# taz.de -- Abschiebung erstmal verhindert: Pflegeheim muss doch nicht schließen
       
       > Ein Drittel der Belegschaft des „Haus Wilstedt“ sollte nach Kolumbien
       > abgeschoben werden. Jetzt haben die Betreiber eine Lösung:
       > Ausbildungsplätze.
       
 (IMG) Bild: 80.000 Menschen unterzeichneten eine Petition für die Pflegekräfte im Haus Wilstedt: Nun dürfen sie vorerst bleiben
       
       Hamburg taz | Das Zauberwort ist ein sehr deutsches:
       [1][Ausbildungsduldung]. Ein Pflegeheim für demente Menschen in Wilstedt
       bei Bremen rettet die Ausbildungsduldung davor, dicht machen zu müssen und
       sie rettet zehn Menschen erst mal vor einer Abschiebung.
       
       Im November hatte der Träger des Heims Alarm geschlagen, weil ein Drittel
       der Belegschaft, zehn Menschen aus Kolumbien, abgeschoben werden sollte.
       Wenn die als Pflegehelfer*innen angestellten abgeschoben würden, drohe
       der Einrichtung die Schließung, [2][sagte einer der Betreiber der taz im
       November].
       
       Jetzt sieht es so aus, dass die Betroffenen erst mal bleiben können, weil
       für sie Ausbildungsplätze geschaffen wurden. Acht Personen sollen zu
       Pflegeassistent*innen oder Pflegefachkräften ausgebildet werden, eine
       zum Koch, sagte Betreiberin [3][Andrea Wohlmacher dem NDR.]
       
       Für eine Person, die in Kolumbien Pflege studiert hat, werde die
       Anerkennung ihres Studiums als Ausbildung angestrebt. „Die Probleme haben
       sich damit nicht in Luft aufgelöst. Aber wir sind optimistisch, alles zu
       regeln“ [4][sagte Betreiber Tino Wohlmacher dem Spiegel.]
       
       Ausbildung schützt vor Abschiebung 
       
       Das niedersächsische Innenministerium bestätigte am vergangenen Freitag auf
       Nachfrage der taz, dass die zehn Mitarbeitenden mit Beginn der Ausbildung
       den rechtlichen Status der Duldung erhalten können. Dieser schützt
       Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde und die „ausreisepflichtig“
       sind, vor einer Abschiebung. Nach einer erfolgreich abgeschlossenen
       Ausbildung hätten die Menschen sogar Anspruch auf eine
       Aufenthaltserlaubnis, wenn sie im erlernten Beruf eine Beschäftigung
       aufnehmen, so das Innenministerium.
       
       Die zehn Menschen aus Kolumbien hatten im November alle eine
       [5][Aufforderung zur freiwilligen Ausreise] bekommen, die einer Abschiebung
       vorausgeht. Daraufhin hatten nicht nur die Betreiber*innen, sondern auch
       Angehörige der Pflegebedürftigen im Haus Wilstedt ordentlich Welle gemacht.
       Unter der Überschrift „Rettet das Zuhause unserer demenzerkrankten Mütter,
       Väter & Ehepartner!“ forderte eine Angehörige in einer Petition, die
       Abschiebungen auszusetzen. Mehr als 80.000 Menschen unterschrieben,
       überregionale Medien berichteten.
       
       Im Dezember schaltete sich dann Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach
       (SPD) ein und versprach, eine Lösung suchen zu wollen. „Ausländische
       Pflegekräfte sind bei uns mehr als willkommen, weil wir auf sie angewiesen
       sind und auch sehr gute Erfahrungen mit ihnen machen“, sagte Lauterbach bei
       einem Treffen mit der Heimleitung. Der jetzige Schritt sei mit ihm
       abgesprochen, teilten die Heimbetreiber*innen mit.
       
       Deutschland fehlen 300.000 Pflegefachkräfte 
       
       Dass der Bundesgesundheitsminister sich um das kleine Pflegeheim in
       Wilstedt sorgt, ist kein Wunder. In Deutschland herrscht
       [6][Pflegenotstand]. Zwar ist die Lage bei unausgebildeten
       Pflegehelfer*innen, zu denen auch die zehn kolumbianischen Mitarbeitenden
       in Wilstedt bisher gehörten, Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zufolge
       noch vergleichsweise entspannt.
       
