# taz.de -- Folgen des Klimawandels für Wintersport: In Jungholz fährt kein Lift mehr
       
       > Weil es zu warm ist und der Schnee ausbleibt, bietet ein Tiroler Dorf
       > sein Skigebiet zum Kauf an. Manche sehen das als Chance für etwas Neues.
       
 (IMG) Bild: Die Enklave Jungholz an einem schönen Winternachmittag 2023
       
       Jungholz taz | Einsam steht die Liftanlage am Berg mit ihren zwei
       Sesselbahnen und vier Liften. Nichts bewegt sich, die Kassen sind zu, an
       dem Haus, an dessen Fassade „Skilifte Jungholz“ geschrieben ist, sind die
       Rollläden runtergelassen. Man könnte schon Ski fahren in diesem auf 1.054
       Metern Höhe gelegenen Dorf in [1][Tirol], wenn die Anlage denn liefe. Tut
       sie aber nicht. Denn die Skiliftgesellschaft ist pleite. „Wir stehen nun
       vor der Herausforderung“, sagt die Bürgermeisterin Karina Konrad im
       Gespräch, „unseren Gästen ein Schneeerlebnis zu liefern ohne Skifahren.“
       
       Die Alpen werden in den Weihnachtsferien wie immer überströmt von
       Urlaubern, die Ski fahren wollen. Zumindest auch. Und in Jungholz, dessen
       Skigebiet vom Berg Sorgschrofen in Höhe von 1.500 Metern bis hinunter
       direkt an das Dorf reicht, läuft kein einziger Lift. Das Skigebiet wird
       verkauft, darüber hatte der „Alpenländische Kreditorenverband“ – eine
       Gläubigerschutz-Vereinigung – schon im Juni 2024 berichtet.
       
       Im Sommer zuvor war die Gemeinde der in Schieflage geratenen Gesellschaft
       noch mit 500.000 Euro beigesprungen, 400.000 Euro davon als
       Bankenbürgschaft. Doch das verzögerte die Insolvenz nur. Nun soll das
       Skigebiet für rund 1,8 Millionen Euro verkauft werden. Geschätzt wird, dass
       weitere 1,5 Millionen benötigt werden für Investitionen, denn die Anlage
       ist in die Jahre gekommen.
       
       Dass die Nachricht vom geplanten Verkauf quer durch Österreich und
       Deutschland die Runde macht, hat manche der 300 Einwohner von Jungholz
       etwas erbost. Man mag keine Negativwerbung, mag nicht vorgeführt werden.
       Kauft sich nun ein Milliarden-Scheich seinen eigenen Berg mit Liften und
       allem drumherum? So etwas konnte man assoziieren. Und so stimmen die
       Berichte zumindest teilweise nicht.
       
       ## Auch ein Kinderspielplatz steht zum Verkauf
       
       „Wir stehen in guten Verhandlungen mit einem Investor“, erzählt die
       Bürgermeisterin. „Wir sind fest davon überzeugt, dass die Liftanlage in der
       Saison 2025/26 wieder öffnet und dann gut betrieben wird.“ Zum Verkauf
       stehen konkret: die Sesselbahnen, die Lifte, 46 Schneekanonen, drei
       Pistenraupen, weitere Fahrzeuge, ein Kinderspielplatz.
       
       Der ganze Berg aber wird nicht verkauft, auch wenn eine solche Geschichte
       gut klingt. Abgegeben werden, so heißt es beim Kreditorenverband,
       „pfandrechtlich belastete Liegenschaften, auf denen die Liftanlagen
       errichtet sind“. Der Käufer hat also das Recht, auf der Fläche das
       Skigebiet zu betreiben. Die Eigentumsverhältnisse sind zersplittert, der
       Berg gehört weiterhin vielen einzelnen Besitzern.
       
       Bürgermeisterin Konrad, eine gelernte Bankerin, macht ihren Job
       ehrenamtlich und erhält eine Aufwandsentschädigung. Sie und der elfköpfige
       Gemeinderat gehören alle der parteiübergreifenden Liste „Gemeinsam für
       Jungholz“ an. Konrad ist auch in der konservativen ÖVP. „Das weiß hier
       jeder“, meint sie.
       
       Sie erscheint als freundliche, verbindliche, resolute Bürgermeisterin. Ein
       wenig gequält fragt sie aber: „Was ist eigentlich so interessant an
       Jungholz und uns 300 Einwohnern?“ Über die Höhe des Kaufpreises gibt sie
       keine Auskunft, ebenso wenig über einen möglichen Investor. Dabei ist ja
       klar, dass dies ein schon jetzt versierter Liftbetreiber sein muss, der die
       Erwartung hat, die Anlage profitabel zu führen.
       
