# taz.de -- Konny Gellenbeck über ihre taz-Zeit: „Oje, jetzt kommt Konny schon wieder …“
       
       > Konny Gellenbeck war jahrelang das Gesicht der taz Genossenschaft. Jetzt
       > geht sie in den Ruhestand. Wie hat sie Menschen gewonnen, Millionen
       > gesammelt?
       
 (IMG) Bild: „Alles wird gut“: Konny Gellenbeck im Büro der taz Genossenschaft
       
       An einem mittelgrauen Novembertag kommt Konny Gellenbeck in die taz Kantine
       zum Interview. Will sie eigentlich nicht, macht sie dann aber doch. Nachdem
       die beiden Geschäftsführer Kalle Ruch und Andreas Bull bereits im Ruhestand
       sind, bedeutet Gellenbecks Beendigung ihrer Leitungsfunktion Genossenschaft
       und Stiftung eine weitere personelle Zäsur im taz-Verlag. Sie hat die taz
       Genossenschaft und die taz Stiftung mit ihrem Team aufgebaut und groß
       gemacht. 
       
       taz: Konny, Dein meistbenutzter Satz ist angeblich „Alles wird gut“. 
       
       Konny Gellenbeck: Stimmt.
       
       taz: Die gesellschaftliche Stimmung tendiert derzeit dazu, dass alles
       schlecht wird.
       
       Konny Gellenbeck: Na ja, wir sind wirklich in einer sehr schwierigen Zeit.
       Mich erschüttert nicht nur [1][Trumps Wahl], sondern auch [2][das große
       Geld dahinter]. Dann: Der [3][Israel-Hamas-Konflikt], der meiner Meinung
       nach auch alle in Richtung Unversöhnlichkeit treibt. Und [4][der
       Ukrainekrieg] – nach drei Jahren ist nicht in Sicht, wie man das noch mal
       wenden kann im Interesse der Menschen und Frieden herstellen. Und in diesem
       Zusammenhang: die sozialen Netzwerke und wie sie agieren.
       
       taz: Was tun? 
       
       Konny Gellenbeck: Aufgeben steht nicht zur Debatte, wir brauchen eine
       große, starke Bewegung der Zivilgesellschaft. Es ist toll, wenn drei
       [5][Millionen auf der Straße sind], aber das reicht nicht. Es braucht eine
       strukturelle Vernetzung und auch eine existenzielle Mobilisierung gegen
       diesen ganzen gesellschaftlichen Schwung nach rechts. Wir müssen einen
       Prozess organisieren, der demokratische Strukturen stärkt und für viele
       Menschen wieder attraktiv macht. Zu diesem Prozess gehören große und kleine
       Player dazu.
       
       taz: Die große Dagegen-Bewegung dieser Tage ist illiberal und
       antistaatlich. Die taz ist 1979 auch als Dagegen-Bewegung entstanden. Das
       ist kulturell bis heute sehr prägend. 
       
       Konny Gellenbeck: Wir waren nicht nur dagegen. Die vorhandenen Medien
       lehnten wir ab, weil unsere Themen – Anti-AKW-Bewegung, Feminismus,
       Solidarität mit den Befreiungsbewegungen und mehr – nicht vorkamen. Eine
       eigene Zeitung, die taz, wurde gegen alle Widerstände gegründet
       
       taz: Aber wir haben uns schon im Widerstand gegen die
       ‚Mainstream-Gesellschaft‘ gesehen. 
       
       Konny Gellenbeck: Ja, das stimmt.
       
       taz: Die Vorstellung, dass man mit politisch Anderstickenden etwas zusammen
       hinkriegen kann oder sogar muss, ist kulturell und emotional sehr
       schwierig. 
       
       Konny Gellenbeck: Aber in entsprechenden Situationen geht das, wenn man
       groß und breit werden will. Das war schon bei der großen Anti-AKW-Bewegung
       in den Siebzigern so, das kennt Fridays for Future.
       
       taz: Da bist Du eine der wenigen gewesen, die das früh verstanden hat und
       in der Lage war, das aktiv umzusetzen. 
       
