# taz.de -- Vor der US-Präsidentschaftswahl: Hier wählt man Lila
       
       > Hurrikan „Helene“ hat North Carolina schwer getroffen. Wie wirken sich
       > die Sturmschäden auf die US-Wahl aus? Zu Besuch in einem Swing State.
       
 (IMG) Bild: Umkämpfter Staat: In Umfragen liegen Republikaner und Demokraten nah beieinander
       
       Als Gerri McDaniel 2015 zum ersten Mal Donald Trumps New Yorker Büro
       betrat, rechnete sie damit, dort goldene Kronleuchter und Ganzkörperspiegel
       zu sehen. Stattdessen fand sie den Raum bis auf den letzten Zentimeter mit
       Hunderten Briefen gefüllt vor. Pfadfinder wie Geschäftsleute schrieben ihm,
       drückten ihre Dankbarkeit aus.
       
       Warum nicht die ganze Welt von seiner Güte wissen solle, fragte sie ihn
       damals. Andere Länder würden ihm das als Schwäche auslegen und gegen
       Amerika nutzen, soll er ihr geantwortet haben. McDaniel hält beim Sprechen
       inne, vor Ehrfurcht muss sie nach Luft schnappen. „Niemals habe ich
       jemanden getroffen, der sein Land und seine Familie so liebt. Ich habe
       Dinge gesehen, die mich glauben lassen: Donald Trump ist nicht von dieser
       Welt.“
       
       McDaniel, heute 69 Jahre alt, ist eine große Frau mit knallig pinkem „Keep
       America Great“-T-Shirt und wasserstoffblonder Bob-Frisur. Sie kam in South
       Carolina auf die Welt, die Eltern waren Demokraten.
       
       Heute ist McDaniel dort unterwegs, wo ihr Kampfgeist am dringendsten
       gebraucht wird: im Westen North Carolinas, dem Bundesstaat, der über die
       Zukunft ihres Landes entscheiden könnte. Wenn Donald Trump die [1][Wahl am
       5. November] verliert, fürchtet sie, werde es zum Bürgerkrieg gegen „die
       Kommunisten“ kommen. So bezeichnet sie die Demokratische Partei.
       
       Lange bevor Donald Trump McDaniel 2015 als Wahlkämpferin in sein Team
       holte, war sie eine prominente Aktivistin der rechtspopulistischen
       Tea-Party-Bewegung. Sie hatte 2012 für den republikanischen
       Präsidentschaftskandidaten Newt Gingrich gearbeitet und Nikki Haley, die
       dieses Jahr bei den Vorwahlen gegen Trump kandidierte, schon 2010 zum Sieg
       als Gouverneurin in South Carolina verholfen. So zumindest lautet
       McDaniels Sichtweise auf die Dinge, die teilweise auch von der Lokalpresse
       bestätigt wird.
       
       Trump nenne sie „the Captain“, erzählt sie stolz. McDaniel genießt die
       Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, ihr gefällt die Rolle als
       Senioren-Influencerin. Sie hat einiges zu sagen, zögert nie und lobt viel
       und gerne [2][die republikanische Partei]. Vor allem aber lobt sie sich
       selbst. Bei der bevorstehenden Wahl, das gibt sie offen zu, gehe es ihr um
       eine einzige Sache: „Gewinnen!“
       
       „Swingiest of the Swing States“ 
       
       Vor vier Jahren [3][zitierte das US-Magazin Politico] einen
       Politikwissenschaftler, der North Carolina als „swingiest of the swing
       states“ bezeichnete. 2008 gewann Barack Obama den Bundesstaat mit einem
       Vorsprung von nur 14.000 Stimmen – als erster Demokrat seit Jimmy Carters
       Sieg 1976. Vier Jahre später konnte er den Erfolg nicht mehr wiederholen.
       
       North Carolina ist der einzige der sieben Swing States, den Trump 2020
       gegen Biden gewann: mit einem Vorsprung von 80.000 Stimmen und 1,4
       Prozentpunkten; so eng wie in keinem anderen Bundesstaat. „Es wird sehr
       schwer für uns zu gewinnen, wenn wir nicht in North Carolina siegen“, sagte
       der republikanische [4][Vizepräsidentschaftskandidat J. D. Vance] im
       September in einem Interview.
       
