# taz.de -- Fachtagung der Amadeu Antonio Stiftung: „Ich bin hier, um auf den Tisch zu hauen“
       
       > Auf einer Fachtagung beklagen Opfer rechter Gewalt, wie Behörden mit
       > ihnen umgehen. Sie kämpfen für Empathie und Anerkennung.
       
 (IMG) Bild: Hat schwer verletzt den rechtsextremistischen Anschlag in Hanau 2020 überlebt: Said Etris Hashemi
       
       Berlin taz | Die Expert:innen auf der Tagung im Berliner Haus der
       Kulturen der Welt sind es ungewollt. Sie alle nämlich sind direkt
       Betroffene rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Gewalt –
       Überlebende, Angehörige und Hinterbliebene. Sie erlebten den NSU,
       [1][Halle] oder [2][Hanau]. Und seitdem kämpfen sie für Anerkennung,
       gesellschaftliche und finanzielle. Erstmals hat die Fachtagung „Opferschutz
       und Opferhilfe“ der [3][Amadeu Antonio Stiftung] ihre Perspektive in den
       Mittelpunkt gestellt.
       
       „Ich bin hier, um auf den Tisch zu hauen“, sagt Christina Feist in ihrem
       Beitrag zu Anfang. Die Überlebende des rechtsextremen antisemitischen
       Anschlags [4][auf die Synagoge in Halle] am 9. Oktober 2019 ist
       fassungslos. Darüber, wie der deutsche Staat mit den Opfern von Anschlägen
       umgeht, vor denen er sie eigentlich schützen sollte. Jahrelang musste Feist
       mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales um die Übernahme ihrer
       Traumatherapie kämpfen, jahrelang die Kosten selbst vorstrecken.
       Mittlerweile ist sie nicht nur vom Anschlag traumatisiert, sondern auch vom
       Umgang der Behörden mit ihr als Überlebende.
       
       Wie Feist geht es den meisten Anwesenden am vergangenen Freitag. Sie sind
       erschöpft, konsterniert, sauer. Darüber, dass der Gewalt, die sie erleben
       mussten, kaum Rechnung getragen wird. Darüber, dass einen Terroranschlag in
       Deutschland zu erleben, auch heißen kann, sich finanziell zu verschulden.
       Stattdessen müssen sie kämpfen für Empathie und Anerkennung. Denn statt
       schnelle Unterstützung zu erhalten, müssen sich die Betroffenen mit
       jahrelangen Bearbeitungszeiten, dutzenden Anträge, Besuchen bei
       Amtsärzt:innen herumschlagen.
       
       Zwar ist die Opferhilfe seit Anfang diesen Jahres überarbeitet und im neuen
       Sozialgesetzbuch 14 geregelt. Doch es bleiben wesentliche Lücken, sind sich
       Betroffene, Anwält:innen und Verwaltungsangestellte auf der Tagung
       einig. Die Beweislast, um Unterstützung und Entschädigung zu beantragen,
       liegt nach wie vor bei den Überlebenden und Angehörigen selbst. Für viele
       Betroffene, die von der Gewalt traumatisiert sind, die an Depression,
       posttraumatischen Belastungsstörungen oder Sucht erkranken, ist diese
       Bürokratie nur sehr schwer zu bewältigen.
       
       Zudem, das kommt auf der Tagung auch zur Sprache, hänge oft der absurde
       Vorwurf in der Luft, die Opferfamilien wollten sich bereichern.
       „Entschädigung ist keine Bereicherung“, sagt Said Etris Hashemi. Er hat
       2020 den rechtsextremistischen [5][Terroranschlag in Hanau] schwer verletzt
       überlebt. Sein kleiner Bruder Nessar starb. Die Zahlungen seien nur eine
       kleine Hilfe,
       
       Darüber hinaus geht es um Anerkennung. Gamze Kubaşık will ihren ganz
       persönlichen Schmerz nicht erst beweisen müssen. „Diese Anträge sind unter
       unserer Würde“, sagt sie. Ihr Vater Mehmet Kubaşık wurde 2006 [6][vom
       rechtsterroristischen NSU] ermordet. Ihre Familie hat bis jetzt überhaupt
       keine finanzielle Entschädigung erhalten. Doch ihre Trauer und ihren
       Schmerz will sie nicht mit einem Sachverwalter teilen.
       
       19 Nov 2024
       
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