# taz.de -- Ungerechtigkeit in Deutschland: Her mit dem schönen Leben!
       
       > Die deutsche Wirtschaft schwächelt und die Politik spart. Arme tragen
       > dafür die Kosten, während sich Reiche ein gutes Leben machen. Zeit, eine
       > Gerechtigkeitsdebatte zu führen!
       
 (IMG) Bild: Eine Motoryacht für 6,3 Millionen Euro, da staunen die Ford-Fahrer
       
       Die Deutschen [1][haben Angst]. Vor Konflikten, Kriegen und der Klimakrise.
       Aber viel mehr noch scheinen sie Angst vor etwas anderem zu haben:
       Gerechtigkeit. Nur so ist es zu erklären, dass die meisten regelrecht
       zusammenzucken, wenn sie Wörter hören wie Enteignung, Umverteilung,
       Erbschaftssteuer.
       
       Der schwer erarbeitete Lohn, das kleine geerbte Haus, das über Generationen
       aufgebaute Familienunternehmen – die Angst, dass einem etwas weggenommen
       wird, ist verbreitet. Auch unter den vielen, die von diesen
       Gerechtigkeitsmaßnahmen profitieren würden.
       
       Denn die Realität in Deutschland sieht folgendermaßen aus: Es herrscht eine
       große Ungleichheit in der Verteilung von Einkommen und Vermögen. Die
       Politik befördert dies aktiv mit einer ständigen Umverteilung von unten
       nach oben. Einige wenige also machen sich ein schönes Leben auf Kosten der
       vielen.
       
       Das zeigt sich auch aktuell bei den angedrohten Stellenstreichungen in der
       Industrie und den Haushaltskürzungen in Berlin. Doch anstatt diesen Zustand
       zu kritisieren, akzeptiert die Masse ihn als Normalzustand. Dabei wäre
       gerade jetzt – nicht nur angesichts der anstehenden Bundestageswahl – der
       richtige Zeitpunkt, dieses Normal in Frage zu stellen und eine
       Gerechtigkeitsdebatte anzustoßen.
       
       ## 4,5 Milliarden Euro für Aktionär_innen
       
       Momentan vergeht kaum eine Woche, in der kein Industrieriese
       Stellenkürzungen im vierstelligen Bereich ankündigt. [2][Bei VW kriselt es
       schon länger], Ende Oktober kündigte der Autobauer an, mehrere Werke zu
       schließen und Zehntausende Mitarbeiter_innen zu entlassen. Auch
       Gehaltserhöhungen und Boni soll es erst einmal keine mehr geben. Nur
       verständlich angesichts der prekären Lage des Unternehmens, könnte man
       meinen.
       
       Doch wie sind die Radikalkürzungen zu rechtfertigen, wenn der
       Vorstandsvorsitzende Oliver Blume noch immer der bestbezahlte DAX-Manager
       des Landes ist? Oder wenn sich die Aktionär_innen im vorigen Geschäftsjahr
       noch 4,5 Milliarden Euro ausgeschüttet haben, während man mit diesem Geld
       auch die Werke offen lassen könnte?
       
       [3][Auch bei Ford] und dem Industriekonzern Thyssen-Krupp wird die Krise
       auf dem Rücken der Angestellten ausgetragen. [4][11.000 Stellen sollen in
       der Stahlsparte bis 2030 gestrichen] werden, eine stabile Dividende will
       der Konzern in diesem Jahr trotz allem auszahlen. Während die
       Führungsetagen sich also mit beheizten Koi-Teichen, Superyachten und Villen
       schmücken, bangen Tausende um ihren Job.
       
       Den Abbau dieser Ungerechtigkeit sollte der Staat bei seiner finanziellen
       Unterstützung der Unternehmen eigentlich zur Bedingung machen. Doch leider
       ist Deutschland selbst für eine Politik bekannt, bei der diejenigen
       bekommen, die eh schon haben, während an denen gespart wird, die sich nicht
       wehren können.
       
       ## Die Folgen der Kürzungen sollten uns Angst machen
       
       Das zeigt sich auch beim Thema Wohnen. Was eigentlich ein Grundrecht sein
       sollte, [5][verkommt immer mehr zum Luxusgut]. Gerade in Großstädten werden
       Mieten immer höher, [6][in Berlin haben sie sich in den vergangenen zehn
       Jahren verdoppelt]. Und obwohl über die Hälfte der deutschen Bevölkerung
       Mieter_innen sind, wird munter weiter Politik für Vermieter_innen gemacht.
       Dazu ein paar leere Versprechungen von hunderttausenden Neubauten, die
       weder umgesetzt werden noch bestehende Mieten senken würden.
       
       Diese Form der Politik kommt auch bei den radikalen Sparplänen der Großen
       Koalition in Berlin zum Tragen. [7][Denn gespart werden soll vor allem in
       den Bereichen Soziales, Verkehr und Kultur.] Und wer wird hier die
       Einschnitte am härtesten spüren?
       
       Bus- und Bahnfahrer_innen, die künftig kein 29-Euro-Monatsticket mehr
       kaufen können, während Autobesitzer_innen weiterhin mit ihren Karosserien
       quasi kostenlos dauerparken dürfen. Arme Menschen, für die der
       Museumssonntag eine Chance war, am kulturellen Leben der Stadt teilzuhaben.
       
       Jugendliche, denen die Räume und Möglichkeiten genommen werden: Jugendclubs
       müssen schließen, [8][queere Jugendzentren sind in Gefahr,] Jugendtheater
       können kein neues Programm machen, Teile der Schulsozialarbeit und
       politischen Bildungsarbeit werden gestrichen. Selbstständige
       Künstler_innen, die ohnehin prekär arbeiten, müssen noch weniger Aufträge
       unter sich aufteilen.
       
       Die Folgen dieser Stellenkürzungen und Sparpläne sollten [9][uns Angst
       machen,] nicht die Maßnahmen für mehr Gerechtigkeit. Denn wäre es nicht ein
       kleiner Preis, wenn ein paar wenige auf Superyachten und beheizte
       Koi-Teiche verzichten müssten, damit alle den Zugang zu einem schönen Leben
       haben?
       
       1 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Das-Gedicht-zur-Lage/!6044265
 (DIR) [2] /VW-in-der-Krise/!6044510
 (DIR) [3] /Details-zum-Stellenabbau/!6048533
 (DIR) [4] /Krise-in-der-Stahlindustrie/!6048286
 (DIR) [5] /Gemeinwohlorientierte-Mietenpolitik/!6020256
 (DIR) [6] https://www.tagesschau.de/inland/regional/berlin/rbb-neuvermietungen-mietpreise-in-berlin-deutschlandweit-am-staerksten-gestiegen-100.html
 (DIR) [7] /Berlin-spart-an-der-Kultur/!6048501
 (DIR) [8] /Sparkurs-in-Berlin/!6048609
 (DIR) [9] /Konsum-in-der-Krise/!6042482
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Carolina Schwarz
       
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