       Nach Texas verfügt North Carolina über den größten Anteil der ländlichen
       Bevölkerung in den USA. Lange Zeit galt der Staat als frommes, tiefrotes
       „hillbilly land“. „Der Hillbilly ist ein freier, unbescholtener, weißer
       Bürger […], der in den Hügeln lebt, sich kleidet, wie er kann, redet, wie
       ihm beliebt, Whisky säuft, wenn er ihn in die Hände kriegt, und seinen
       Revolver so oft abfeuert, wie er Lust hat“, schrieb das New York Journal im
       Jahr 1900 erstmals abfällig über die „hillbillies“, die Menschen aus den
       ländlich geprägten und ärmeren Gegenden der Südstaaten.
       
       North Carolina trägt den bezeichnenden Beinamen „Tar Heel State“. Den
       Begriff „Tar Heel“ verwendete man für arme weiße Arbeiter im Schiffbau, die
       Teer und Pech herstellten. Während des Bürgerkriegs nannten Soldaten der
       Konföderierten Staaten North Carolina „the Tar Heel“. Seitdem hat sich der
       Name durchgesetzt.
       
       Heute gehören liberale Städte wie Charlotte, Raleigh und Durham zu den am
       schnellsten wachsenden Regionen der USA. Nicht nur wegen der guten
       Universitäten und Techkonzerne, deren Mitarbeiter sich hier ansiedeln,
       sondern auch weil Mittelklassefamilien sich andere Bundesstaaten wie
       Florida oder New York immer weniger leisten können. Viele von ihnen stammen
       aus Mexiko, Indien, China und anderen Ländern.
       
       „Klar, ich wähle Kamala“ 
       
       Mit diesem Wachstum der Städte verschiebt sich auch die Wählerschaft im
       gesamten Staat. Wer in Durham an Türen klopft und über Politik sprechen
       möchte, der hat ein leichtes Spiel: Die meisten nicken freundlich. Klar,
       ich werde für Kamala Harris stimmen, versprechen sie.
       
       Gleichzeitig hat die Demokratische Partei die Gunst von Teilen traditionell
       loyaler Wählergruppen wie Latinos, Schwarzer und anderer migrantischer
       Gruppierungen verloren, die in Vororten leben. Sie arbeiten wie verrückt
       und sind wütend, weil sie ihre Miete nicht zahlen können, die Eierpreise um
       40 Prozent gestiegen sind und sie das Gefühl haben, dass dies kaum jemanden
       interessiert.
       
       Am 17. Oktober, dem ersten Tag für das sogenannte Early Voting in North
       Carolina – ab dem Tag haben die Wahllokale geöffnet –, gaben 353.166
       Menschen ihre Stimme ab, mehr als jemals zuvor. Umfragen zufolge liegen
       Trump und Harris in dem Bundesstaat praktisch gleichauf. Wie wird North
       Carolina sich entscheiden?
       
       In den vergangenen Wochen überschlugen sich die Ereignisse. Im September
       enthüllte der Sender CNN eine Recherche zu Mark Robinson, dem schwarzen
       republikanischen Kandidaten für das Gouverneursamt, den Donald Trump zuvor
       als „Martin Luther King auf Steroiden“ gefeiert hatte. Die
       Gouverneurswahlen finden in North Carolina und zehn weiteren Bundesstaaten
       am gleichen Tag wie die Präsidentschaftswahl statt.
       
       Der Recherche zufolge soll sich Robinson in einem Pornoforum als „schwarzer
       Nazi“ und „Perverser“ bezeichnet und Sklaverei verteidigt haben. Robinsons
       Umfragewerte liegen nach seinen Entgleisungen weit hinter denen des
       Demokraten John Stein.
       
       Hurrikan „Helene“ hat mehrere Dörfer fast komplett zerstört 
       
       Gerri McDaniel sieht in der Recherche eine Verschwörung der Medien gegen
       Robinson. „Wir alle lieben Mark!“ Mit einem Dutzend anderer christlicher
       Freiwilliger steht sie am Straßenrand im Bezirk Rutherford County in einem
       provisorisch errichteten Hilfslager für Opfer des [5][Hurrikans „Helene“].
       Zwischen Kartons mit Lebensmitteln, Shampoos und Zahnbürsten winkt sie
       vorbeifahrenden Autos zu und bietet ihnen brutzelnde Burger mit Bohnen und
       Salat an. Das Lager liegt nur wenige Autominuten von den Dörfern entfernt,
       die nach Hurrikan „Helene“ vor einem Monat durch Erdrutsche fast
       vollständig weggespült wurden.
       