       Konny Gellenbeck: Das glaube ich nicht, sonst hätte das Unternehmen taz gar
       nicht überlebt. Es hätte nicht überlebt, wenn Kalle …
       
       taz: … der langjährige [6][Geschäftsführer Kalle Ruch]...
       
       Konny Gellenbeck: … nicht zu jedem Zeitpunkt überlegt hätte, wo wir
       hinwollen und wen wir dafür brauchen, auch aus einem anderen
       gesellschaftlichen Milieu. So haben eigentlich alle in der taz agiert, die
       Verantwortung übernommen haben. Das war meiner Meinung nach auch das
       Erfolgskonzept von [7][Bascha Mika], unserer ehemaligen langjährigen
       Chefredakteurin. Oder die letzte große Rettungskampagne 2000. Da standen
       wir ja vor dem Aus. Im Spiegel stand schon: „Die taz ist tot“.
       
       taz: Und dann kam Harald Schmidt und sagte: „Die taz ist unsterblich.“ 
       
       Konny Gellenbeck: Das meine ich. [8][Stefan Kuzmany] ist damals auf die
       unterschiedlichsten Leute zugegangen und dann kamen 167 Prominente und
       sagten: TAZ muss sein! Übrigens hat diesen Werbespruch ein taz-Leser
       erfunden.
       
       taz: Linke haben bisweilen ein unsouveränes Verhältnis zu Geld. Du hast
       Millionen eingesammelt und offenbar gar kein Problem damit? 
       
       Konny Gellenbeck: Nein, überhaupt nicht. Schon bei meinen allerersten
       Aktionen, 1976 in Münster, war ich immer diejenige, die zu Leuten gehen
       musste und nach Geld fragen, zum Beispiel für Plakate. Bei der
       Anti-Atomkraft-Bewegung musste man Busse mieten, Kautionen hinterlegen. Man
       brauchte immer Leute, die andere nach Geld fragten. Das war vielen
       unangenehm.
       
       taz: Warum Dir nicht? 
       
       Konny Gellenbeck: Ich dachte immer, ich frage ja nicht für mich persönlich,
       sondern für eine Idee oder eine Aktion, wir wollen ja was bewegen. Ich bin
       manchmal bei einer Fundraising-Akademie, wo Leute ausgebildet werden für
       Geldakquise, da kam die Frage auf: Sie haben die letzten Jahrzehnte ganz
       schön oft nach Geld gefragt, waren die Leute nicht irgendwann müde und
       überdrüssig und haben gesagt, es reicht mir? Oder: War Ihnen das nicht
       peinlich? Und da kann ich wirklich mit voller Überzeugung sagen: Wenn die
       Leute dein Engagement sehen und spüren, du fragst nach Geld, um etwas zu
       erreichen, dann springt der Funke über und Viele machen mit.
       
       taz: Was hat Dich zur taz gebracht? 
       
       Konny Gellenbeck: Ich habe 4 1/2 Jahre bei einer senatseigenen Bank in
       Berlin gearbeitet. Gleichzeitig war ich aber auch Hausbesetzerin und
       politisch aktiv. Deshalb bin ich später, 1986, durch Zufall zur taz
       gegangen, zuerst als Aushilfskraft in der Abo-Abteilung. 1993 wurde ich in
       den Vorstand gewählt, und als 1996 die zweite große Rettungskampagne für
       die taz anstand, habe ich angeboten, [9][die taz Genossenschaft] zu
       reaktivieren. Es gab dann harte Vorgaben von Kalle und Andi …
       