       ## Jungholz steht für die Probleme der Region
       
       Jungholz ist eine österreichische Enklave, umgeben vom bayerischen Allgäu.
       Es verzeichnet bis zu 80.000 Übernachtungen von Urlaubern jährlich. Nach
       Füssen ist es nicht weit, ebenso wenig wie nach Sonthofen oder Oberstdorf.
       Das Dorf zählt aber zum Tiroler Tannheimer Tal. Mit der Lift-Malaise steht
       Jungholz für die ganzen strukturellen Probleme der nicht so hoch gelegenen
       Alpenorte und Skigebiete.
       
       Dass die Probleme eine Folge des [2][Klimawandels] seien, darüber herrscht
       laut der Bürgermeisterin Einigkeit. Die Winter werden wärmer, es fällt
       weniger Schnee, und die Beschneiung mit Schneekanonen ist bei Plusgraden
       auch nicht möglich. Viele Skigebiete werden verschwinden, prognostiziert
       etwa die Fachzeitschrift Nature Climate Change. Laut deren Berechnung hat
       bei einer Erderwärmung um zwei Grad im Vergleich zurzeit vor der
       Industrialisierung die Hälfte der Skiorte in Europa ein sehr hohes Risiko
       für Schneemangel. Die Skifahrer zieht es immer mehr in die hohen Lagen in
       Österreich und vor allem in den Dolomiten.
       
       Erst in diesem Frühjahr gab das Skigebiet am Jenner in der Nähe des
       Königssees ganz auf, die Umstände waren ähnlich wie in Jungholz. Doch die
       Lifte dort laufen weiter, das ganze Jahr über ist die Region ein
       Touristen-Hotspot, auch wenn es aus ist mit dem alpinen Ski.
       
       Der warme Januar 2024 hat die Skiliftgesellschaft in Jungholz letztlich in
       den Ruin getrieben, sagt die Bürgermeisterin: „Wir hatten gehofft, aber
       Skifahren war nicht möglich.“ Für den jetzigen Winter haben sich die
       Jungholzer einiges an Alternativen ausgedacht: „Man kann Wandern und
       Skitouren gehen“, sagt Konrad. Die Vereine veranstalten Glühweinabende, es
       gibt eine Rodel- und eine Eisstockbahn. Außerdem sind Skigebiete anderswo
       leicht zu erreichen, Unterjoch etwa in sieben Kilometern.
       
       Ein Artikel in der Allgäuer Zeitung vor Weihnachten hat die Jungholzer
       nicht erfreut. In der Überschrift war eine Einheimische zitiert worden:
       „Das Dorf ist wie tot.“ Vor den Ferien sei immer wenig los in Jungholz,
       sagt die Bürgermeisterin. Und wie viele Urlauber tatsächlich verloren
       gegangen seien, lasse sich erst nach der Wintersaison ermitteln.
       
       ## Kaum jemand will was sagen
       
       Kaum ein Jungholzer will mehr etwas zur Liftanlage sagen. Auf Anfragen
       reagieren die meisten überhaupt nicht. Manche schreiben, sie haben nie
       Zeit. Und ein Gastwirt teilt mit, dass die Bürgermeisterin die Gemeinde
       sehr gut vertrete.
       
       Einer der wenigen, die zum Gespräch bereit sind, ist Stefan Bühler. Er ist
       Vize-Feuerwehrkommandant. 34 freiwillige Feuerwehrleute haben sie in
       Jungholz, erzählt er, eine stolze Zahl. Schlimmes passiert sei aber
       glücklicherweise schon länger nicht mehr. Er ist 33 Jahre alt,
       Sicherheitsingenieur, stammt aus dem Dorf.
       
       „Seit 2023 prasselt das Thema auf uns ein“, sagt Bühler. Im Ort habe es
       durchaus Streit und „böses Blut“ gegeben. Die einen wollten den Lift
       unbedingt halten und meinten, dass Jungholz ohne ihn nicht mehr Jungholz
       sei. Die anderen fügten sich der Insolvenz, da nur ein Schnitt und ein
       neuer Betreiber eine Chance bedeuteten.
       
       „Wie lange werden wir den Liftbetrieb überhaupt noch haben können,
       angesichts des [3][Klimawandels]? Zehn Jahre, vielleicht zwanzig?“, fragt
       sich Bühler. Die Kosten seien um ein Drittel gestiegen, doch an immer
       weniger Tagen könne Ski gefahren werden. „Erst gab es die Grundbeschneiung
       mit den Kanonen, dann ist wieder alles geschmolzen“, erzählt der
       Jungholzer. „Jetzt haben wir die Chance, Jungholz ohne Lift als Szenario
       durchzuspielen. Die Chance für etwas Neues.“
       
       13 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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