       Ende September traf Hurrikan „Helene“ auf die USA und entpuppte sich als
       eine der tödlichsten Naturkatastrophen in der jüngsten Geschichte der USA.
       232 Menschen starben [6][nach Berechnungen der CNN] landesweit, fast
       hundert alleine in North Carolina. Viele ertranken in ihren überfluteten
       Häusern. Die Überlebenden verloren ihre gesamte Existenzgrundlage.
       Hunderttausende harrten wochenlang ohne Strom oder sauberes Trinkwasser
       aus, wussten nicht, ob ihre Angehörigen in den benachbarten Dörfern noch am
       Leben sind. Gouverneur Roy Cooper schätzt den Sachschaden auf verheerende
       53 Milliarden US-Dollar.
       
       Auch einen Monat nach der Katastrophe bleiben die Spuren der Verwüstung
       allgegenwärtig. Wie eingeschlagene Meteoriten türmen sich Eichen, Tannen
       und Ahornbäume entlang der Gebirgslandschaft, zerstören den Blick auf das
       herbstlich-magische Wäldermeer der appalachischen „Blue Ridge Mountains“.
       Normalerweise zieht die Schönheit der Gegend um diese Jahreszeit
       Tourist:innen aus dem ganzen Land an. Dieses Jahr sind stattdessen
       Scharen von Katastrophenhelfer:innen unterwegs, unentwegt kreisen am
       Himmel die Helikopter.
       
       Nach der Katastrophe vergaß man hier kurzzeitig die ideologischen
       Grabenkämpfe. Die Not war zu groß, das Leben zu kurz, um sich wegen der
       Politik zu überwerfen, lautete der Konsens. Dann kehrte die Elektrizität
       zurück. Elon Musk spendierte großzügig sein [7][„Starlink Internet“].
       Soziale Medien quollen über mit Verschwörungstheorien über das, was sich in
       den Tagen nach dem Sturm ereignet hatte.
       
       „In North Carolina gibt es eine spirituelle Einheit wie nirgendwo sonst.
       Hier hilft man sich gegenseitig, niemand braucht Hilfe von
       Regierungsbehörden“, sagt McDaniel. Der republikanische Freiheitsbegriff
       lässt sich so verstehen: nach einer Katastrophe gibt es die Freiheit
       darauf, sich gegenseitig zu unterstützen, statt staatliche Unterstützung in
       Anspruch zu nehmen.
       
       McDaniel behauptet, Fema, die Federal Emergency Management Agency, hätte
       privat gespendete Generatoren ihrer Bekannten konfisziert und als ihre
       eigenen ausgegeben. Fema ist eine staatliche Behörde und sorgt bei
       Katastrophen wie Erdbeben, Bränden oder Fluten für Wiederaufbauhilfe und
       koordiniert Hilfstruppen.
       
       Ein anderer Freiwilliger fällt McDaniel ins Wort: Kein einziges Mal hätte
       sich die Fema bei ihnen gemeldet oder eine Zusammenarbeit angeboten. Nur
       Ocha, die humanitäre Hilfe der Vereinten Nationen, hätte Schutzbrillen,
       Gummihandschuhe und Ohrstöpsel vorbeigebracht. „Absolutely amazing“,
       großartig sei das, witzelt er böswillig. Nichts von dem Gesagten lässt sich
       überprüfen. Eine Anfrage der taz lässt die Fema unbeantwortet.
       
       Während Trumps Amtszeit war Katastrophenschutz zweitrangig, während des
       [8][Hurrikans „Maria“] blieb 2017 dringend benötigte Hilfe in Puerto Rico
       aus. Auch jetzt fürchtet man, dass Trump im Falle seines Wahlsieges das
       Budget der Fema kürzen könnte.
       
       In den Wochen nach Hurrikan „Helene“ verbreiteten ultrarechte
       Influencer:innen die wildesten Gerüchte. Bei einer Rally in Michigan
       behauptete Donald Trump fälschlich, Fema hätte Gelder für die
       Katastrophenopfer dazu benutzt, um sie an „illegale Migranten“ zu
       verschwenden.
       