       taz: … [10][Andreas Bull, der zweite Geschäftsführer] neben Kalle Ruch … 
       
       Konny Gellenbeck: … weil wir ja überhaupt kein Geld hatten. Kalle hat
       gesagt: Du hast ein Jahr Zeit und musst 500.000 Mark akquirieren, das wären
       heute etwa 250.000 Euro. Schaffst du das nicht, musst du zurück in die
       Abo-Abteilung. Ich war am Anfang alleine für den Bereich Genossenschaft
       zuständig, hatte aber ganz viel Unterstützung. Thomas Purps, unser
       Controller, und Susanne Hüsing, damals Leiterin Abo, halfen bei der
       Umstrukturierung der Datenbank. Und Klaudia Wick, damals Chefredakteurin
       der taz, sagte: Konny lass uns das Projekt Genossenschaft zusammen angehen.
       So haben wir in der Anfangsphase alle Konzepte zusammen mit Kalle und Andi
       entwickelt. Nach ihrer Zeit in der taz haben Klaudia und ich fast alle
       Kampagnen gemeinsam auf den Weg gebracht. Und dann die Satelliten: Jony
       Eisenberg, [11][Christian Ströbele] und Bernhard Brugger, ihre
       Unterstützung in den beschwerlichen Anfangsjahren kann man nicht oft genug
       benennen. Fundraising war in Deutschland fast unbekannt und unsere Arbeit
       war am Anfang schwerfällig und wir haben Fehler gemacht.
       
       taz: Welche? 
       
       Konny Gellenbeck: Wir wollten, dass die Leute gleich bei der Genossenschaft
       einsteigen und Mitglied werden, und es hat sich auf unsere Aufrufe kaum
       jemand gemeldet. Dann habe ich zu Kalle gesagt: Wir müssen alles ganz neu
       aufbauen, die Leute erst mal anschreiben und interessieren – und dafür
       brauche ich einen Etat. Kalle hat gedacht, jetzt dreht Konny durch, die
       Kassen waren ja total leer. Aber letztlich hat er mich machen lassen. Wir
       haben zweimal im Jahr per Post Interessenten angeschrieben und danach die
       telefonische Nachakquise aufgesetzt. Tine Pfeiff, Anita Knierim und ich
       haben abends alle Interessenten angerufen und auch mal eine Stunde mit den
       Leuten geredet, um ihnen zu sagen, warum es wichtig ist, ein unabhängiges
       Medium zu unterstützen. Der gute Draht zur Redaktion war dafür extrem
       wichtig.
       
       taz: Wenn ich in Stanford oder einer US-Uni fett spende, dann kriege ich
       meinen Namen auf ein Gebäude. Was genau kriege ich bei der
       taz-Genossenschaft oder [12][Panter Stiftung]? 
       
       Konny Gellenbeck: Was Menschen bewegt, ist ein Gegenwert, der eben nicht
       nur ideell ist. Als Genoss*in hat man keinerlei finanzielle Vorteile und
       auch kein redaktionelles Mitspracherecht. Aber man ist Eigentümerin dieses
       Mediums und hat morgens die taz im Briefkasten oder im E-Mmail-Fach, also
       einen sehr realen Gegenwert. Die gewachsene Relevanz der taz in den letzten
       45 Jahren stärkt dieses Verhältnis zwischen Geldgeber*innen und
       tazlern. Deshalb ist die Genossenschaft von ursprünglich 3.000 Mitgliedern
       inzwischen auf fast 24.000 Mitglieder angewachsen. Allein in diesem Jahr
       sind 1.000 neue Mitglieder hinzugekommen und über 1.000 Mitglieder haben
       ihren Anteil für die Renovierung des Rudi Dutschke Hauses erhöht.
       
       taz: Und bei der Stiftung? 
       
       Konny Gellenbeck: Die taz Panter Stiftung ist gemeinnützig und man bekommt
       [13][für jede Spende] eine Spendenbescheinigung. Also man hat einen
       steuerlichen Vorteil. So kommen jedes Jahr 800.000 bis 900.000 Euro
       zusammen. Das Wichtigste ist aber, dass die Geldgeberinnen und Geldgeber
       bei der Stiftung sehen, was ihr Geld bewirkt.
       
       taz: Was zum Beispiel? 
       
       Konny Gellenbeck: Als 2016/2017 mehr als 250 Journalisten in der Türkei
       inhaftiert waren, auch [14][unser ehemaliger Kollege Deniz Yücel], haben
       wir mit geringen Mitteln [15][„taz Gazete“], ein deutsch-türkisches
       Online-Portal, aufgesetzt und haben so etwa 50 Journalist*innen in der
       Türkei ermöglicht zu publizieren. Dafür haben Spenderinnen und Spender
       gerne Geld gegeben. Mit Beginn des Krieges gegen die Ukraine haben wir
       innerhalb von drei Wochen 250.000 Euro an Spenden für [16][ein
       Kriegstagebuch unter dem Motto „Krieg und Frieden“] mobilisiert. Eine Idee
       von Elke Schmitter aus dem Kuratorium der Stiftung. Das wurde in der taz
       und dann als Buch veröffentlicht.
       
       taz: „Dialog trotz Krieg“? 
       