       Bei den ausgebildeten Pflegefachkräften herrscht aber akuter
       Personalmangel. Die Gewerkschaft Verdi rechnet mit einem Bedarf von allein
       110.000 zusätzlichen Pflegefachkräften. Prognosen rechnen bis 2030 sogar
       mit einem Mehrbedarf von 300.000 Stellen. Auch der Betreiber des Heims in
       Wilstedt sagte der taz im November, dass er große Schwierigkeiten habe,
       Mitarbeitende zu finden. „Ich habe meine Stellengesuche seit Jahren überall
       stehen“, so Timo Wohlmacher.
       
       Dass es zu wenige Pflegefachkräfte in Deutschland gibt, verwundert viele
       Expert*innen kaum. Die [7][Initiative Pflegenot] weist darauf hin, dass
       Arbeitsbedingungen und Entlohnung in der Pflege in Deutschland im
       internationalen Vergleich unterdurchschnittlich sind. Ungünstig also, wenn
       Menschen, die unter diesen Bedingungen arbeiten, abgeschoben werden sollen.
       
       Die Menschen aus Wilstedt hätten ihre Abschiebung aber verhindern können,
       so war ein Sprecher des Innenministeriums Niedersachsen zu verstehen. Auf
       einer Pressekonferenz Anfang Dezember sagte er, die Betroffenen hätten
       „schlicht das falsche Tor nach Deutschland“ gewählt. Statt Asyl zu
       beantragen, hätten sie nach dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz von Kolumbien
       aus ein Visum beantragen und legal einreisen sollen. Dafür gebe es ein
       entsprechendes Abkommen mit Kolumbien, so der Sprecher.
       
       Kaum Asyl für Menschen aus Kolumbien 
       
       Dieser Darstellung widerspricht Sigmar Walbrecht vom Flüchtlingsrat
       Niedersachsen. „Die Betroffenen aus Wilstedt hätten keine Chance gehabt
       nach dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz“, sagte er der taz. Dafür hätten sie
       schon in Kolumbien eine in Deutschland anerkannte Ausbildung vorweisen
       müssen, die sie nicht hatten. Der einzige Weg sei also gewesen, Asyl zu
       beantragen. Die [8][Anerkennungsquote für Asylanträge von Menschen aus
       Kolumbien ist aber äußerst gering].
       
       „Wir kritisieren, dass viele Verfolgungsgründe aus Kolumbien nicht
       anerkannt werden“ sagte Walbrecht. Die reale Bedrohungslage im Land durch
       ehemalige Guerilla-Organisationen und andere Akteure spiegele sich darin
       nicht wider. „Es gibt etliche Asylanträge aus Kolumbien, wo wir davon
       ausgehen, die sind zu Unrecht abgelehnt worden.“
       
       Die kolumbianischen Pflegekräfte in Wilstedt sollen ihre Ausbildungen im
       nächsten Jahr beginnen. Eine Duldung gilt nur, bis die Ausbildung
       abgeschlossen ist. Wie es danach für die Menschen weitergeht, ist also
       offen.
       
       25 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Landesamt-fuer-Einwanderung-in-der-Kritik/!6039005
 (DIR) [2] /Pflegehelfer-sollen-abgeschoben-werden/!6045721
 (DIR) [3] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/oldenburg_ostfriesland/Kolumbianische-Pflegekraefte-haben-Aussicht-auf-Duldung,wilstedt118.html
 (DIR) [4] https://www.spiegel.de/panorama/niedersachsen-hoffnung-fuer-von-abschiebung-bedrohte-pflegehelfer-aus-kolumbien-a-d03783ec-31a3-4d1e-8a91-249feeb13c8b
 (DIR) [5] /Abschiebung-von-Pflegekraeften/!6045722
 (DIR) [6] /Fachkraeftemangel-in-der-Pflege/!6000801
 (DIR) [7] https://www.pflegenot-deutschland.de/ueber-die-initiative/
 (DIR) [8] https://www.proasyl.de/news/trotz-lebensgefahr-kein-asyl-fuer-gefluechtete-aus-kolumbien/
       
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 (DIR) Amira Klute
       
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