       Die republikanische Verschwörungstheoretikerin Marjorie Taylor Green
       schrieb auf X, die Regierung kontrolliere das Wetter und hätte „Helene“
       wissentlich verursacht. Der Post hatte 40 Millionen Views. Man warf der
       Regierung vor, Gebiete im Tal des Dorfes Chimney Rock beschlagnahmt zu
       haben, angeblich, um Lithiumvorkommen abzubauen. Hunderte Leichen sollen
       hier noch liegen. Lokalpolitiker widersprachen den Gerüchten auf
       offiziellen Kanälen. Aber der Schaden war angerichtet.
       
       Christopher A. Cooper, Professor für Politikwissenschaft an der Western
       Carolina University, stellte kürzlich fest, dass in den 13 in diesem Jahr
       von „Helene“ betroffenen Bezirken bei den vergangenen Wahlen im Jahr 2020
       etwa 55 Prozent der Stimmen an Trump und 45 Prozent an Biden gingen. Die
       Folgen des Sturms könnten die Ergebnisse in diesem Jahr beeinflussen: zum
       einen, weil der Zugang zu Wahllokalen eingeschränkt ist, zum anderen, weil
       die Menschen gerade andere Prioritäten haben.
       
       Wer Kamala wählt, bekommt weniger Trinkgeld 
       
       Besuch im Lake House in Lake Lure, an dem See, der als Filmkulisse für
       „Dirty Dancing“ Berühmtheit erlangte. Ein schlichter Holzbau mit
       Amerika-Flagge und Blick auf eine braune, von Überresten der Erdrutsche
       eingekreiste matschige Seebrühe. Drinnen trinkt eine Männerrunde Bier und
       spielt Karten, die Atmosphäre ist freundlich und familiär. „Wir hatten
       Riesenglück“, sagt die Kellnerin Julia R., eine Frau mit Kurzhaarschnitt
       und warmen Augen, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Unser
       Restaurant blieb unbeschadet.“
       
       Sie serviert Pinot Grigio und Bananentorte, lehnt sich gegen ein
       Treppengeländer und nimmt sich Zeit zum Plaudern. Die Tourist:innen
       blieben nach der Hurrikankatastrophe in diesem Jahr sowieso weg.
       
       Vor zwanzig Jahren zog Julia aus ihrem Heimatland Belarus zum Studium in
       die USA. Nach dem Studium blieb sie, heiratete und brachte ihre Tochter zur
       Welt. Hier fühlt sie sich zu Hause. Julia lacht selbst dann fröhlich, wenn
       sie von der Trauer spricht, die ihre kleine Gemeinde befallen hat. Sie
       liebt den Zusammenhalt hier. In den schwierigsten Tagen, als alle ihre
       Nachbarn evakuiert werden mussten, gaben sie einander Halt. „Nur ich habe
       den Flug mit dem Helikopter verpasst, weil ich am Tag zuvor bei Freunden
       untergekommen bin.“ Sie lebt auf der rechten Uferseite: Ihr Haus steht
       noch, auch wenn die Familie gerade nicht dort leben kann. Auf der
       gegenüberliegenden Seite spülte der Sturm alle Häuser weg.
       
       Auf die Frage, warum Menschen behaupten, die Fema würde sie im Stich
       lassen, verdreht Julia genervt die Augen. „Weil das Republikaner sind.“ Sie
       und alle ihre Nachbarn hätten Anträge auf finanzielle Kompensationen
       gestellt, die die Fema gerade bearbeite. Die Kommunikation laufe freundlich
       und problemlos ab, man kümmere sich. Manchmal fragten ihre Kund:innen im
       Restaurant sie, welche:n Präsidentschaftskandidat:in sie
       unterstütze. „Wenn ich nicht Trump sage, muss ich befürchten, dass sie mir
       weniger Trinkgeld geben.“
       
       Militärfahrzeuge und Feuerwehrwagen blockieren die Zufahrt 
       
       Julia deutet zum östlichen Seeufer. „Fahr dort entlang, da ist die
       Zerstörung am besten zu sehen!“ Aber Militärfahrzeuge und Feuerwehrwagen
       blockierten die Zufahrt ins Stadtzentrum von Chimney Rock, die freigeräumte
       Asphaltstraße wirkt wie eine gespenstische Reise in einem Apokalypsefilm.
       Am Straßenrand stapeln sich in getrocknetem Schlamm getränkte Überreste von
       Möbeln. Häusergerippe, in denen noch vor einem Monat Familien lebten,
       stehen leer.
       