       Konny Gellenbeck: Wir haben auch Helme und schutzsichere Westen für
       Journalist*innen in der Ukraine organisiert. Mit dem Motto ‚Dialog
       trotz Krieg‘ haben wir in Absprache mit dem Kuratorium aber nicht nur auf
       die Kriegsschiene gesetzt. Der immense Spendenrücklauf für Osteuropa in den
       letzten drei Jahren ist auch darauf zurückzuführen, dass wir ein eigenes
       Profil hatten, das aus dem Mainstream herausfiel und der politischen Seele
       unserer Mitglieder entspricht. Mit dem Geld haben wir unter anderem
       [17][journalistische Workshops] ins Leben gerufen, bei denen
       Ukrainer*innen und Kolleg*innen aus Russland, Moldau, Armenien,
       Kirgisien hier in der taz getagt haben. Fünf haben wir inzwischen mithilfe
       des Auswärtigen Amtes organisiert. Ich erinnere mich noch an den ersten im
       November 2022. Am Anfang habe ich gedacht; oje, das wird nicht
       funktionieren. Die Teilnehmer*innen waren zu Beginn wie erstarrt, die
       Ukrainer*innen trafen zum ersten Mal seit Kriegsausbruch auf Russ*innen.
       
       taz: Und? 
       
       Konny Gellenbeck: Am Ende lagen die sich in den Armen und haben alle
       geheult. Solche Erfahrungen geben uns auch Kraft für unsere Arbeit.
       
       taz: Das hätte ich nicht gedacht, dass Osteuropa so ein wichtiger Faktor
       der Stiftung wird. 
       
       Konny Gellenbeck: [18][Barbara Oertel, Leiterin des Ressorts Ausland], war
       die Erste, die gesagt hat: Lass uns einen Osteuropa-Workshop machen. Damals
       war Osteuropa für viele uninteressant. Seit 2011 haben wir kontinuierlich
       Osteuropa-Workshops durchgeführt und damit auch eine internationale
       Ausrichtung der Stiftung eingeleitet. Dadurch hatten wir zu Beginn des
       Ukrainekrieges auch ein bereits starkes Netzwerk in Osteuropa, auf das wir
       zurückgreifen konnten. Dass wir unsere Osteuropa-Projekte so erfolgreich
       umsetzen konnten, hat mit [19][Tigran Petrosyan] zu tun, dem Projektleiter
       Osteuropa. Er hat damit etwas Bleibendes geschaffen.
       
       taz: Man attestiert Dir Durchsetzungsstärke, Hartnäckigkeit bei
       gleichzeitiger Freundlichkeit. Ist das die Konny-Methode? 
       
       Konny Gellenbeck: Ich bin radikal freundlich. Ich habe immer versucht, mit
       Freundlichkeit die Kolleg*innen zu motivieren, das Beste aus Projekten
       rauszuholen.
       
       taz: Also das zu machen, was Du wolltest? 
       
       Konny Gellenbeck: Ich weiß, dass ich intern auch total viele Leute genervt
       habe, die sagten: Oje, jetzt kommt Konny schon wieder und will noch eine
       Veränderung oder hat eine neue Idee.
       
       taz: Dir wird auch Härte attestiert. 
       
       Konny Gellenbeck: Ja, totale Härte. Also ich bin oft heulend nach Hause
       gefahren, weil ich fertig war.
       
       taz: Also doch nicht hart? 
       
       Konny Gellenbeck: Doch, in der Sache bin ich schon hart, aber ich habe das
       oft nicht einfach weggesteckt. Ich war oft gestresst. Früher waren die
       taz-Strukturen viel härter. Ich saß bei Sitzungen mit Jony Eisenberg,
       Christian Ströbele, [20][Klaus Wolschner], [21][Kalle], Andi. Das waren
       nicht nur Männer, sondern sie waren kompetent und engagiert.
       
       taz: Das hört sich nicht gut an. 
       
