# taz.de -- Erdoğans Angriffe in Nordsyrien: Strafanzeige wegen Kriegsverbrechen
       
       > Der Generalbundesanwalt soll gegen den türkischen Staatschef wegen
       > Angriffen auf kurdische Einrichtungen ermitteln. Die Erfolgschancen sind
       > gering.
       
 (IMG) Bild: Wenn's um das Bombardieren von Nachbarländern geht, verstehen sich die Autokraten Recep Tayyip Erdoğan und Wladimir Putin prächtig
       
       Berlin taz | Zwei deutsche Vereine haben gemeinsam Strafanzeige gegen den
       türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan wegen Kriegsverbrechen in
       Nordsyrien erhoben. Sie fordern Generalbundesanwalt Jens Rommel auf, gegen
       den türkischen Staatschef sowie gegen sechs weitere türkische Minister,
       Militärs und Geheimdienstchefs zu ermitteln.
       
       Hinter der Strafanzeige stehen das Netzwerk Kurdischer
       Akademiker:innen (KURD-AKAD) und der Rechtshilfe-Verein für Demokratie
       und internationales Recht (MAF-DAD). Neben Erdoğan wurde unter anderem auch
       Verteidigungsminister Yasar Güler und Außenminister Hakan Fidan angezeigt.
       
       Sie werden für über 200 Luftangriffe auf kurdisch kontrollierte Gebiete im
       Nordosten Syriens verantwortlich gemacht, die zwischen Oktober 2023 [1][und
       Januar 2024 stattfanden]. Insbesondere Einrichtungen der zivilen
       Infrastruktur und der medizischen Versorgung seien angegriffen worden.
       Namentlich benannt wurden Angriffe auf zwei Medical Center in der Stadt
       Kobane.
       
       Die Anzeigenerstatter um die Bochumer Rechtsanwältin und
       MAF-DAD-Vorsitzende Heike Geisweid weisen die türkische Rechtfertigung der
       Angriffe zurück. Es könne hier kein Selbstverteidigungsrecht der Türkei
       geben, weil die kurdischen Kräfte in den autonomen Regionen Nordost-Syriens
       den türkischen Staat gar nicht angreifen. Dagegen seien Angriffe auf
       Kliniken, wie sie jetzt der Türkei vorgeworfen werden, generell verboten
       und müssten als Kriegsverbrechen bestraft werden.
       
       ## Das Weltrechtsprinzip
       
       Tatsächlich geht die Türkei schon lange gegen die kurdischen
       Selbstverwaltungsstrukturen im Norden Syriens vor. Die Türkei unterstellt
       ihnen eine enge Verbindung [2][zur terroristischen Arbeiterpartei
       Kurdistans PKK]. Außerdem versucht die Türkei, im Norden Syriens eine
       Sicherheitszone einzurichten, um dort Syrer anzusiedeln, die in den letzten
       Jahren in die Türkei geflohen waren.
       
       Das deutsche Völkerstrafgesetzbuch erlaubt grundsätzlich die deutsche
       Strafverfolgung von Kriegsverbrechen, die im Ausland stattfanden und an
       denen weder deutsche Täter noch deutsche Opfer beteiligt waren. Hier gilt
       das sogenannte Weltrechtsprinzip. Allerdings kann die Bundesanwaltschaft
       von der Strafverfolgung absehen, „wenn sich der Beschuldigte nicht im
       Inland aufhält und ein solcher Aufenthalt auch nicht zu erwarten ist“
       (Paragraf 153f Strafprozessordnung).
       
       Doch selbst wenn Erdoğan zu einem Staatsbesuch nach Deutschland käme,
       müsste er wohl kaum mit deutscher Strafverfolgung rechnen, zu vage ist die
       nur vierseitige Strafanzeige. Darin werden weder juristische Fragen
       vertieft noch wird genau geschildert, an welchem Tag welche Einrichtungen
       mit welchen Folgen von der Türkei angegriffen wurden.
       
       Bei früheren Strafanzeigen des Vereins MAF-DAD war das noch anders. 2011
       wurde eine 109-seitige Strafanzeige gegen Erdoğan gestellt, in der schwere
       Menschenrechtsverletzungen dokumentiert waren, etwa extralegale
       Hinrichtungen. Eine Strafanzeige von 2016 befasste sich auf sogar 206
       Seiten mit Straftaten während einer Ausgangssperre in der kurdischen Stadt
       Cizre.
       
       Doch auch diese ausführlicheren Strafanzeigen hatten, soweit ersichtlich,
       nichts bewirkt. Erdoğan konnte später jeweils [3][unbehelligt nach
       Deutschland reisen] und das Land auch wieder verlassen.
       
       3 Nov 2024
       
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