       Wie im ganzen Land stehen für Kamala-Harris-Unterstützer:innen die Themen
       [9][Abtreibungsrechte] und der Schutz der Demokratie ganz oben auf ihrer
       Prioritätenliste. Bei den Konservativen sind es Inflation und Immigration.
       Eigentlich könnte man annehmen, dass der Klimawandel, der dieses Jahr so
       zerstörerisch über das Land hereingebrochen ist, eine wichtige Rolle im
       Präsidentschaftswahlkampf spielt. Die Realität sieht anders aus. Die
       meisten Wähler:innen, ob von Demokraten oder Republikanern, erwähnen die
       Klimakrise, wenn überhaupt, nur in einem Nebensatz.
       
       Kurz nach dem Hurrikan „Helene“ nannte Donald Trump den Klimawandel „einen
       der größten Schwindel“. „Niemand kann mehr die Auswirkungen der Klimakrise
       leugnen“, reagierte Biden. „Wer das tut, muss hirntot sein.“
       
       Aber über die [10][Zusammenhänge von CO2-Emissionen und
       Extremwetterereignissen] spricht auch bei den Demokraten kaum jemand. Mit
       seinem [11][Inflation Reduction Act] setzte Biden mit 369 Milliarden Dollar
       einerseits Investitionen das größte Klimapaket aller Zeiten durch.
       Andererseits genehmigte er mehr Öl- und Gasbohrungen als jede Regierung vor
       ihm.
       
       Lange Schlangen vor dem Wahllokal 
       
       Im 8.500-Seelen-Örtchen Black Mountain in Buncombe County, fast eine
       Autostunde entfernt von Lake Lure, ist auf den ersten Blick wieder ein
       Stück Normalität eingekehrt. Vor dem Bibliotheksgebäude warten
       Einwohner:innen in der prallen Sonne fast eine Stunde, bis sie in die
       Wahlkabine dürfen. Einige haben ihre eigenen Klappstühle mitgebracht, eine
       alte Umweltaktivistin mit Strohhut strickt Babyklamotten. Ein
       republikanischer Freiwilliger verteilt Wasserflaschen und Wahlprogramme,
       die haarsträubende Fehlinformationen enthalten.
       
       Black Mountain ist ein sogenanntes politisch gemischtes „lila“ Städtchen.
       Die Brüder Robert und Charles Scott stehen mit ihren beiden Frauen in der
       Schlange. Aufgeregt besprechen sie den Bären, den Charles heute Morgen in
       seinem Vorgarten gesehen hat. Robert wählt Harris, sein Bruder stimmt für
       Trump. Sie wissen das voneinander. Wegen der Wirtschaft und der
       Grenzpolitik, sagt der eine. Um die Demokratie zu retten, der andere.
       Früher diskutierten sie noch am Küchentisch, heute schweigen sie das Thema
       tot. „Es bringt nichts.“ Erst das Gespräch mit der taz öffnet die Büchse
       der Pandora.
       
       Charles erzählt von den schönen Hotels, in denen illegale Migrant:innen
       auf Kosten der Regierung leben dürfen. Auch ein Video, das Migrant:innen
       in Ohio beim Essen von Haustieren zeigt, will er mit eigenen Augen gesehen
       haben.
       
       Robert wendet sich kopfschüttelnd ab, wenige Sekunden später dreht er sich
       wieder um und flüstert dem Bruder zu: „In Pennsylvania war der falsche
       Schütze unterwegs.“ Er bedauert, dass das Attentat auf Trump fehlschlug.
       Charles Stimme schwillt an, „kannst du glauben, dass der legal so reden
       darf“, fragt er seine Frau. Die zupft beschwichtigend den
       „Trump/Vance“-Sticker auf seinem Pulli zurecht. Robert und Charles, zwei
       alte Männer, die für einen ganzen Staat stehen.
       
       28 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
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