       Konny Gellenbeck: Ich musste mich am Anfang da erst reinfinden. Das war
       sehr anstrengend. Aber Kalle, Andi und auch Christian Ströbele waren meine
       Mentoren. Sie haben mich unterstützt und mich gestalten lassen, ohne sie
       wäre ich in der taz nix geworden. Aber am Anfang war es für mich schwer,
       ernst genommen zu werden. Da brauchte es Hartnäckigkeit, Dranbleiben,
       Nichtaufgeben. Dass ich das gut machen konnte, liegt daran, dass ich Lust
       hatte, diesen Job zu machen. Das ist wie bei jedem, der Lust auf seinen
       Beruf hat, der Beruf wird irgendwann Teil der eigenen Persönlichkeit
       
       taz: Was heißt das konkret? 
       
       Konny Gellenbeck: Dass ich Lust habe auf Menschen, dass ich politisch bin
       und das Projekt vertreten kann und dass ich den größten Meckerer ertragen
       kann. Oder mehr noch: Ich habe gerade vor den Meckerern große Achtung.
       
       taz: Warum das denn? 
       
       Konny Gellenbeck: Wer meckert, der bleibt. So meine Erfahrung. Wer ganz
       aussteigt, der meckert nicht, der geht. Aber wer meckert, den erreichst Du
       noch.
       
       taz: Was war der entscheidende Punkt, der Dich von einer linken Aktivistin
       zu einer Frau gemacht hat, die in Salons von Millionären Geld für
       unabhängigen Journalismus akquiriert? 
       
       Konny Gellenbeck: Vorweg, die Millionäre sind nicht meine Zielgruppe. Die
       brauchen wir auch, aber mit 500 Euro kann man bei der taz Geno Mitglied
       werden. Ich habe immer auf diese vielen kleinen Beteiligungen gesetzt. Und
       ich bin immer noch links.
       
       taz: Was heißt das heute? 
       
       Konny Gellenbeck: In vielen Fragen habe ich eine klare linke Position, für
       die ich mich engagiere und auf die Straße gehe. Deshalb habe ich auch über
       30 Jahre bei der taz gearbeitet.
       
       taz: Hat denn die taz in diesen Jahren seit Gründung von Verlag,
       Genossenschaft und Stiftung viel erreicht oder haben wir zu wenig erreicht? 
       
       Konny Gellenbeck: Wir haben ungeheuer viel erreicht. Die taz hat in den
       letzten Jahrzehnten fast alle Debatten mit beeinflusst. Wir haben als
       Medienunternehmen nicht nur den Journalismus erweitert, sondern auch die
       anderen Medien verändert. Es gibt ja so etwas wie eine Pipeline von
       ehemaligen Kolleg*innen in fast alle anderen Medien. [22][Wir haben zwei
       Häuser]. Wir haben ein riesiges Unterstützungsnetzwerk von fast 24.000
       Genossenschaftsmitgliedern. Wir sind gewachsen, auch im Hinblick darauf,
       wer uns liest, nutzt und gut findet. Heute sind das so viele Menschen wie
       nie zuvor. Fast 40.000 Menschen [23][zahlen freiwillig für unsere
       Onlineangebote, obwohl sie alles umsonst haben könnten]. Und die taz gibt
       250 Leuten einen Job. Ich sehe die taz ganz groß. Mit diesem Bewusstsein
       bin ich auch immer auf Leute zugegangen wenn ich nach Geld gefragt habe.
       
       taz: Was ist die DNA der taz? 
       
       Konny Gellenbeck: Die taz ist größer als jede/r Einzelne von uns. Hunderte
       von Leuten haben darin Ideen, Engagement und Lebenszeit reingesteckt. Viele
       Menschen haben die Idee und das Unternehmen taz mit Geld unterstützt. Das
       ist eine grandiose Kombi und funktioniert schon seit 45 Jahren, das fing
       schon vor Erscheinen der taz mit den 7.500 Voraus-Abos an.
       
       taz: Die Leute haben 1979 gezahlt, damit die taz überhaupt erscheinen
       konnte. 
       
