# taz.de -- Mehrwertsteuer in Indien: Süßes Popcorn wird deutlich teurer
       
       > Die indische Regierung plant, süßes Popcorn mit 18 Prozent Mehrwertsteuer
       > zu belegen, salziges mit deutlich weniger. Das sorgt für Unverständnis.
       
 (IMG) Bild: Süß oder salzig? In Indien nicht nur eine Geschmacksfrage
       
       Wenn in Indien Steuerreformen verkündet werden, sind die Ohren gespitzt –
       diesmal besonders die der Liebhaber von Süßem. Denn die Regierung hat die
       Mehrwertsteuer auf karamellisiertes Popcorn auf 18 Prozent angehoben.
       Gesalzenes wird mit 5 Prozent besteuert – wenn es verpackt und etikettiert
       ist, gelten 12 Prozent. Die Regelung hat eine hitzige Debatte über die
       Logik des Steuersystems ausgelöst.
       
       Chetan, der [1][in der Filmindustrie in Mumbai] gearbeitet hat, ist nicht
       begeistert. „Als ich gestern ins Kino gegangen bin, hat das Popcorn schon
       450 Rupien (umgerechnet 5 Euro) gekostet und damit mehr als meine
       Kinokarte“, klagt er. „Jetzt soll es noch teurer werden.“ Die
       Mehrwertsteuer auf Popcorn sollte für alle Sorten gleich sein, meint er.
       
       Er glaubt, dass der Verkauf von Popcorn zurückgehen könnte. „Wer will schon
       so viel ausgeben?“, fragt er. „Und was ist mit süß-salzigem Popcorn?“ Auch
       in der Familienrunde beim Kinobesuch zum Jahresende habe die
       Steuerüberraschung für Aufregung gesorgt. „Popcorn in Indien ist oft sehr
       experimentell in seinen Sorten“, sagt Chetan, „aber wir lieben Süßes“, die
       Steuer sei unfair.
       
       Wie sich die Regelung auswirken wird, bleibt unklar. Manche Quellen geben
       Entwarnung für Kinobesucher: In der Gastronomie solle auch für süßes
       Popcorn der Satz von 5 Prozent gelten. Doch die Verwirrung hält an. Die
       Mehrwertsteuer wurde in Indien erst 2017 eingeführt und seitdem stetig
       ausgeweitet.
       
       ## Absurdität von drei Steuersätzen für Popcorn
       
       Lebensmittel mit Zucker sollten höher besteuert werden, verteidigte
       Finanzministerin Nirmala Sitharaman von der hindunationalistischen BJP die
       Entscheidung: „Wenn Popcorn jedoch mit Zucker versetzt ist (…), muss es als
       Zuckersüßware eingestuft werden.“ Nicht nur die Bevölkerung in Indien,
       einem der größten Zuckerproduzenten der Welt, runzelt die Stirn.
       
       Auch die Opposition übt Kritik. „Die Absurdität von drei verschiedenen
       Steuersätzen für Popcorn hat einen Tsunami von Memes in den sozialen Medien
       ausgelöst“, sagte Jairam Ramesh, Sprecher der Kongresspartei. „Das bringt
       nur ein tieferes Problem ans Licht: die wachsende Komplexität eines
       Systems, das eigentlich eine gute und einfache Steuer sein sollte.“
       
       Bilder zum heißen Thema kursieren im Netz: Personen knien vor Ministerin
       Sitharaman und reichen ihr Popcorntüten. Der Karikaturist Manjul
       kommentierte in seiner Kolumne „Mumbai Meri Jan“: „Es gibt keinen Grund,
       Hassrede zu versüßen, … sie könnte sonst eine höhere Steuer anziehen.“
       Andere sprechen von missverständlich kommunizierter Politik.
       
       Diese „Zuckersteuer“ habe den Charakter einer „Sündensteuer“, heißt es in
       der Filmstadt Mumbai, dem Zuhause von Bollywood. In Indien gehört Süßes zu
       feierlichen Anlässen. Dann heißt es „Muh meetha kar lo!“, was so viel
       bedeutet wie „Lass dir den Mund versüßen“. So verteilen auch
       Politiker:innen nach Wahlsiegen meist eines: Süßigkeiten.
       
       ## Eine Frage der Priorität
       
       „Am Ende trifft jede Erhöhung der Mehrwertsteuer hauptsächlich die
       Mittelschicht in Indien, die ohnehin schon hohe Steuern auf ihr Gehalt
       zahlt“, sagt Mustafa aus Mumbai.
       
       Die Mumbaier Politikerin Priyanka Chaturvedi der Partei Shiv Sena (UBT)
       fragt sich, wo die Prioritäten in diesen Zeiten liegen, in denen „die
       Besteuerung von Popcorn eine wichtigere Diskussion ist als die Senkung der
       Steuern auf Kranken- und Risikoversicherungen“. Sie scherzt: „Ich hoffe,
       der Rat für Popcorn hat nicht die Absicht, andere Snacks wie Vada Pav und
       seine verschiedenen Geschmacksrichtungen der Mehrwertsteuer zu
       unterwerfen.“
       
       Andere wundern sich: [2][Die Luftverschmutzung in Mumbai] ist auf
       Rekordniveau – und dann wird über Popcorn mit Salz, Käse und Karamell
       geredet. Die Diskussionen erinnern an eine Debatte vor zwei Jahren: Damals
       wurde beschlossen, dass das Fladenbrot Paratha, das aus „mehreren Zutaten“
       besteht, mit 18 Prozent besteuert wird. Das Fladenbrot Chapati kam mit nur
       5 Prozent davon. Eine Entscheidung, die Fragezeichen aufwarf – genau wie
       jetzt beim Popcorn.
       
       3 Jan 2025
       
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