# taz.de -- Thriller „City of Darkness“ im Kino: Wie eine Gewehrkugel
       
       > Der Regisseur Soi Cheang würdigt mit „City of Darkness“ eine legendäre
       > Hochhaussiedlung und zugleich die gloriose Zeit des
       > Hongkong-Action-Kinos.
       
 (IMG) Bild: Tornado (Louis Koo) in „City of Darkness“
       
       Die Kowloon Walled City war ein mythenumrankter Ort auf der Halbinsel
       Kowloon in Hongkong. Ursprünglich eine Festung des chinesischen Reichs,
       knapp drei Hektar groß, blieb das Gebiet auch nach der Übergabe Hongkongs
       als Pachtgebiet an Großbritannien im Jahr 1898 eine chinesische Enklave.
       
       Das Recht, auch das Baurecht, hatte kaum Zugriff, so wucherte die Zone im
       Lauf der Jahrzehnte zu einer völlig unübersichtlichen Siedlung mit bis zu
       zehn Stockwerken hohen Häusern heran.
       
       Zigtausende Menschen lebten hier seit den siebziger und achtziger Jahren,
       es herrschte die Anarchie und in der Anarchie herrschten die Triaden, es
       war ein Ort der illegalen Läden, Drogen, Prostitution, der Spielhöllen,
       eine Wimmelwelt, die hygienischen Verhältnisse: schwierig.
       
       1987 fasste die Regierung der Kronkolonie nach schwierigen Verhandlungen
       mit China den Plan zum Abriss. In den Jahren 1993 und 1994 kam es dazu,
       noch vor der Rückgabe Hongkongs. Heute ist, wo die Kowloon Walled City
       stand, nur noch ein Park, der an die Vergangenheit erinnert.
       
       Wiederbelebt per CGI 
       
       In Soi Cheangs „City of Darkness“ ersteht die Walled City nun wieder auf.
       Als Gesamtprospekt ist sie per CGI wiederbelebt: ein dunkles, kompaktes
       Hochhäusermonster, das sich, in der Tat nach Art einer Festung, gegen die
       Großstadtaußenwelt ballt. Und innen eine finstere Welt der Gänge und Läden,
       voller Drähte, voller Gestänge, ein Labyrinth in vielen Etagen.
       
       Mit großem Aufwand sind die Sets hier errichtet, liebevolle Hommagen an
       dunkle Unübersichtlichkeit. Es sind die späteren achtziger Jahre, die Pläne
       zum Abriss der Stadt in der Stadt sind schon verkündet, alle wissen: Man
       ist im letzten Akt angekommen.
       
       Wie eine Gewehrkugel jagt der Film den Protagonisten Chan Lok-kwan (Raymond
       Lam) der Walled City in den Leib. Chan ist illegal nach Hongkong gekommen,
       wird von einem Triadenboss um seinen neuen Pass betrogen, hat diesem Drogen
       gestohlen und findet nun in der Walled City Zuflucht.
       
       Dort erarbeitet er sich, klassische Aufstiegsgeschichte, das Vertrauen des
       Triadenbosses Tornado, nach und nach erhellt, wie er in die etwas
       umständliche Vorgeschichte passt, vor allem aber folgt Action-Setpiece auf
       Action-Setpiece, es fliegen die Messer, knacken die Knochen, knallen die
       Körper an Wände und rappeln sich öfter mal nicht wieder auf.
       
       Natürliche und übernatürliche Kräfte 
       
       Das ist spektakulär inszeniert, mit klassischem Wirework, es wirken und
       kämpfen natürliche mit übernatürlichen Kräften, das gilt für die Figuren,
       und für die Kamera, die Effekte und den Schnitt gilt es auch.
       
       Rund zwanzig Jahre lang hat das Projekt dieses Films, der auf einem
       erfolgreichen Manga des Autors Yu-Yi beruht, in der Entwicklungshölle
       geschmort. Die legendären [1][Regisseure John Woo] und Johnnie To wurden zu
       unterschiedlichen Zeitpunkten damit in Verbindung gebracht.
       
       Es ist der Zeitraum, in dem das einst gloriose Hongkong-Action-Kino einen
       Absturz erlebte, in seinen anarchischen Impulsen von den chinesischen
       Zensoren bedrängt, die auch an den Geldquellen sitzen. Manche seiner
       Helden, etwa Tsui Hark, sind zum Nationalkitsch von Mainland-China
       übergelaufen, John Woo scheint zwischen den Welten gestrandet, Johnnie To
       klingt in neueren Interviews deprimiert und frustriert.
       
       Nicht von Nostalgie frei 
       
       Vor allem [2][Soi Cheang, 1972 geboren, hat sich in den letzten Jahren als
       dynamischste Kraft der siechenden Industrie erwiesen, mit Filmen wie
       „Limbo“ (2021)], die sich an den Kassen wie auf den Festivals als
       erfolgreich erwiesen. Sein „City of Darkness“ ist der sehr selbstbewusste
       Versuch, an die alten, besseren Zeiten anzuknüpfen. Und das in Form eines
       von Nostalgien nicht freien Spektakels.
       
       Schon in der Besetzung der Rollen der älteren Herren mit den Legenden Sammo
       Hung und, andere Generation, Louis Koo, die sich dank Tricktechnik als
       ausgesprochen kampfstark und gelenkig erweisen.
       
       Am Ende ist das alles vielleicht eine Spur zu forciert
       vergangenheitsorientiert, inklusive VHS-Porno-Kassetten und
       Karaoke-Maschine. An den Kassen aber war es, vermutlich auch deshalb, ein
       Riesenerfolg. Gleich zwei Sequels sind schon beschlossen. Und Soi Cheang
       übernimmt erneut die Regie.
       
       28 Nov 2024
       
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