       Konny Gellenbeck: Das ist der rote Faden in der taz-Geschichte. Die taz
       lebt durch die Solidarität ihrer Unterstützer*innen, die sich für deren
       ökonomischen Erfolg verantwortlich fühlen. Meine Aufgabe war es, diese
       Brücke zu schlagen zwischen dem Projekt und den Leuten, denen die taz
       wichtig ist und die Geld geben wollen. Die taz ist eine intelligente
       Struktur.
       
       taz: Was heißt das? 
       
       Konny Gellenbeck: Die taz hat sich in wichtigen Situation für den richtigen
       Weg entschieden, etwa bei der Gründung der taz Genossenschaft. Sie hat ein
       Gespür dafür, die richtigen Leute an die richtigen Stellen zu setzen. Davon
       habe ich absolut profitiert. Alleine schafft man nix. Im Genossenschafts-
       und Stiftungsteam haben über die letzten fast 30 Jahre 25 Leute gearbeitet.
       Alle total unterschiedlich, mit diversen Fähigkeiten und immer neuen Ideen.
       Bis heute ist jede/r Mitarbeiter*in an dem Erfolg des Projekts taz
       beteiligt. In der Redaktion ganz sichtbar, denn eine gute Berichterstattung
       ist die Basis, aber die vielen unsichtbaren Kolleg*innen sind genauso
       wichtig. Wenn Zahlen nicht stimmen, der Vertrieb nicht läuft, unsere
       Veröffentlichungen nicht schön gestaltet sind, und, heute absolut wichtig,
       die Webentwickler und EDV. Wenn dann noch das Essen in der [24][taz
       Kantine] schmeckt, super!!!
       
       taz: Wie siehst Du die Zukunftschancen für die taz? 
       
       Konny Gellenbeck: Wir haben unter Corona-Bedingungen in den letzten Jahren
       einen riesigen Generationswechsel durchlaufen. In der Geschäftsführung mit
       [25][Aline Lüllmann] und [26][Andreas Marggraf], in der Leitung der
       Genossenschaft [27][Lana Wittig] und bei der taz Panter Stiftung mit
       [28][Gemma Terés Arilla]. In fast allen Bereichen der taz hat dieser Wandel
       stattgefunden. Dass das so reibungslos und lautlos gelungen ist, war nicht
       absehbar und das liegt an den Menschen, die jetzt die taz tragen. Da sind
       überall Leute, die genauso engagiert sind wie wir in der Anfangsphase und
       mit großer Kompetenz das Unternehmen weiterführen. Das freut mich, davor
       ziehe ich meinen Hut.
       
       taz: Was ist das beste Alter, Konny? 
       
       Konny Gellenbeck: Jedes Alter ist schön.
       
       Och, ne. 
       
       Konny Gellenbeck: Mir geht das so. Als ich jung war, hatte ich eine tolle
       Zeit, und jetzt habe ich auch eine tolle Zeit. Das Wichtigste ist, dass man
       gesund ist, dass man neugierig bleibt und nicht verknöchert ist.
       
       taz: Nach dem Ende des klassischen Berufslebens hätte man neue Freiräume,
       sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Der Trend geht aber zu Frührente und
       Weltreise. Was machst Du? 
       
       Konny Gellenbeck: Weltreise mache ich nicht. Aber ich verreise gerne. Ich
       berate kleine NGOs und Strukturen im Fundraising, unterstütze hier und da
       die Arbeit der Stiftung und habe eines mit der taz Genossenschaft
       verabredet: Ich kümmere mich um das Erbenprojekt der taz.
       
       taz: Man kann sich vorstellen, dass Du nicht immer total glücklich mit der
       Redaktion bist? 
       
       Konny Gellenbeck: Ich bin wie eine normale Leserin, manches gefällt mir,
       anderes nicht. Aber selbst wenn ein Kommentar in der taz steht, den ich
       politisch absolut daneben finde, verteidige ich den. Jede/r Redakteur*in
       darf hier schreiben, was sie will. Dafür ist die taz wirklich gegründet
       worden, dass es hier keine innere oder äußere Zensur gibt und geben darf.
       
       4 Dec 2024
       
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