Marx.
       
       ## Büste verhüllt
       
       Nicht angezeigt wurde demnach eine Aktion der Protestierenden, die
       weiterhin für heftige Diskussionen sorgt: Zu Beginn der Besetzung war eine
       Büste von Alice Salomon, jüdische Namensgeberin der Hochschule, mit einer
       Kufija verhüllt und auf den Sockel „Palestine“ in roter Schrift gekrakelt
       worden. Tuch und Schriftzug wurden bald wieder entfernt, von wem, ist
       unklar. Von einer „Schändung“ sprach am Montag die „Ständige Konferenz der
       NS-Gedenkorte im Berliner Raum“. Es handele sich um eine „durch nichts zu
       rechtfertigende antisemitische Verhöhnung ihrer Namensgeberin“. Zuvor
       hatten auch Bild-Zeitung und B.Z. den Vorfall als „Schändung“ bezeichnet;
       ein Sprecher der ASH hingegen [5][erklärte laut DJU], die Hochschule würde
       nicht von einer „Schändung“ sprechen.
       
       Neben der Gruppe jüdischer Hochschulangehöriger haben sich in den
       vergangenen Tagen weitere ASH-Mitarbeiter*innen geäußert. Am Freitag wurde
       bekannt, dass Hochschul-Kanzlerin Jana Einsporn, verantwortlich für
       Verwaltung und Finanzen, einen Brief an den Senat geschrieben hat. Darin
       bat sie den Regierenden Bürgermeister um Hilfe. Kollegen hätten ihr „von
       Ängsten und Unsicherheiten berichtet, da die Situation vor Ort weniger
       friedlich wahrgenommen wird, als dies in den Medien dargestellt wird“. Die
       Besetzung verschärfe das Unsicherheitsgefühl der Mitarbeitenden.
       
       Gleichzeitig erhielt Bettina Völter von mehr als 40 Professor*innen und
       weiteren ASH-Mitarbeiter*innen Rückendeckung. In einem weiteren [6][offenen
       Brief], der ebenfalls bereits am Freitag veröffentlicht wurde, erklären
       sie, dass sich die Hochschulleitung im Umgang mit der Besetzung „ihrem
       Bildungsauftrag entsprechend“ verhalten habe. Inzwischen haben knapp 200
       weitere Wissenschaftler*innen den Brief unterzeichnet.
       
       ## „Ein absoluter Skandal“
       
       Dass die Universitätsleitung die Besetzung geduldet habe, sei „ein
       absoluter Skandal“, sagte dagegen Hanna Esther Veiler, Präsidentin der
       Jüdischen Studierendenunion (JSUD) in einem auf Instagram veröffentlichten
       Video. Menschen studierten an der ASH Bildung und Erziehung oder soziale
       Arbeit. „Menschen, die gerade mit Plakaten wie ‚I love Hamas‘ über den
       Campus laufen, das sind Menschen, die in ein paar Jahren
       Sozialarbeiter*innen werden“, sagt Veiler.
       
       Ihr gehe „das Bild nicht aus dem Kopf“, dass diese Leute dann „für Menschen
       verantwortlich sind, die aus Ländern geflohen sind vor genau solchen
       Terrororganisationen, vor Regimen, die die gleiche Ideologie haben wie
       Hamas“ oder auch vor jüdischen älteren Menschen, die oft wegen Armut auf
       Sozialhilfe angewiesen seien. „Und dann haben sie jemanden vor sich, die in
       ihrer Studienzeit Hamas ganz super fand“, sagt Veiler.
       
       „Das fände ich auch bedenklich – wenn diese Studenten kommentarlos agieren
       dürften“, sagt Vered Berman. Sie ist Mitverfasserin des offenen Briefs und
       Lehrbeauftragte an der ASH. „Aber das ist hier nicht passiert. Und das
       schätze ich an der ASH“, sagt sie. Manche Besetzer*innen hätten Grenzen
       überschritten – aber dazu habe es Gespräche gegeben. „Diese Gespräche
       wurden nicht beendet. Es gibt hier eine Diskussionskultur“, sagt Berman.
       
       Auch in ihrem Seminar zum Nahost-Konflikt gäbe es konstruktiven Austausch,
       Meinungen dürften dort aufeinanderprallen. „Ich kämpfe für den Frieden“,
       sagt Berman. Intifada-Rufe oder Hamas-Dreiecke zeigten dagegen den Wunsch
       nach Vernichtung der anderen Seite. „Doch ohne Diskussion gewinnen am Ende
       nur die Radikalen. Dagegen kämpfe ich, so gut ich kann.“
       
       Mitarbeit: Uta Schleiermacher
       
       13 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Hoersaalbesetzung-in-Hellersdorf/!6057104
 (DIR) [2] https://www.ash-berlin.eu/hochschule/presse-und-newsroom/ash-news/stellungnahme-der-hochschulleitung-zur-besetzung-und-protestwoche-im-audimax/
 (DIR) [3] https://x.com/ver_jorg/status/1877613227682537955
 (DIR) [4] /Bewertung-aus-dem-Bundesinnenministerium/!6045565
 (DIR) [5] https://x.com/ver_jorg/status/1877646782479335581%20
 (DIR) [6] https://www.ash-berlin.eu/hochschule/presse-und-newsroom/ash-news/hochschulangehoerige-der-ash-berlin-stellen-sich-hinter-das-praesidium/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hanno Fleckenstein
       
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